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von Sadhu Sundar Singh
Mit
Geleitworten des anglikanischen Bischofs Durand von Lahore und des
Erzbischofs Söderblom von Upsala
Mit Erlaubnis
des Verfassers aus dem Englischen übersetzt von A. M. H.
(Visions
of the Spiritual World)
Ist eine der sechs Schriften, die auch im Buch
„Gesammelte Schriften“ enthalten sind:
Die Titel der
darin enthaltenen Schriften lauten – sie sind im Buch „Gesammelte Schriften“
enthalten: (Hinweise: auf die englischen Ausgaben/Titel)
1. Zu des Meisters Füssen (At the Master’s Feet)
2. Wirklichkeit und Religion – Innerungen über Gott, Mensch und Natur (Reality
and Religion)
3. Das Suchen nach der Wirklichkeit – Gedanken über Hinduismus, Buddhismus,
Islam und Christentum (The Reality and Religion)
4. Betrachtungen über verschiedene Seiten des geistlichen Lebens (The Search
for Reality)
5. Gesichte der Geisterwelt – Eine kurze Beschreibung des Geisteslebens,
seiner verschiedenen Seinszustände und des Schicksals guter und böser
Menschen, wie es in Gesichten geschaut wurde
(Vision of the Spiritual
World)
6. Mit und ohne
Christus – Vorfälle aus dem Leben von Christen und Nichtchristen, die den
Unterschied zeigen zwischen einem Leben mit Christus und einem Leben ohne
Christus (With and Without Christ)
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Einiges aus seinem Buch publizieren wir auf diesem Internet-Bereich –
klicken Sie den entsprechenden ‚botton’ an und nehmen Sie eine Leseprobe.
Das Buch „Gesammelte Schriften von Sadhu Sundar Sing“ (von Friso Melzer) ist
nach wie vor lieferbar (es umfasst 6 seiner bekanntesten Schriften, deren
Titel oben erwähnt sind, und kann in guten Buchhandlungen oder bei SGFL,
4016 Basel, Postfach 538 bestellt werden)
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Geleitwort
von Sundar Singhs Diözesenbischof
Ich empfinde es als ein sehr grosses Vorrecht, dass es mir vergönnt ist, der
Bitte meines Freundes Sadhu Sundar Singh um ein kurzes Vorwort für sein Buch
über die "Gesichte" nachzukommen, weil ich hoffe und glaube, dass dieses
Büchlein vielen Seelen in ihrem Ringen um die Gotteswirklichkeit helfen
,wird. Ich wünschte, dass alle, die das Buch lesen, das Vorrecht haben
könnten, welches wir in unserer Diözese und ebenso eine Anzahl von Menschen
in London haben, den Sadhu persönlich zu kennen. Die Botschaft dieses Buches
vermittelt und bekräftigt denselben Eindruck, den ein Gespräch mit dem Sadhu
in unseren Herzen zurücklässt, den Eindruck erfrischender Gesundheit und
Schlichtheit.
Manche, welche das Buch lesen, werden von selbst, wie ich glaube, sich
veranlasst sehen, zu fragen: " Welches ist das eigentliche Wesen dieser
geistigen Erfahrungen? Welche Rolle spielte darin etwa das Unbewusste ? War
in dem, was in den ,Gesichten' geschaut wurde, eine objektive Wirklichkeit?"
Ich habe nicht die philosophischen Kenntnisse, die mich befähigen würden,
eine Antwort auf diese Fragen zu geben; und ich bin keineswegs sicher, dass
ich, auch wenn ich sie hätte, sie in diesem Fall überhaupt mit Nutzen
anwenden würde.
Der heilige Paulus gab sich damit zufrieden, seine tiefsten geistigen
Erfahrungen ohne eine genügende Erklärung zu lassen. "Ob im Leibe oder
ausser dem Leibe - ich weiss es nicht; Gott weiss es." Die einfachste
Auffassung erscheint mir die richtigste zu sein. Ich las das Buch im
Manuskript an einem Sonntagnachmittag dieses Sommers in SimIa; und als ich
nachher versuchte, mir über meinen Eindruck klar zu werden, schien er mir
folgendermassen zu sein: Ich fühlte, dass der Schleier, der für gewöhnlich
die wirkliche Welt verhüllt, für wenige Augenblicke gelüftet war und dass es
mir durch die Hilfe dieses treuen Dieners Christi vergönnt worden war, die
Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Ich weiss es nicht, aber ich bin
geneigt anzunehmen, dass mein Freund, der Sadhu, diese ganz einfache
"Erklärung" seiner "Gesichte" gern annehmen würde.
Und als mein Geist bei dem Inhalt des Büchleins verweilte, trat in mein
Bewusstsein ein Abschnitt aus der Heiligen Schrift, der in gewisser Hinsicht
von einer gIeichartigen Erfahrung berichtet.
In all den widerstreitenden Meinungen über das Kommen des Gottesreiches
haben ,wir das Zeugnis von unserem teuren Herrn selber dafür,
daß dieses Reich auf eine ganz besondere Weise schon gekommen ist. "Es
stehen etliche hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis dass sie das
Reich Gottes kommen sehen mit Kraft" {Mark. 9,1). Sowohl im Evangelium des
Markus wie in dem des Matthäus sind diese Worte mit der Erzählung von der
Verklärung eng verbunden; ich kann deshalb nicht daran zweifeln, dass die
Evangelisten dieses denkwürdige Ereignis im Leben der drei auserwählten
Jünger (einer von ihnen war der Gewährsmann des Markusevangeliums) als ein
Kommen des Gottesreiches mit Kraft auslegen wollten. Und dieses Kommen
geschah so: der Schleier, welcher die unsichtbare Welt verbirgt, ward
gelüftet, so daß die Bewohner jener Welt menschlichen Augen und Ohren
sichtbar und vernehmbar wurden und in der Herrlichkeit des wirklichen Jesus
durch den Schleier des Fleisches hindurchleuchteten.
Sollte es nicht möglich sein, daß diese Art von Erfahrung noch heute
zuweilen Gottes Dienern geschenkt wird ? lch persönlich glaube, daß die
Erfahrungen des Sadhu, die in diesen "Gesichten' erzählt werden, von der
gleichen Art waren:
daß vor ihm, wie vor diesen anderen Dienern Gottes, der die Wirklichkeit
verhüllende Schleier gehoben wurde, so daß er unseren Herrn sah, wie Er
wirklich ist, und auch jene Welt, Botschaften, die als Ergebnis solcher
Erfahrungen kommen, müssen mit Ehrfurcht aufgenommen werden; aber sie müssen
auch geprüft werden durch die Beziehung auf die Offenbarung Gottes in Jesus
Christus. Ich habe mit Fleiß diesen Prüfstein an diese Botschaften angelegt,
und ich finde, dass sie sich in Übereinstimmung befinden mit jener
Offenbarung von Gottes Wesen, die wir im Leben und in der Lehre unseres
Herrn haben. Und darum nehme ich sie dankbar hin als einen neuen Beweis
dafür, dass Gott noch heute zu Seinem Volke spricht. Ich bitte Gott, dass
dieses Büchlein vielen die Augen öffnen möge für die wirkliche Welt", die
rings um uns ist, "dichter bei uns als der Atem und näher als Hände und
Füße", für die wir aber all zu oft blind sind.
Simla, Juni 1926
H. B. Durand
anglikanischer Bischof von Lahore
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Vorwort von
Erzbischof Söderblom
zur schwedischen Ausgabe
Gern entspreche ich der
Aufforderung, mit wenigen Worten das neue Büchlein von Sadhu Sundar Singh
einzuführen. Diese Gesichte sind kennzeichnend für den Sadhu. Er ist sehr
zurückhaltend in Äußerungen über seine Gesichte gewesen. Nur auf die
ausdrückliche Bitte von Freunden hat er sich dazu herbeigelassen, ausserhalb
eines engen Kreises von vertrauten Freunden diesen eigentümlichen Zug zu
offenbaren, der ihn mit vielen heiligen Männern und Frauen in der Geschichte
der Offenbarung und Schrift verbindet. In meinem Buche über "Sundar Singhs
Botschaft" habe ich dieser Sache einen Abschnitt gewidmet. Gesichte sind an
und für sich für Sundar Singh nichts Besonderes. Er ist so geartet, dass
Gesichte ihm natürlich vorkommen. Es macht ihm darum keine Schwierigkeiten,
bei andern Menschen Gesichte vorauszusetzen. Ein Vorfall wird für ihn nicht
unwahrscheinlich oder unwahr deshalb. weil mit ihm Gesichte verbunden sind.
In Sundars Universum ereignen sich seltsame Dinge. Er ist nicht
leichtgläubig. Er hat ein unbeirrbares Urteil. Aber Gesichte sind für ihn
eine natürliche Form für die Kenntnis von den himmlischen Dingen. Er redet
mit Geistern ohne irgendwelche Spuren eines spiritistischen Apparates. Und
wenn man Sundar Singh beurteilen will, muss man in Betracht ziehen, dass
Wirklichkeit und Gesichte für ihn ineinander übergehen. Dank einer gesunden
evangelischen Demut und seiner Treue gegenüber der Offenbarung wird er von
seinem Vertrauen auf das innere Licht und seine visionäre Ausrüstung nicht
irregeleitet. Es ist natürlich, Sundar Singhs geistige Abwesenheit und
seinen Umgang mit der geistigen Welt als Ekstase zu bezeichnen, und ich habe
das getan.
Aber versteht man unter Ekstase einen Taumel, so stimmt das keineswegs.
Dieses kleine Buch zeigt besser als die früheren Schriften des Sadhu, dass
seine Gesichte kaum den Charakter der Verzückung haben, sondern eher
bestimmte Einsichten in Form von Gesichten mitteilen. Diese Gesichte zielen
nicht auf das Gefühl, sondern auf das Nachdenken ab. Sie bieten Mahnung und
Lehre. Die Phantasie ist gebändigt im Dienst einer bestimmten Anschauung.
Man denkt an Hesekiel oder Swedenborg. Auch die Gesichte des Sadhu haben
einen erstaunlich nüchternen Charakter. Sie nehmen sich bisweilen seltsam
aus; aber durch sie redet der reine Gottesumgang des Sadhu zu uns.
Nathan Söderblom
Erzbischof von Upsala
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VORWORT
des VERFASSERS
In diesem Buch
habe ich versucht, über einige der Gesichte zu schreiben, die Gott mir
geschenkt hat. Wäre ich meinen eigenen Neigungen gefolgt, So hätte ich den
Bericht dieser Gesichte nicht bei meinen Lebzeiten veröffentlicht. Aber
Freunde, deren Urteil ich schätze, haben darauf bestanden, daß das, was
diese Gesichte zu sagen haben, anderen geistlich helfen könnte und die
Veröffentlichung deshalb nicht aufgeschoben werden sollte, Aus Rücksicht auf
den Wunsch dieser Freunde wird dieses Buch jetzt der Öffentlichkeit
übergeben.
In Kotgarh wurden vor vierzehn Jahren, während ich betete, meine Augen für
die himmlischen Schau aufgetan. So lebendig sah ich alles, daß ich dachte,
ich müsse gestorben sein und meine Seele sei in die Herrlichkeit des Himmels
eingegangen. Doch auch in den folgenden Jahren haben diese Gesichte
weiterhin mein Leben bereichert. Ich kann sie nicht willentlich herbeirufen,
wann ich will; aber gewöhnlich, wenn ich bete oder meditiere - mitunter
acht- bis zehnmal in einem Monat -, werden meine Geistes-Augen aufgetan: ich
kann in den Himmel blicken, wandle für eine oder zwei Stunden mit Christus
Jesus in der Herrlichkeit der himmlischen Welt und halte Zwiesprache mit
Engeln und Geistern. Vieles von dem, was sie mir auf meine Fragen
geantwortet haben, ist in meinen Büchern schon veröffentlicht worden.
Und die unaussprechliche Verzückung jener Geistesgemeinschaft macht, daß ich
mich nach der Zeit sehne, wo ich für immer in die Seligkeit und Gemeinschaft
der Erlösten eintreten darf.
Manche mögen meinen, diese Gesichte seien nur eine Art Spiritismus 131; aber
ich betone nachdrücklich: es besteht ein wesentlicher Unterschied! Der
Spiritismus behauptet, Botschaften und Zeichen von Geistern aus dem Dunklen
vorzulegen; aber sie sind für gewöhnlich so lückenhaft und unverständlich,
wenn nicht sogar wirklich trügerisch, daß sie ihre Nachfolger eher von der
Wahrheit fort als zu ihr hinführen. In diesen Gesichten sehe ich
andererseits lebendig und deutlich jede Einzelheit der Herrlichkeit der
Geisteswelt, und ich habe die sehr wirkliche Gemeinschaft mit den Heiligen
erhebend erfahren, mitten in der unvorstellbar strahlenden und schönen
Umgebung einer Sichtbar gewordenen Geisteswelt. Von diesen Engeln und
Heiligen habe ich Botschaften empfangen: nicht unbestimmte, bruchstückhafte
und unverständliche Botschaften aus dem Unsichtbaren, sondern klare und
verständliche Aufklärung vieler Fragen, die mich gequält haben.
Diese "Gemeinschaft der Heiligen" war in der Erfahrung der AIten Kirche eine
so wirkliche Tatsache, daß sie unter die notwendigen Artikel ihres Glaubens
aufgenommen wurde, die im "Apostolischen Glaubensbekenntnis" niedergelegt
sind. Einmal fragte ich in einem Gesicht die Heiligen nach einem Beweis aus
der Bibel für diese Gemeinschaft der Heiligen. Mir wurde gesagt, er sei klar
zu finden in Sacharia 3, 7-8, wo "die dabei stehen", weder Engel noch
"Menschen" von Fleisch und Blut waren, Sondern Heilige in Herrlichkeit. Gott
hatte versprochen, wenn Josua
Sein Gebot halte, wolle Er ihm Zugang geben, damit er " wandeln dürfe unter
denen (den Heiligen), die dabei stehen", und diese sind seine "Gefährten" -
die Geister der vollendeten Menschen, mit denen er Gemeinschaft pflegen
könne.
In diesem Buch werden wiederholt Geister, Heilige und Engel erwähnt. Ich
unterscheide sie auf folgende Weise: Geister sind sowohl gut wie böse; nach
dem Tode befinden sie sich in einem Zwischenzustand zwischen Himmel und
Hölle. Heilige sind, die durch diesen Zustand hindurchgegangen und in den
höheren Bereich der Geisteswelt eingetreten sind; ihnen ist ein besonderer
Dienst aufgetragen. Engel sind jene herrlichen Wesen, denen jegliche Art
höheren Dienstes aufgetragen ist; unter ihnen finden sich viele Heilige aus
anderen Welten wie aus dieser unserer Welt; und sie leben alle zusammen als
eine einzige Familie. Sie dienen einander in Liebe und sind im Glanz der
Herrlichkeit Gottes ewig selig. Die Geisterwelt meint jenen Zwischenzustand,
in den die Geister eintreten, nachdem sie den Leib verlassen haben.
Die Geisteswelt umfaßt alle Geisteswesen, welche die Stufen zwischen der
Finsternis der bodenlosen Tiefe und dem Thron des Herrn im Licht
durchlaufen.
Subathu, Juli I926
Sundar Singh
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1.
Kapitel
LEBEN UND
TOD
LEBEN
Es gibt nur eine einzige Lebensquelle - ein Unendliches und Allmächtiges
Leben; dessen schöpferische ;Macht hat allen lebendigen Dingen das Leben
gegeben. Alle Geschöpfe leben in Ihm, und in Ihm werden sie auch für immer
bleiben. Und dieses Leben schuf wiederum unzählbare andere Leben
verschiedener Art, und deren eines auf den Stufen ihres Fortschritts ist der
Mensch: nach Gottes Ebenbild geschaffen, damit er in Seiner heiligen
Gegenwart auf ewig selig wäre.
TOD
Dieses Leben kann wechseln, aber niemals kann es zerstört werden. Und
obgleich der Übergang aus der einen Seinsgestalt in eine andere Tod heißt,
so ist damit doch niemals gemeint, der Tod beende das Leben endgültig oder
füge zum Leben etwas hinzu oder nehme etwas von ihm weg. Er führt das Leben
nur aus einer Seinsgestalt in eine andere hinüber. Wenn ein Ding unserer
Sicht entschwindet, so hat es dadauruch noch nicht aufgehört zu sein. Es
erscheint wieder, aber in einer anderen Gestalt und in einem anderen
Zustand.
DER
MENSCH KANN NIEMALS VERNICHTET WERDEN
Nichts in diesem ganzen Weltall wurde je zerstört, noch kann es je zerstört
werden, denn der Schöpfer hat niemals etwas erschaffen, damit es zerstört
werde. Wenn er es hätte zerstören wollen, so hätte Er es nie erschaffen. Und
wenn in der Schöpfung nichts zerstört werden kann, wie kann dann der Mensch
zerstört werden, der die Krone der Schöpfung und das Ebenbild seines
Schöpfers ist? Kann Gott selber Sein eigenes Ebenbild zerstören, oder kann
irgendein anderes Geschöpf es tun? Nimmermehr! Wenn der Tod also den
Menschen nicht zerstört, dann erhebt sich sogleich die Frage: wo und in
welchem Zustand wird sich der Mensch nach dem Tode befinden? Ich versuche,
aus den Erfahrungen meiner Gesichte eine kurze Erklärung zu geben, obgleich
ich nicht alles beschreiben kann, was ich in den Gesichten von der
Geisteswelt geschaut habe, denn die Sprache und die Bilder dieser Welt
reichen nicht zu, um diese Geisteswirklichkeiten auszudrücken; und schon der
Versuch, die Herrlichkeit des Geschauten in gewöhnliche Sprache
zurückzubilden, führt leicht zu Mißverständnis. Ich mußte deshalb den
Bericht aller jener feinen geistigen Vorgänge, für den nur eine
Geistessprache zureicht, auslassen, und kann nur ein paar schlichte und
lehrreiche Vorfälle mitteilen, die sich für alle als nützlich erweisen. Da
früher oder später jeder in diese unsichtbare Geisteswelt eintreten muß,
wird es nicht ohne Nutzen sein, wenn wir bis zu einem gewissen Grade mit ihr
vertraut werden.
2.
Kapitel
WAS
GESCHIEHT BEIM TODE?
Eines Tages, als ich allein betete, fand ich mich plötzlich von einer großen
Schar von Geisteswesen umgeben, oder ich möchte sagen: sobald meine
Geistes-Augen aufgetan waren, sah ich, wie ich in der Gegenwart einer großen
Schar von Heiligen und Engeln kniete. Als ich ihren Glanz und ihre
Herrlichkeit erblickte und meine eigene niedere Art mit ihnen verglich, war
ich zuerst etwas verlegen. Doch ihr wirkliches Mitgefühl und ihre liebevolle
Freundlichkeit gab mir sogIeich meine Ruhe wieder. Ich hatte bereits den
Frieden der Gegenwart Gottes in meinem Leben erfahren, aber die Gemeinschaft
mit diesen Heiligen fügte noch eine neue und wunderbare Freude hinzu. Als
wir miteinander redeten, erhielt ich von ihnen Antwort auf meine Fragen, und
die Schwierigkeiten mancher Rätsel, die mich quälten, wurden gelöst.
Zuerst fragte ich, was zur Zeit des Sterbens geschehe, und in welchem
Zustand sich die Seele nach dem Tode befinde. Ich sprach: "Wir wissen, was
mit uns zwischen Kindheit und Greisenalter geschieht; aber wir wissen nicht,
was in der Todesstunde oder jenseits der Tore des Todes geschieht. Das
können nur die genau wissen, die sich auf der anderen Seite des Todes
befinden und schon in die Geisteswelt eingetreten sind. Könnt ihr" , so
fragte ich, "uns darüber irgendwelche Aufklärung geben?" Darauf antwortete
einer der Heiligen; "Der Tod ist gleich dem Schlaf. Der Übergang bereitet
keine Schmerzen, außer im Falle einiger weniger Krankheiten des Leibes und
gewisser Zustände des Geistes. Wie der Tiefschlaf einen erschöpften Menschen
überfällt, so kommt der Todesschlaf zum Menschen. Über viele kommt der Tod
so plötzlich, daß sie nur mit großer Mühe inne werden, daß sie die
körperliche Welt verlassen haben und in die Geisterwelt eingetreten sind.
Die vielen neuen und schönen Dinge, die sie um sich herum sehen, verwirren
sie so, daß sie meinen, sie besuchen irgendein Land oder eine Stadt der
Körperwelt, die sie vorher noch nicht gesehen haben. Erst wenn sie
eingehender belehrt worden sind und erkennen, ihr Geistesleib unterscheidet
sich von ihrem früheren stofflichen Leib, dann geben sie zu, sie seien in
der Tat aus der Körperwelt in das Reich der Geister versetzt worden.
"Ein anderer der Heiligen, der anwesend war, gab auf meine Frage noch diese
weitere Antwort: "Gewöhnlich verliert der Leib in der Todesstunde langsam
seine Empfindung. Er spürt keine Schmerzen, sondern wird nur von einem
Gefühl der Schläfrigkeit überwältigt. Bei großer Schwäche oder einem Unfall
entweicht manchmal der Geist, während der Leib noch bewußtlos ist. Die
Geister selber, die gelebt haben, ohne daran zu denken, daß sie einmal in
die Geisteswelt eingehen, und ohne sich darauf zu rüsten, werden, wenn sie
so plötzlich in die Geisterwelt versetzt werden, gar sehr verwirrt und
geraten wegen ihres Schicksals in einen Zustand großer Bedrängnis. Deshalb
müssen sie für eine beträchtliche Zeit auf den niederen dunklen Stufen des
Zwischenzustandes bleiben. Die Geister dieser niederen Bereiche belästigen
oft die Menschen in der Welt gar sehr. Aber die einzigen, denen sie ein Leid
zufügen können, sind die, deren Sinn ihnen gleicht, und die ihnen aus
freiern Willen ihr Herz öffnen. Diese bösen Geister würden, wenn sie sich
mit anderen bösen Geistern vereinigten, in der Welt ungeheuren Schaden
stiften; doch Gott hat überall zahllosen Engeln aufgetragen, sie sollen Sein
Volk und Seine Schöpfung behüten, so daß Sein Volk immer in Seinem Schutz
geborgen ist.
Böse Geister können in der Welt nur denen schaden, die ihnen gleichen, und
auch dann können sie es nur bis zu einer bestimmten Grenze. Sie können in
der Tat auch die Gerechten plagen, aber nur wenn Gott es zuläßt. Gott
erlaubt gelegentlich Satan und seinen Engeln, Sein Volk zu versuchen und zu
verfolgen, damit es aus der Prüfung stärker und besser hervorgehe, wie Er
Satan erlaubte, Seinen Knecht Hiob zu verfolgen. Aber von solch einer
Versuchung hat der Gläubige eher Gewinn als Verlust."
Ein anderer der dabeistehenden Heiligen fügte als Antwort auf meine Frage
noch hinzu: „Viele, die ihr Leben noch nicht Gott hingegeben haben, werden,
wenn ihre Stunde naht, scheinbar bewußtlos. Was aber tatsächlich geschieht,
ist dies: wenn sie die gräßlichen und teuflischen Gesichter der bösen
Geister sehen, die sie umgeben, werden sie sprachlos und vor Furcht gelähmt.
Andererseits ist das Sterben eines Gläubigen häufig das ganze Gegenteil
davon. Er ist oft außerordentlich glücklich, denn er sieht Engel und fromme
Geister nahen, die ihn willkommen heißen. Dann dürfen auch seine Lieben, die
vorher gestorben sind, an sein Sterbebett treten und seine Seele in die
Geisteswelt geleiten. Wenn er in die Geisterwelt eintritt, fühlt er sich
sogleich wie zu Hause: dort sind nicht nur seine Freunde um ihn, sondern
während er noch in der Welt war, hatte er schon lange durch sein Vertrauen
zu Gott und seine Gemeinschaft mit Ihm auf jene Heimat vorbereitet." Danach
sagte ein vierter Heiliger: "Die Menschenseelen aus der Welt
hinauszugeleiten, ist die Aufgabe der Engel. Gewöhnlich offenbart sich der
Christus in der Geisteswelt einer jeden Seele auf der Stufe der
Herrlichkeit, die dem Stand ihrer geistigen Entwicklung entspricht. Aber in
einigen Fällen kommt Er sogar selber an das Sterbebett, um Seinen Diener
willkommen zu heißen, trocknet seine Tränen in Liebe und führt ihn ins
Paradies. Wie ein Kind, das in die Welt hineingeboren wird, alles vorfindet,
was es bedarf, so findet auch die Seele, wenn sie in die Geisteswelt
eintritt, alles, was sie braucht."
3.
Kapitel
DIE
GEISTERWELT
Im Verlaufe eines Gesprächs gaben mir die Heiligen einmal diese Auskunft:
,,Nach dem Tode tritt die Seele eines jeden menschlichen Wesens in die
Geisterwelt ein, und eine jede wird nach dem Stand ihrer geistlichen Reife
bei Geistern wohnen, die ihr in Sinn und Wesen gleichen, entweder in der
Finsternis oder in dem Licht der Herrlichkeit. Es wird uns versichert, noch
keiner sei in seinem natürlichen Leib in die Geisteswelt gekommen außer
Christus und einigen wenigen Heiligen, deren Leiber in verklärte Leiber
verwandelt wurden. Aber einigen ist, während sie noch in der Welt leben,
erlaubt worden, die Geisteswelt und sogar den Himmel zu sehen - wie in 2.
Kor. 12,2 -, obgleich sie selber nicht sagen können, ob sie das Paradies im
Leib oder im Geist betreten."
Nach diesem Gespräch führten diese Heiligen mich umher und zeigten mir viele
wunderbare Dinge und Orte.
Ich sah, wie von allen Seiten fortwährend tausend und abertausend Seelen in
der Geisterwelt eintrafen und alle von Engeln geleitet wurden. Die Seelen
der Guten hatten nur Engel und gute Geister bei sich, die sie von ihrem
Sterbebett begleitet hatten. Böse Geister durften ihnen nicht nahen, sondern
standen in der Ferne und beobachteten. Ich sah auch, wie bei den Seelen der
wirklich Bösen keine guten Geister waren, sondern sie waren von bösen
Geistern umgeben, die mit ihnen von ihren Sterbebetten gekommen waren,
während auch Engel dabeistanden und die bösen Geister daran hinderten, daß
sie der Bosheit ihrer heimtückischen Art freies Spiel ließen und die Seelen
quälten. Die bösen Geister führten diese Seelen meistens sofort in die
Finsternis; denn als sie noch im Fleisch waren, hatten sie beständig den
bösen Geistern gestattet, auf sie zum Bösen einzuwirken, und sich selber
willig zu jeglicher Art von Bosheit verführen lassen. Denn die Engel hemmen
auf keine Weise den freien Willen irgendeiner Seele. Ich sah dort auch viele
Seelen, die erst kürzlich in die Geisterwelt gekommen waren: die wurden von
guten und bösen Geistern wie auch von Engeln begleitet. Aber binnen kurzem
begann der wurzeltiefe Unterschied ihres Lebens sich geltend zu machen, und
sie schieden sich selber - die guten Wesens dem Guten entgegen, und die
Bösen dem Bösen entgegen.
SÖHNE DES
LICHTS
Wenn die Menschenseelen in der Geisterwelt angekommen sind, so scheiden sich
die Geister der Guten sofort von den Bösen. In der Welt sind alle
durcheinander gemengt, aber in der Geisteswelt ist es anders. Ich habe viele
Male gesehen: wenn die Geister der Guten - der Söhne des Lichts - in die
Geisterwelt eintreten, so baden sie zuallererst in den nicht zu fühlenden
Luftgleichen Wassern eines kristallklaren Ozeans, und darin finden sie eine
starke und erheiternde Erfrischung. Sie bewegen sich mitten in diesen
wunderbaren Wassern, als ob sie im Freien wären: weder ertrinken sie darin,
noch machen die Wasser sie naß; vielmehr treten sie, wunderbar gereinigt,
erfrischt und geläutert, in die Welt der Herrlichkeit und des Lichts ein, wo
sie auf ewig in der Gegenwart ihres lieben Herrn und in der Gemeinschaft
zahlloser Heiliger und Engel bleiben werden.
SÖHNE DER
FINSTERNIS
Wie so ganz anders sind die Seelen derer, die ein böses Leben geführt haben.
Voller Unbehagen in der GeseIlschaft der Söhne des Lichts und von dem
aIles-offenbarenden Licht der Herrlichkeit gequält, mühen sie sich ab, sich
an Orten zu verstecken, wo ihr unreines und Sünden-beschmutztes Wesen nicht
zu sehen ist. Von dem untersten und finstersten Ort der Geisterwelt steigt
ein schwarzer und übel-riechender Rauch auf. Während sie sich bemühen, sich
vor dem Licht zu verbergen, stürzen diese Söhne der Finsternis hinab und
werfen sich kopfüber hinein. Und von dort hört man dann beständig ihre
bitteren Klagen der Reue und Angst aufsteigen. Doch der Himmel ist so
eingerichtet, daß die Geister im Himmel weder den Rauch sehen noch die
angstvoIlen Klagen hören; es sei denn, ihrer einige soIlten aus irgendeinem
besonderen Grund zu sehen wünschen, wie übel es jenen Seelen in der
Finsternis ergeht.
DER TOD
EINES KINDES
Ein kleines Kind starb an Lungenentzündung, und eine Engelschar kam, um
seine Seele in die Geisterwelt zu geleiten. Ich wünschte, seine Mutter hätte
den wundervoIlen Anblick sehen können, dann hätte sie nicht geweint, sondern
vor Freude gesungen; denn die Engel sorgen für die Kleinen mit einer
Sorgfalt und Liebe, wie eine Mutter sie niemals zeigen könnte. Ich hörte,
wie einer der Engel zu einem andern sagte: "Sieh nur, wie die Mutter dieses
Kindes über diese kurze und zeitliche Trennung weint! In nur wenigen Jahren
wird sie bei ihrem Kinde wieder glücklich sein." Dann brachten die Engel des
Kindes Seele in jenen schönen und LichterfüIlten Teil des Himmels, der für
die Kinder bestimmt ist. Dort sorgen die Engel für sie und unterrichten sie
in aller himmlischen Weisheit, bis die Kleinen allmählich selber wie Engel
werden.
Nach einiger Zeit starb auch des Kindes Mutter, und ihr Kind, das nun den
Engeln gleich geworden war, kam mit anderen Engeln, um die Seele seiner
Mutter willkommen zu heißen. Als es zu ihr sagte: "Mutter, kennst du mich
nicht mehr? Ich bin dein Sohn Theodor" , da wurde das ;.Mutterherz von
Freude überflutet, und als sie einander umarmten, fielen ihre Freudentränen
wie Blüten. Es war ein rührender Anblickt Als sie dann miteinander
dahingingen, zeigte und erklärte er ihr die Dinge ringsum, und während der
Zeit, die ihr bestimmt war, im Zwischenzustand zu verbringen, blieb er bei
ihr. Als die Zeit, die sie zur Belehrung in jener Welt brauchte, vorüber
war, nahm er sie in den höheren Bereich mit, wo er selber wohnte.
Dort gab es nach allen Seiten wundervolle und fröhliche Umgebungen. Und
ungezählte Menschenseelen waren dort, die in der Welt mannigfache Leiden um
Christi willen getragen hatten und schließlich zu diesem herrlichen Ort der
Ehren erhoben worden waren. Rings umher waren unvergleichliche und
außerordentlich schöne Gebirge, Quellen und Landschaften, und in den Gärten
befanden sich alle Arten süßer Früchte und schöner Blumen im Überfluß. Es
gab alles, was das Herz begehren mochte. Da sagte er zu seiner Mutter: "In
der Welt, die doch nur das trübe Spiegelbild dieser wirklichen Welt ist,
grämen sich unsere Lieben nach uns. Aber nun sage mir: ist dies der Tod,
oder ist es nicht vielmehr das wirkliche Leben, nach dem jedes Herz sich
sehnt?" Die Mutter sprach: "Mein Sohn, dies ist das wahre Leben. Wenn ich in
der Welt die ganze Wahrheit über den Himmel gewußt hätte, dann hätte ich
mich niemals über deinen Tod gegrämt. Wie traurig ist es doch, daß die
Menschen in der Welt so blind sind! Christus hat sich über diesen Zustand
der Herrlichkeit ganz deutlich erklärt, und die Evangelien reden immer
wieder von diesem ewigen Reim des Vaters. Doch trotzdem bleiben nicht nur
unwissende Menschen, sondern auch viele erleuchtete Gläubige noch immer ohne
Kenntnis seiner Herrlichkeit. Möchte Gott es fügen, daß alle in die
immerwährende Freude dieses Ortes eingehen!
DER TOD
EINES PHILOSOPHEN
Die Seele eines deutschen Philosophen trat in. die Geisterwelt ein und sah
aus der Ferne die unvergleichliche Herrlichkeit der Geisteswelt und die
grenzenlose Seligkeit ihrer Bewohner. Er war von dem, was er sah, entzückt,
aber sein widerspenstiger Intellektualismus stand ihm im Wege, So daß er
nicht eintreten und an ihrer Seligkeit teilhaben konnte. Anstatt daß er
zugab, sie sei wirklich, stritt er mit sich also: "Es besteht gar kein
Zweifel daß ich das alles hier sehe. Aber wie läßt sich beweisen, daß es von
mir unabhängig besteht, daß es nicht irgendeine Täuschung ist, die mein
Geist heraufbeschworen hat? Ich will an alles von einem Ende bis zum anderen
den Prüfstein der Logik Philosophie und Wissenschaft anlegen. Dann erst will
ich überzeugt sein, daß es wirklich und keine Täuschung ist." Da antworteten
ihm die Engel: "Deine Rede zeigt, dein IntelIektualismus hat dein ganzes
Wesen verkehrt. Wer die Geisteswelt sehen will, braucht dazu Geistes- und
nicht Körperaugen. Ebenso braucht, wer ihre Wirklichkeit verstehen will,
geistliches Verstehen und keine Verstandesübungen in den Grundlehren der
Logik und Philosophie. Deine Wissenschaft, die es mit stofflichen Tatsachen
zu tun hat, ist mit deinem leiblichen Schädel und Gehirn in der Welt
zurückgeblieben. Hier kann man nur jene geistliche Weisheit gebrauchen, die
aus der Furcht Gottes und der Liebe zu Ihm entspringt." Dann sagte einer der
Engel zu einem anderen: " Wie traurig ist es doch, daß die Menschen jenes
kostbare Wort unseres Herrn vergessen: ,Es sei denn, daß ihr umkehrt und
werdet wie die Kinder, sonst werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen’ „ (Matth.
I8, 3). Ich fragte einen der Engel was das Ende dieses :Mannes sein werde,
und er antwortete: "Wenn das Leben dieses Menschen durchweg schlecht gewesen
wäre, dann hätte er sich sofort zu den Geistern der Finsternis gesellt; doch
er ist nicht ohne sittliches Empfinden. So wird er eine sehr lange Zeit
hindurch blind in dem Dämmerlicht der unteren Teile des Zwischenzustandes
herumwandern und sich weiterhin seinen philosophischen Kopf stoßen, bis er,
seiner Torheit müde, Buße tut. Dann wird er bereit sein, die nötige
Belehrung von den dazu bestimmten Engeln zu empfangen. Und nach dieser
Belehrung wird er fähig sein, in das vollere Licht Gottes in dem höheren
Bereich einzugehen.“
In einem gewissen Sinn ist der ganze unendliche Raum - insofern ihn die
Gegenwart Gottes, der Geist ist, erfüllt - eine Geisteswelt. In einem
anderen Sinn ist auch die Welt eine Geisteswelt, denn ihre Bewohner sind
Geister, in menschliche Leiber gekleidet. Aber es gibt noch eine andere
Geisterwelt: in ihr wohnen eine Zeitlang die Geister, nachdem sie den Leib
beim Tode verlassen haben. Das ist ein Zwischenzustand: ein Zustand zwischen
der Herrlichkeit und dem Licht der höchsten Himmel und der Dämmerung und
Finsternis der untersten Höllen. In ihm gibt es zahllose Daseinsstufen. Und
die Seele wird auf diejenige Stufe geleitet, für die ihr Fortschritt in der
Welt sie befähigt. Engel, die für diese Aufgabe bestimmt sind, belehren sie
dort eine gewisse Zeit, die lang oder kurz sein kann. Dann erst zieht die
Seele weiter und tritt in die Gesellschaft jener Geister ein - der guten
Geister im helleren Licht oder der bösen Geister in der tieferen Finsternis
-, die ihr im Wesen und in der Gesinnung gleichen.
4.
Kapitel
DES
MENSCHEN HILFE UND BELEHRUNG, JETZT UND NACHHER
UNSICHTBARE HILFE
Oft kommen unsere Verwandten und Lieben und mitunter auch die Heiligen aus
der unsichtbaren Welt, um uns zu helfen und uns zu beschützen. Die Engel tun
das immerzu. Doch haben sie sich uns niemals sichtbar machen dürfen, mit
Ausnahme weniger Male bei ganz besonderer Not. Auf Wegen, die wir nicht
wahrnehmen, wirken sie auf uns in der Richtung heiliger Gedanken ein und
bewegen uns hin zu Gott und einer guten Lebensführung. Und Gottes Geist, der
in unseren Herzen wohnt, vollendet jenes Werk, das dazu dient, unser
Geistes-Leben vollkommen zu machen, und das sie nicht zu vollenden
vermochten.
WER IST
DER GRÖSSTE?
Die Größe irgendeines Menschen hängt nicht von seinem Wissen und seiner
Stellung ab, noch kann irgend jemand dadurch allein groß werden. Ein Mensch
ist so groß, wie er anderen nützen kann, und er nützt ihnen soviel, wie er
ihnen dient. Deshalb ist ein Mensch so groß, wie er anderen in Liebe dienen
kann. Wie der Herr gesagt hat: "So jemand will unter euch groß sein, der sei
euer Diener" (Matth. 20,26). Alle, die ich Himmel wohnen, haben ihre Freude
daran, daß sie einander dienen; so erfüllen sie den Sinn ihres Lebens und
bleiben auf ewig in der Gegenwart Gottes.
DIE
VERBESSERUNG DES IRRTUMS
Wenn Menschen ernstlich begehren, ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen,
so beginnt die Berichtigung ihrer Ansichten und die Erneuerung ihres Lebens
schon in dieser Welt. Hierbei lehrt sie nicht nur Gottes Geist unmittelbar,
sondern in der verborgenen Kammer des Herzens empfangen sie Hilfe durch die
Gemeinschaft mit den Heiligen, die, obwohl sie ihnen unsichtbar bleiben,
ihnen immer nahe sind, um ihnen zum Guten beizustehen. Aber da viele
gläubige Christen sowie auch nichtchristliche Wahrheitssucher sterben,
während sie noch falsche und unvollständige Ansichten der Wahrheit haben,
werden ihre Anschauungen in der Geisterwelt berichtigt, vorausgesetzt, sie
halten nicht hartnäckig an ihren Anschauungen fest und wollen lernen; denn
weder in dieser noch in der nächsten Welt zwingt Gott oder irgendeiner
Seiner Diener einen Menschen dazu, daß er etwas gegen seinen Willen glaube.
DIE
OFFENBARUNG CHRISTI
In einem Gesicht sah ich den Geist eines Götzendieners: als er in der
Geisterwelt ankam, fing er an, nach seinem Gott zu suchen. Da sagten die
Heiligen zu ihm: "Hier ist kein Gott außer dem Einen Wahren Gott und
Christus, der Seine Offenbarung ist." Darüber war der Mann gar sehr
erstaunt. Aber er war ein aufrichtiger Wahrheitssucher und gab freimütig zu,
er sei im Irrtum gewesen. Er suchte eifrig die richtige Sicht der Wahrheit
zu erkennen und fragte, ob er den Christus sehen dürfe. Bald darauf
offenbarte sich Christus ihm und anderen, die frisch in der Geisterwelt
angekommen waren, in einem schwachen Licht: auf dieser Stufe hätten sie eine
volle Entfaltung Seiner Herrlichkeit nicht ertragen, denn Seine Herrlichkeit
ist so überwältigend, daß selbst die Engel Ihn nur mit Mühe anschauen und
ihr Angesicht mit ihren Flügeln bedecken (Jes. 6,2). Wenn Er sich aber
irgendeiner Seele offenbart, dann bedenkt Er die besondere Stufe, bis zu der
sie fortgeschritten ist, und erscheint im schwächeren oder helleren Licht
Seiner Herrlichkeit, damit die Seele Seinen Anblick ertragen kann. Als diese
Geister Christus in diesem schwachen aber anziehenden Lichte sahen, wurden
sie mit Freude und Frieden erfüllt, die zu beschreiben unsere Kraft
übersteigt. Sie wurden in den Strahlen Seines Leben-spendenden Lichtes
gebadet und von den Wellen Seiner Liebe überflutet, die beständig von Ihm
ausströmen: da war all ihr Irrtum abgewaschen. Dann erkannten sie von ganzem
Herzen Ihn als die Wahrheit an und fanden Heilung. Sie beugten sich in
demütiger Anbetung vor Ihm und dankten und priesen Ihn. Und die Heiligen,
die zu ihrer Belehrung bestimmt waren, freuten sich auch über sie.
EIN
ARBEITER UND EIN ZWEIFLER
Einmal sah ich in einem Gesicht einen Arbeiter in der Geisterwelt ankommen.
Er war in großer Not, denn sein ganzes Leben lang hatte er keinen anderen
Gedanken gehabt, als sein tägliches Brot zu verdienen. Er hatte zu viel zu
tun, als daß er hätte an Gott oder Geistes-Dinge denken können. Mit ihm
zusammen war auch ein anderer gestorben, der war ein Zweifler und in seinen
Meinungen sehr hartnäckig. Beide mußten in der Geisterwelt eine lange Zeit
tief unten an einem Ort der Finsternis weilen. Dort fingen sie in ihrem
Elend an, um Hilfe zu schreien. Heilige und Engel kamen voll Liebe und
Mitgefühl herbei, um sie zu belehren, damit sie verstünden, wie sie Glieder
des Reiches der Herrlichkeit und des Lichtes werden könnten. Aber trotz
ihres Elends wollten sie, wie viele andere Geister, lieber weiter an ihrem
dunklen Ort bleiben; denn die Sünde hatte ihr ganzes Sein und Wesen so sehr
verkehrt, daß sie alles bezweifelten. Selbst auf die Engel, die doch zu
ihrer Hilfe gekommen waren, blickten sie mit Argwohn. Während ich das mit
ansah, hätte ich gerne gewußt, was ihr Ende sein würde. Doch als ich fragte,
bekam ich von einem der Heiligen nur diese Antwort: „möchte Gott ihnen
gnädig sein!“
Wie verderbt das verkehrte Wesen des Menschen ist, können wir aus folgendem
ersehen: Wenn über einen anderen Menschen eine üble Rede umgeht, dann wird
der, dessen Blick durch die Sünde verzerrt ist, sie, auch wenn sie falsch
ist, sofort als wahr annehmen. Andererseits aber, wenn er eine gute und
vollkommen wahre Kunde empfängt, z.B. der und der sei ein frommer Mann und
habe dies oder das zur Ehre Gottes und zum Wohl seiner Mitmenschen getan,
dann pflegt solch ein Hörer ohne Zögern zu sagen: „Das ist alles falsch. Er
muß damit irgendeine persönliche Absicht verfolgt haben.“ Fragen wir aber
solch einen Menschen, woher er wisse, daß der erste Fall wahr und der letzte
falsch sei, und wie er das beweisen könne, dann kann er nicht den geringsten
Beweis vorbringen. Von solch einer Gesinnung können wir dieses lernen: weil
sein Sinn vom Bösen befleckt ist, glaubt er den üblen Nachreden, denn sie
passen zu seinem bösen Herzen. Ein guter Mensch ist seinem Wesen nach von
entgegengesetzter Art. Er neigt wesensmäßig dazu, eine schlechte Nachricht
zu bezweifeln und eine gute zu glauben, denn diese Haltung stimmt am besten
zu der Güte seines Wesens.
Wer in dieser Welt sein Leben im Widerspruch gegen den Willen Gottes
verbringt, wird weder in dieser noch in der künftigen Welt Herzensfrieden
haben. Und wenn er in die Geisterwelt eintritt, wird er sich verwirrt und
bekümmert fühlen. Wer sich aber in dieser Welt nach dem Willen des Herrn
richtet, wird, wenn er in die andere Welt eintritt, Frieden haben und mit
unaussprechlicher Freude erfüllt werden, denn hier ist seine ewige Heimat
und das Reich seines Vaters.
5.
Kapitel
DAS
GERICHT ÜBER DIE SÜNDER
Viele Menschen meinen, wenn sie im Verborgenen sündigen, werde es niemals
jemand erfahren. Aber es ist völlig unmöglich, daß irgendeine Sünde auf
immer verborgen bleibe. Zu irgendeiner Zeit wird sie sicher bekannt werden,
und der Sünder wird die Strafe empfangen, die er verdient. Auch Güte und
Wahrheit können niemals verborgen bleiben. Selbst wenn sie eine Zeitlang
nicht anerkannt werden, am Ende müssen sie siegen. Die folgenden Vorfälle
dienen dazu, auf den Zustand des Sünders Licht zu werfen.
EIN GUTER
MENSCH UND EIN DIEB
Einmal erzählte mir in einem Gesicht einer der Heiligen diese Geschichte:
Spät in der Nacht mußte ein gottesfürchtiger Mann einen weiten Weg machen,
um eine notwendige Arbeit zu verrichten. Wie er dahinschritt, ertappte er
einen Dieb, der gerade in einen Laden einbrach. Er sagte zu ihm: „Du hast
kein Recht, anderer Leute Eigentum an dich zu nehmen und ihnen Schaden
zuzufügen. Das ist eine große Sünde.“ Der Dieb antwortete: „Wenn du heil
davonkommen willst, dann gehe still weiter; wenn nicht, dann wirst du
Unannehmlichkeiten haben.“ Der gute Mann setzte seine Bemühungen beharrlich
fort, und als der Dieb nicht hören wollte, begann er zu rufen und weckte die
Nachbarn. Sie eilten heraus, um den Dieb zu ergreifen; aber sowie der gute
Mann den Dieb anzuklagen begann, drehte der Dieb den Spieß um und
beschuldigte den guten Mann. „0 ja“, sagte er, „ihr denkt, dieser Kerl sei
sehr fromm, aber ich überraschte ihn gerade beim Stehlen.“ Da keine Zeugen
zugegen waren, wurden beide festgenommen und miteinander in einen Raum
eingeschlossen. Der Polizeioffizier und einige seiner Leute verbargen sich,
um ihr Gespräch zu belauschen. Da begann der Dieb, seinen Mitgefangenen
auszulachen. „Sieh“, sagte er, „habe ich dich nicht fein gefangen? lch sagte
dir gleich, du solltest dich davonmachen, oder es würde dir schlecht
ergehen. Nun wollen wir einmal sehen, wie deine Religion dich retten wird.“
Sowie der Offizier dies gehört hatte, öffnete er die Tür und ließ den guten
Mann in Ehren und mit einer Belohnung frei; dem Dieb aber gab er eine
ordentliche Tracht Prügel und sperrte ihn in eine Gefängniszelle. So gibt es
schon in dieser Welt eine Art Gottesgericht zwischen guten und bösen
Menschen, aber die volle Strafe und Belohnung wird erst in der künftigen
Welt ausgeteilt.
GEHEIME
SÜNDEN
Auch das Folgende wurde mir in einem Gesicht erzählt. Ein Mensch beging in
der Verborgenheit seines Zimmers eine sündige Tat und dachte, seine Sünde
bliebe verborgen. Einer der Heiligen sagte: „Wie sehr wünschte ich, die
Geistes-Augen dieses Menschen wären zu der Zeit aufgetan, dann hätte er
nimmermehr gewagt, diese Sünde zu begehen“ Denn in jenem Raum befanden sich
eine Anzahl Engel und Heilige wie auch einige Geister seiner Lieben, die ihm
zu Hilfe gekommen waren. Sie waren alle über sein schändliches Verhalten
betrübt und ihrer einer sagte: „Wir kamen, um ihm zu helfen, aber jetzt
müssen wir zur Zeit seines Gerichts gegen ihn zeugen. Er kann uns nicht
sehen, aber wir können alle sehen, wie sehr er der Sünde frönt.
Möchte dieser Mensch doch umkehren und vor der künftigen Strafe gerettet
werden!“
VERSÄUMTE
GELEGENHEITEN
Einmal sah ich in der Geisterwelt einen Geist, der vor Gewissensbissen laut
schrie und wie ein Wahnsinniger umherjagte. Ein Engel sagte: „Dieser Mann
hatte in der Welt oftmals Gelegenheit, umzukehren und sich zu Gott zu
wenden. Aber wann immer sein Gewissen ihn zu plagen anfing, pflegte er die
Gewissensbisse im Trunk zu ertränken. Er vergeudete sein ganzes Eigentum,
richtete seine Familie zugrunde und beging zum Schluß Selbstmord. Jetzt rast
er in der Geisterwelt wie ein toller Hund umher und krümmt sich vor
Gewissensbissen, wenn er an seine versäumten Gelegenheiten denkt. Wir sind
bereit, ihm zu helfen, aber sein eigenes verkehrtes Wesen hindert ihn
umzukehren, denn die Sünde hat sein Herz verhärtet, obgleich er sich ihrer
immer wieder neu erinnert. In der Welt trank er, um die Stimme seines
Gewissens zum Schweigen zu bringen, aber hier hat er keine Gelegenheit,
irgend etwas zu verdecken. Jetzt ist seine Seele so nackend, daß er selbst
und alle Bewohner der Geisteswelt sein sündiges Leben sehen können. In
seinem von Sünden verhärteten Zustand hat er keinen anderen Ausweg, als daß
er sich mit anderen bösen Geistern in der Finsternis verbirgt, damit er bis
zu einem gewissen Grade der Qual, die ihm das Licht bereitet, entgeht.“
WIE EINEM
BÖSEWICHT ERLAUBT WURDE, IN DEN HIMMEL EINZUGEHEN
Einmal trat in meiner Gegenwart ein Mann, der ein übles Leben geführt hatte,
nach seinem Tode in die Geisterwelt ein. Als die Engel und Heiligen ihm
helfen wollten, begann er sofort, sie zu verfluchen und zu schmähen, und
sagte: „Gott ist überhaupt ungerecht. Er hat solchen schmeichelnden Sklaven,
wie ihr seid, den Himmel bereitet, und die übrige Menschheit wirft Er in die
Hölle. Dennoch nennt ihr Ihn Liebe!" Die Engel entgegneten: „Gewiß, Gott ist
Liebe. Er schuf die Menschen, damit sie auf ewig mit Ihm in seliger
Gemeinschaft leben möchten; aber die Menschen haben sich in ihrer
Hartnäckigkeit und durch den Mißbrauch ihres freien Willens von Ihm
abgewandt und haben sich selber die Hölle bereitet. Gott wirft niemanden in
die Hölle und wird es auch niemals tun, sondern der Mensch schafft sich
selber die Hölle, indem er sich in Sünde verstrickt. Niemals hat Gott eine
Hölle geschaffen.
In demselben Augenblick war die überaus liebliche Stimme eines der hohen
Engel von oben zu hören: „Gott erlaubt, daß dieser Mensch in den Himmel
geführt werde.“ Begierig schritt der Mann, von zwei Engeln geführt,
vorwärts; aber als sie die Himmelstüre erreicht und den heiligen und
Lichtumfluteten Ort und seine verklärten und seligen Bewohner sahen, begann
er, sich unbehaglich zu fühlen. Die Engel sprachen zu ihm: „Sieh, was für
eine schöne Welt das ist! Geh weiter und schaue den teuren Herrn an dort auf
Seinem Thron.“ Er blickt von der Tür aus hinein. Als dann aber das Licht der
Sonne der Gerechtigkeit ihm offenbarte, wie unrein sein Sündenbeschmutztes
Leben war, wandte er sich zurück, denn Ekel vor sich selber überfiel ihn
quälend, und floh mit solcher Hast, daß er nicht einmal im Zwischenzustand
der Geisterwelt anhielt, sondern gleich einem Stein jagte er hindurch und
stürzte sich kopfüber in die abgrundlose Tiefe.
Dann war die liebliche und entzückende Stimme des Herrn zu hören: „Seht,
Meine lieben Kinder, hierher zu kommen ist keinem verwehrt, und niemand
verbot es diesem Menschen, noch hat irgend jemand ihm geboten wegzugehen.
Vielmehr hat sein eigenes unreines Leben ihn gezwungen, von diesem heiligen
Ort zu fliehen. ‚Wenn jemand nicht von neuem geboren ist, kann er das Reich
Gottes nicht sehen’“ (Joh. 3,3).
DER GEIST
EINES MÖRDERS...
Ein Mann hatte vor einigen Jahren einen christlichen Prediger getötet. Nun
wurde er im Dschungel von einer Schlange gebissen und starb. Als er in die
Geisterwelt kam, sah er ringsumher gute und böse Geister. Weil die
Gesamtansicht seiner Seele ihn als einen Sohn der Finsternis auswies, hatten
die bösen Geister bald von ihm Besitz ergriffen und stießen ihn mit sich
hinab, der Finsternis entgegen. Einer der Heiligen bemerkte: „Er tötete
einen Gottesmann durch das Gift seines Zornes, und nun hat ihn selbst das
Gift einer Schlange getötet. Die alte Schlange, der Teufel, tötete durch
diesen Menschen einen unschuldigen Mann. Jetzt hat der Teufel mittels einer
anderen Schlange, die ihm gleich ist, diesen Mann getötet, denn er ist ,ein
Mörder von Anfang'“ (Joh. 8,44).
... UND
DER GEIST DES ERMORDETEN
Als der Mörder fortgebracht wurde, sagte zu ihm einer aus der Schar der
guten Geister, die gekommen waren, um ihm zu helfen: "Ich habe dir von
ganzem Herzen vergeben. Kann ich jetzt etwas tun, um dir zu helfen?" Der
Mörder erkannte ihn sogleich als denselben Mann, den er vor einigen Jahren
getötet hatte. Voller Scham und Furcht fiel er vor ihm nieder, und alsbald
begannen die bösen Geister laut zu schreien, aber die Engel, die in einiger
Entfernung standen, wiesen sie zurecht und brachten sie zum Schweigen. Dann
sagte der Mörder zu dem Mann, den er ermordet hatte: "Wie wünschte ich, daß
ich in der Welt dein selbstloses Wesen so hätte sehen können, wie ich es
jetzt sehe! Es tut mir leid, daß ich, weil ich blind und auch weil dein
wirkliches Geistes-Leben durch deinen Leib verhüllt war, die innere
Schönheit deines Lebens nicht sehen konnte. Dadurch, daß im dich tötete,
habe ich auch noch viele Menschen des Segens und der Wohltat beraubt, die du
ihnen gegeben hättest. Nun bin ich auf ewig in Gottes Augen ein Sünder und
verdiene voll meine Strafe. Ich weiß nicht, was ich jetzt noch tun kann,
außer daß ich mich in irgendeiner dunklen Höhle verberge, denn ich kann
dieses Licht nicht ertragen. In ihm macht mein eigenes Herz mich elend; aber
noch viel schlimmer ist, daß alle jede Einzelheit meines sündigen Lebens
sehen können.“ Darauf entgegnete der Ermordete: „Du solltest aufrichtig
bereuen und dich zu Gott wenden. Wenn du das tust, dann darfst du hoffen,
das Lamm Gottes werde dich in Seinem eigenen Blut waschen und dir neues
Leben geben, damit du bei uns im Himmel leben kannst und vor der Qual der
Hölle gerettet bist.“ Darauf erwiderte der Mörder: „Ich muß meine Sünden
nicht erst bekennen, denn sie sind allen sichtbar. In der Welt konnte
ich sie verbergen, doch hier nicht. Gern möchte ich mit
Heiligen wie du im Himmel leben. Aber wenn ich nicht einmal das schwache
selbst-offenbarende Licht in der Geisterwelt ertragen kann, wie wird es mir
dann in der durchdringenden Helle und Herrlichkeit jenes Licht-erfüllten
Ortes ergehen? Was mich am meisten hindert, ist dies: meine Sünden haben
mein Gewissen so stumpf und hart gemacht, daß mein Wesen sich nicht Gott
zuneigen und bereuen will. Ich scheine keine Kraft mehr zur Reue zu haben.
So bleibt mir nichts anderes übrig, als daß ich auf ewig von hier vertrieben
werde. Ach, mein unglückseliger Zustand!“ Wie er, von Furcht geplagt, das
sagte, fiel er nieder, und seine Genossen unter den bösen Geistern
schleppten ihn in die Finsternis weg.
Da sagte einer der Engel: „Sieh, es ist gar nicht nötig, daß irgend jemand
hier verdammt. Ein jeder Sünder wird von selbst durch sein Leben schuldig
gesprochen. Es ist gar nicht nötig, ihm das zu sagen oder Zeugen gegen ihn
aufzurufen. Bis zu einem gewissen Grade beginnt die Strafe im Herzen eines
jeden Sünders bereits, während er noch in der Welt ist; aber hier erfährt er
ihre volle Wirkung. Und Gott hat es hier so gefügt, daß Böcke und Schafe,
d.h. Sünder und Gerechte, sich von selbst voneinander trennen. Gott erschuf
den Menschen, damit er im Licht lebe, wo Gesundheit und Freude seines
Geistes ewig dauern. Deshalb kann kein Mensch in der Finsternis der Hölle
glücklich sein, noch kann er wegen seines Sünden-verderbten Lebens im Licht
glücklich sein. So wird ein Sünder, wohin er sich auch wenden mag, sich
überall in der Hölle finden. Wie ist der Stand des Gerechten dem doch
entgegengesetzt: von seiner Sünde befreit, befindet er sich überall im
Himmel!“
DER GEIST
EINES LÜGNERS
In der Welt war ein Mann so sehr dem Lügen ergeben, daß es ihm zur zweiten
Natur ward. Als er starb und in die Geisterwelt kam, versuchte er, wie
gewöhnlich zu lügen; aber er wurde gar sehr beschämt: denn noch ehe er
sprechen konnte, waren seine Gedanken allen bekannt. Dort kann niemand sich
verstellen, denn keines Herzens Gedanken bleiben verborgen. Wenn die Seele
den Leib verläßt, trägt sie die Spuren aller ihrer Sünden an sich; und wenn
sie in all ihrer Nacktheit im Lichte des Himmels steht, dann können alle
ihre Sünde sehen, und selbst ihre Glieder zeugen gegen sie. Nichts kann
diesen Makel der Sünde auslöschen als allein das Blut Christi.
Als dieser Mensch in der Welt war, hatte er regeImäßig versucht, Recht in
Unrecht zu verdrehen und Unrecht in Recht. Aber nach seinem leiblichen Tode
erfuhr er: es gibt keine Möglichkeit, die Wahrheit in Unwahrheit umzukehren,
und kann sie niemals geben. Wer lügt, schädigt und betrügt keinen anderen
als sich selber.
So hatte dieser Mensch durch sein Lügen die innere Erkenntnis der Wahrheit,
die er einst besaß, getötet. Ich beobachtete ihn: unentrinnbar in seinem
eigenen Betrug gefangen, wandte er sein Angesicht von dem Licht von oben ab
und eilte fort, weit in die Finsternis hinab, wo niemand seine schmutzige
Vorliebe für das Lügen sehen konnte als allein jene Geister, deren Wesen dem
seinen glich. Denn Wahrheit bleibt immer Wahrheit. Und sie allein fällte das
Urteil über die Unwahrhaftigkeit dieses Menschen und verdammte ihn als
Lügner.
DER GEIST
EINES EHEBRECHERS
Im sah einen Ehebrecher, der vor kurzem in die Geisterwelt gekommen war.
Seine Zunge hing ihm zum Munde heraus wie einem Menschen, der von Durst
verzehrt wird; seine Nasenlöcher waren weit geöffnet; und er schlug mit
seinen Armen um sich, als ob in ihm eine Art Feuer brannte. Er sah so übel
und ekelhaft aus, daß sein Anblick mich abstieß. Alles Üppige und sinnliche,
was ihn sonst begleitete, war in der Welt zurückgeblieben, und jetzt rannte
er wie ein toller Hund wild umher und schrie: "Dieses Leben sei verflucht!
Auch hier gibt es keinen Tod, der all diese Qual beendet. Auch hier kann der
Geist nicht sterben, sonst würde ich mich noch einmal töten, wie ich es in
der Welt schon mit einer Pistole tat, um meinen Nöten dort zu entfliehen.
Aber diese Qual hier ist bei weitem größer als die Qual der Welt. Was solI
ich tun?“ Während er das sprach, lief er der Finsternis entgegen, wo viele
Geister gleichen Sinnes waren, und verschwand dort.
Einer der Heiligen sagte: „Nicht nur eine böse Tat, auch ein böser Gedanke
und ein böser Blick ist Sünde. Diese Sünde ist nicht nur auf den Verkehr mit
einem fremden Weibe beschränkt, sondern Ausschweifung und Vertiertheit dem
eigenen Weib gegenüber ist auch Sünde. Ein Mann und sein Weib sind wahrlich
nicht zum sinnlichen Genuß miteinander verbunden, sondern daß sie einander
helfen und fördern: sie solIen mit ihren Kindern den Menschen dienen und
Gott verherrlichen. Wer sich aber im Leben von diesem Ziel abkehrt, der ist
der Sünde des Ehebrechers schuldig.“
DIE SEELE
EINES RÄUBERS
Ein Räuber starb und kam in die Geisterwelt. Zuerst nahm er an seinem
Zustand oder an den Geistern um ihn herum keinen Anteil. Aber nach seiner
Gewohnheit machte er sich sogleich daran, sich anzueignen, was an diesem Ort
von Wert war. Aber er wurde in Erstaunen versetzt, da in der Geisterwelt
selbst die Dinge zu sprechen und ihn wegen seiner unwürdigen Tat anzuklagen
schienen. Sein Wesen war so verderbt, daß er weder den wahren Gebraum dieser
Dinge kannte, noch sie richtig zu gebrauchen vermochte. In der Welt waren
seine Leidenschaften so ungezügelt gewesen, daß er in seinem Zorn wegen der
geringfügigsten Ursame einen jeden, welcher ihn beleidigte, getötet oder
verwundet hätte. In der Geisterwelt begann er jetzt, auf dieselbe Weise zu
handeln. Er wandte sich gegen die Geister, die ihn zu unterrichten kamen,
als ob er sie in Stücke reißen wollte, wie ein wilder Hund sogar in der
Gegenwart seines Herrn zu tun pflegt. Dazu bemerkte einer der Engel: „Wenn
Geister dieser Art nicht unten in der Finsternis der abgrundlosen Tiefe
niedergehalten würden, dann würden sie, wo immer sie hinkommen,
unermessliches Leid verursachen. Das Gewissen dieses Mannes ist so tot, daß
er sogar jetzt, nachdem er in die Geisterwelt gekommen ist, nicht erkennt,
daß er durch Morden und Rauben in der Welt Reichtum, Erkenntnis und Leben
seines eigenen Geistes vernichtet hat. Er tötete und vernichtete andere,
aber in Wirklichkeit hat er sich selber vernichtet. Gott allein weiß, ob
dieser Mann, und die ihm gleichen, auf lange Zeit oder auf ewig in der Qual
bleiben.“
Danach nahmen ihn die dazu bestimmten Engel und verschlossen ihn in der
Finsternis, aus der er nicht mehr herauskommen darf. Die Übeltäter befinden
sich dort in solch einem schrecklichen Zustand, und ihre Qual ist so
unsagbar, daß, wer sie sieht, schon beim bloßen Anblick zittert.
Unsere weltliche Sprache ist so beschränkt, daß wir nur dieses sagen können:
wo immer sich die Seele eines Sünders befindet, da ist immer und auf jede
Weise nichts als Qual, die nicht für einen Augenblick aufhört. Eine Art
lichtloses Feuer brennt ewig und quält diese Seelen; aber sie werden weder
verzehrt, noch erlischt das Feuer. Ein Geist, der beobachtete, was sich
gerade ereignet hatte, sagte: „Wer weiß, ob es schließlich nicht doch noch
eine reinigende Flamme sein mag?“
Im dunklen Teil der Geisterwelt, der Hölle heißt, gibt es viele Stufen und
Räume; und der besondere Ort, wo irgendein Geist im Leiden lebt, hängt von
der Menge und Art seiner Sünden ab. Es ist Tatsache: Gott erschuf sie alle
nach Seinem eigenen, d.h. Seines Sohnes Bilde, der das Ebenbild des
Unsichtbaren Gottes ist (1. Mose 1, 26-27; KoI. 1, 15); doch durch ihre
Verbindung mit der Sünde haben sie dieses Bild entstellt und es unschön und
böse gemacht. Sie haben wohl eine Art Geistesleib, aber der ist überaus
ekelhaft und schrecklich; und wenn sie nicht durch wahre Reue und Gottes
Gnade wieder erneuert werden, dann müssen sie in dieser furchtbaren Gestalt
auf ewig in der Qual bleiben.
6.
Kapitel
DER
ZUSTAND DER GERECHTEN UND IHR HERRLICHES ENDE
Der Himmel oder das Reich Gottes beginnt im Leben aller wahrhaft Gläubigen
schon in dieser Welt. Was sie auch an Verfolgungen und Nöten zu erdulden
haben, ihr Herz ist stets voller Friede und Freude; denn Gott, der die
Quelle alles Friedens und Lebens ist, wohnt in ihnen. Der Tod ist für sie
kein Tod, sondern das Tor, durch das sie für immer in ihre ewige Heimat
eingehen. Wir können auch sagen: obwohl sie schon in ihr ewiges Reich
wiedergeboren worden sind, so ist es, wenn sie den Leib verlassen, für sie
nicht der Todestag, sondern der Tag ihrer Geburt in die Geisteswelt, und es
ist für sie, wie die folgenden Vorfälle zeigen, eine Zeit überschwenglicher
Freude.
DER TOD
EINES GERECHTEN
Ein Engel erzählte mir, wie ein wahrer Christ, der seinem Meister dreißig
Jahre lang von ganzem Herzen gedient hatte, im Sterben lag. Einige Minuten,
ehe er starb, tat Gott ihm seine Geistes-Augen auf, damit er, noch bevor er
den Leib verließ, die Geisteswelt sähe und denen, die um ihn herumstanden,
erzählte, was er gesehen. Er sah, der Himmel war vor ihm aufgetan und eine
Schar Engel und Heiliger kam ihm entgegen; und an der Tür wartete der
Heiland mit ausgestreckter Hand, um ihn zu empfangen. Als all das über ihn
hereinbrach, stieß er einen solchen Freudenruf aus, daß jene, die an seinem
Bette standen, erschraken. „Was für eine frohe Stunde ist das für mich!“
rief er aus.
"Lange habe im darauf gewartet, daß im meinen Herrn sehen und zu Ihm gehen
könne. O Freunde! Seht, wie Sein Angesicht ganz von Liebe leuchtet, und seht
die Engelschar, die mich zu holen gekommen ist. Was für ein herrlicher Ort
ist das! Freunde, ich breche nach meiner wirklichen Heimat auf; grämt euch
nicht über meinen Fortgang, sondern freuet euch ! " Einer von denen, die an
seinem Bette standen, sagte leise: „Sein Geist ist irre.“ Er hörte die leise
Stimme und sprach: „Nein, so ist es nicht. Im bin ganz bei Bewußtsein. Ich
wünschte, ihr könntet diesen wundervollen Anblick sehen. Er ist vor euren
Augen verborgen. Das tut mir leid. Lebt wohl! Wir werden in der anderen Welt
einander wieder begegnen.“ Nachdem er das gesagt hatte, schloß er seine
Augen und sprach: „Herr, ich befehle meine Seele in Deine Hände“, und so
schlief er ein.
WIE ER
DIE SEINEN TRÖSTETE
Sowie seine Seele den Leib verlassen hatte, nahmen die Engel sie in die Arme
und wollten mit ihr schon in den Himmel eilen; da bat er sie, sie möchten
noch einige Minuten verweilen. Er blickte auf seinen leblosen Leib und auf
seine Freunde und sprach zu den Engeln: „Ich wußte nicht, daß der Geist,
nachdem er den Leib verlassen hat; seinen eigenen Leib und seine Freunde
sehen kann. Ich wollte, meine Freunde könnten mich sehen, wie ich sie sehen
kann; dann würden sie mich niemals für tot halten, noch um mich trauern, wie
sie jetzt tun.“ Dann untersuchte er seinen Geistesleib und fand ihn
wunderbar licht und zart und von seinem groben stofflichen Leib völlig
verschieden. Darauf begann er, seine Lieben und seine Kinder, die da weinten
und seinen kalten Leichnam küßten, zurückzuhalten. Er streckte seine feinen
Geisteshände aus und begann, ihnen das alles zu erklären und sie mit großer
Liebe davon fortzuziehen, aber sie konnten ihn weder sehen noch seine Stimme
hören, und als er versuchte, seine Kinder von seinem Leichnam fortzubringen,
da schien es, als ob seine Hände geradewegs durch ihre Leiber
hindurchgingen, wie wenn sie Luft wären; aber sie fühlten gar nichts. Da
sagte einer der Engel: " Komm, laß dich von uns in deine ewige Heimat
geleiten. Sei ihretwegen nicht traurig. Der Herr selber und auch wir wollen
sie trösten. Diese Trennung dauert nur wenige Tage." Dann machte er sich in
der Gesellschaft der Engel nach dem Himmel auf. Sie hatten sich erst ein
kleines Stück fortbewegt, als ihnen eine andere Engelschar begegnete und
ihnen „Willkommen“ zurief. Auch viele Freunde und Angehörige, die vor ihm
gestorben waren, traten auf ihn zu; und als er sie sah, wurde seine Freude
noch größer. AIs sie das Himmelstor erreichten, stellten sich die Engel und
Heiligen schweigend zu beiden Seiten auf. Er trat ein, und im Eingang kam
Christus ihm entgegen. Sogleich fiel er Ihm zu Füßen und wollte Ihn anbeten,
aber der Herr hob ihn empor, umarmte ihn und sprach: „Ei, du frommer und
getreuer Knecht, gehe ein zur Freude deines Herrn.“ Hierbei wurde des Mannes
Freude unbeschreiblich. Von seinen Augen flossen Freudentränen, der Herr
wischte sie in großer Liebe ab und sprach zu den Engeln: „Führt ihn hin zu
jener herrlichsten Wohnung, die von Anfang an für ihn bereitet worden ist.“
Nun hatte der Geist dieses Gottesmannes noch immer die irdische Vorstellung,
er entehre den Herrn dadurch, daß er Ihm, wenn er mit den Engeln fortgehe,
den Rücken zukehre. So zögerte er; aber als er schließlich sein Gesicht nach
seiner Wohnung wandte, erstaunte er: denn wo immer er hinblickte, da konnte
er den Herrn sehen. Denn Christus ist an jedem Ort gegenwärtig, und die
Heiligen und Engel sehen Ihn überall. Der Mann war darüber entzückt, daß er
auf jeder Seite außer dem Herrn auch noch Umgebungen sah, die ihn mit Freude
erfüllten, und daß jene, die nach dem Range die untersten sind, denen ohne
Neid begegnen, die höher stehen, und daß jene, die höhere Stellungen inne
haben, sich glücklich schätzen, ihren Brüdern auf den niederen Stufen zu
dienen; denn dies ist Gottes und der Liebe Reich.
In jedem Teil des Himmels gibt es prächtige Gärten, die immerzu jegliche Art
lieblicher und sehr süßer Früchte und auch alle möglichen süß duftenden
Blumen, die nie verwelken, hervorbringen. Dort preisen Geschöpfe jeder Art
unaufhörlich Gott.
Vögel von wunderbarer Färbung lassen ihre lieblichen Lobgesänge hören. Und
wer den süßen Gesang der Engel und Heiligen vernimmt, der wird von einem
wunderbaren Gefühl des Entzückens gepackt. Wo immer man hinblicken mag,
sieht man nichts als Bilder schrankenloser Freude. Das ist in Wahrheit das
Paradies, das Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben; dort gibt es keinen
Schatten des Todes, noch Irrtum, noch Sünde, noch Leiden, sondern
immerwährenden Frieden und Freude.
DIE
WOHNUNGEN DES HIMMELS
Dann sah ich, wie dieser Gottesmann die für ihn bestimmte Wohnung aus der
Ferne prüfte, denn im Himmel sind alle Dinge geistlich, und das Geistes-Auge
kann durch alles, was im Wege steht, bis in unermeßlich weite Fernen
hindurchblicken. Durch die ganze Unendlichkeit des Himmels ist Gottes Liebe
offenbar; und überall kann man dort sehen, wie alle Arten Seiner Geschöpfe
Ihn preisen und Ihm danken in nimmer endender Freude. Als dieser Gottesmann
in der Gesellschaft der Engel an der Tür der ihm bestimmten Wohnung ankam,
sah er an ihr in leuchtenden Buchstaben das Wort „Willkommen“ angeschrieben,
und von den Buchstaben ertönten immer wieder die Laute: „Willkommen,
willkommen“. Als er sein Heim betrat, fand er zu seiner Überraschung den
Herrn dort schon gegenwärtig. Da wurde seine Freude größer, als wir
beschreiben können, und er rief aus: „Ich verließ die Gegenwart des Herrn
und kam auf Seinen Befehl hierher; aber hier finde ich, der Herr ist selber
hier, um bei mir zu wohnen.“ In der Wohnung fand sich alles, was seine
Einbildungskraft ihm nur vorgestellt hatte, und ein jeder war bereit, ihm zu
dienen. In den benachbarten Häusern lebten Heilige, gleichen Sinnes wie er,
in seliger Gemeinschaft. Denn dieses himmlische Haus ist das Reich, das für
die Heiligen von Anfang der Welt bereitet ist (Matth. 25,34); und das ist
die herrliche Zukunft, die jeden wahren Nachfolger Christi erwartet.
EIN
STOLZER GEISTLICHER UND EIN DEMÜTIGER ARBEITER
Ein Geistlicher, der sich selbst für außerordentlich gelehrt und fromm
hielt, starb hochbetagt. Zweifellos war er ein guter Mann. Als die Engel
kamen, um ihn an den Ort zu bringen, den der Herr in der Geisterwelt für ihn
bestimmt hatte, führten sie ihn in den Zwischenzustand und ließen ihn dort
bei vielen anderen guten Geistern, die kürzlich angekommen waren, in der
Obhut jener Engel, die den Auftrag haben, die guten Seelen zu belehren,
während sie selber zurückkehrten, um einen anderen guten Geist
herbeizuführen.
In jenem Zwischenhimmel reiht sich Stufe an Stufe bis hinauf zu den höheren
Himmeln. Über die Stufe, zu der eine jede Seele zur Belehrung zugelassen
wird, entscheidet die wirkliche Güte ihres Lebens auf Erden. Als die Engel,
die diesen Geistlichen auf seine Stufe geführt hatten, wiederkamen und die
andere Seele geleiteten, nach der sie fortgegangen waren, brachten sie diese
über die Stufe des Geistlichen hinaus an einen höheren Ort. Als der
Geistliche das sah, rief er mit unwilliger Stimme: „Mit welchem Recht laßt
ihr mich auf halbem Wege zu jenem herrlichen Lande zurück, während ihr
diesen anderen Mann in seine Nähe bringt? Weder an Heiligkeit noch an sonst
etwas stehe ich ihm oder euch irgendwie nach.“ Die Engel erwiderten: „Hier
geht es nicht um die Frage, ob groß oder klein, ob mehr oder weniger,
sondern jeder Mensch wird zu der Stufe gebracht, die er durch sein Leben und
seinen Glauben verdient hat. Du bist für jene obere Stufe noch nicht ganz
bereit; deshalb wirst du noch eine Zeitlang hier bleiben und das lernen
müssen, was unsere Mitarbeiter dich lehren sollen. Dann, wenn der Herr uns
befiehlt, wollen wir dich mit großer Freude an jenen höheren Ort führen.“ Er
sagte: „Ich habe mein ganzes Leben lang Menschen gelehrt, wie sie in den
Himmel kommen können. Was muß ich da noch lernen? Ich weiß darüber alles.“
Da entgegneten die belehrenden Engel: „Jene müssen nun hinaufgehen, und wir
können sie nicht zurückhalten; aber wir wollen auf deine Frage antworten.
Mein Freund, sei nicht beleidigt, wenn wir offen reden, denn es ist nur zu
deinem Besten. Du meinst, du seiest allein hier; doch der Herr ist auch
hier, obgleich du Ihn nicht sehen kannst. Der Stolz, den du zeigtest, als du
sagtest: ,Ich weiß darüber alles' , hindert dich, Ihn zu sehen und höher
hinaufzusteigen. Das Heilmittel gegen diesen Stolz ist Demut. Übe sie, und
dein Verlangen wird erfüllt werden.“ Danach erzählte ihm einer der Engel:
"Der Mann, der eben über dich befördert worden ist, war kein gelehrter oder
berühmter Mann. Du hast nicht sehr sorgfältig nach ihm hingeblickt. Er war
ein Glied deiner eigenen Gemeinde. Die Leute kannten ihn überhaupt kaum,
denn er war ein gewöhnlicher Arbeiter, und seine Arbeit ließ ihm nur wenig
Muße. Aber in seiner Werkstatt kannten ihn viele als einen fleißigen und
ehrlichen Arbeiter. Wer mit ihm in Berührung kam, erkannte seinen
christlichen Charakter an. Im Kriege wurde er zum Dienst in Frankreich
bestimmt. Doch eines Tages, als er gerade einem verwundeten Kameraden half,
wurde er von einer Kugel getroffen und getötet. Obgleich er so plötzlich
sterben mußte, war er doch bereit; deshalb muß er nicht so lange im
Zwischenzustand bleiben wie du. Sein Aufstieg hängt nicht von
Günstlingswirtschaft ab, sondern von seiner geistlichen Würdigkeit. Sein
Gebetsleben und seine Demut bereiteten ihn, während er in der Welt war, in
hohem Maße für die Geisteswelt. Jetzt ist er fröhlich' daß er den für ihn
bestimmten Ort erreicht hat, und dankt dem Herrn und lobt Ihn, der ihn in
Seiner Gnade gerettet und ihm ewiges Leben gegeben hat."
HIMMLISCHES LEBEN
Im Himmel kann niemand jemals heucheln, denn ein jeder kann das Leben des
anderen sehen, wie es ist. Das alles-offenbarende Licht, das Christo in
Seiner Herrlichkeit entströmt, bringt die Bösen in ihren Gewissensbissen
dazu, daß sie versuchen, sich zu verbergen; aber die Gerechten erfüllt es
mit höchster Freude darüber, daß sie im Lichtreich des Vaters weilen dürfen.
Dort sehen alle ihre Güte, und sie wächst immer mehr, denn dort gibt es
nichts, was ihr Wachstum hindern könnte, sondern, was sie nur unterstützen
kann, ist zu ihrer Hilfe dort vorhanden. Welche Stufe der Güte die Seele
eines Gerechten erreicht hat, kann man an dem Glanz erkennen, den seine
ganze Erscheinung ausstrahlt. Denn Charakter und Wesen zeigen sich in der
Gestalt verschiedener leuchtender regenbogenartiger Farben von großer
Herrlichkeit. Im Himmel gibt es keine Eifersucht. Ein jeder sieht gern die
geistliche Erhöhung und Herrlichkeit anderer, und alle bemühen sich,
einander ohne Selbstsucht zu allen Zeiten treulich zu dienen. Alle die
unzähligen Gaben und Segnungen des Himmels dienen allen zum gemeinsamen
Nutzen. Niemand denkt je aus Selbstsucht daran, etwas für sich zu behalten,
und für jeden gibt es genug von allem.
Gott, der die Liebe ist, ist in der Person Jesu zu sehen: Er sitzt auf dem
Thron im höchsten Himmel. Von ihm, der die „Sonne der Gerechtigkeit“ und das
„Licht der Welt“ ist, sieht man heilende und Leben-spendende Strahlen und
Wellen von Licht und Liebe bis an die äußersten Grenzen Seines Weltalls
ausstrahlen. Sie durchströmen jeden Heiligen und Engel und bringen allem,
was sie anrühren, stärkende und belebende Kraft.
Im Himmel gibt es weder Osten noch Westen, weder Norden noch Süden, sondern
jeder einzelnen Seele oder jedem Engel erscheint Christi Thron als die Mitte
aller Dinge.
Dort finden sich auch jegliche .Art süßer und köstlicher Blumen und Früchte
und vielerlei geistliche Nahrung. Während man sie ißt, empfindet man
auserlesenen Wohlgeschmack und Freude; aber nachdem man sie genossen hat,
geht von den Poren des Leibes ein feiner Duft aus, der die Luft ringsumher
angenehm durchdringt.
Kurzum: das Wollen und Wünschen aller Himmelsbewohner ist in Gott erfüllt,
denn in einem jeden Leben wird Gottes Wille vollendet. So erfährt unter
allen Umständen und auf jeder Stufe des Himmels ein jeder unwandelbare
wundervolle Freude. So ist das Ziel des Gerechten ewige Freude und
Seligkeit.
7.
Kapitel
ZIEL UND
ZWECK DER SCHÖPFUNG
Vor einigen Monaten lag im allein in meinem Zimmer und litt heftig an einem
Augengeschwür. Der Schmerz war so groß, daß ich keine andere Arbeit tun
konnte; deshalb verbrachte ich die Zeit in Gebet und Fürbitte. Eines Tages,
als ich so erst einige Minuten lang gebetet hatte, wurde mir die Geisteswelt
aufgetan, und ich fand mich von einer Menge Engel umgeben. Im Nu vergaß im
alle meine Schmerzen, denn meine ganze Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet.
Im folgenden erwähne ich ein paar der Dinge, über die wir miteinander
sprachen.
NAME IM
HIMMEL
Ich fragte sie: „Könnt ihr mir sagen, unter welchen Namen ihr bekannt seid?“
Einer der Engel erwiderte: „Einem jeden von uns ist ein neuer Name gegeben
worden; den weiß niemand als allein der Herr und der ihn empfangen hat (Offbg.
2, 17). Wir alle hier haben in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen
Zeiten dem Herrn gedient. Es ist gar nicht nötig, daß ein anderer unsere
Namen kennt, noch besteht eine Notwendigkeit, daß wir unsere früheren
irdischen Namen nennen. Es wäre vielleicht reizvoll, sie zu wissen, aber -
wozu wäre es nützlich? Dann wollen wir auch nicht, daß die Leute unsere
Namen kennen, denn sonst würden sie von uns groß denken und uns ehren statt
des Herrn. Der hat uns so sehr geliebt, daß Er uns aus unserem gefallenen
Zustand emporgehoben und in unsere ewige Heimat gebracht hat, wo wir auf
ewig in Seiner liebenden Gemeinschaft Loblieder singen - und das ist das
Ziel, wozu Er uns erschaffen hat.“
GOTT
SCHAUEN
Ich fragte wieder: "Schauen die Engel und Heiligen, die an den höchsten
Orten des Himmels wohnen, immer das Angesicht Gottes? Und wenn sie Ihn
sehen, in welcher Gestalt und in welchem Zustand erscheint Er?“
Einer der Heiligen sagte: „Wie das Meer voller Wasser ist, so ist das ganze
Weltall Gottes voll, und jeder Bewohner des Himmels fühlt Seine Gegenwart an
allen Orten. Wer im Wasser untertaucht, der findet über und unter und um
sich herum nichts als Wasser; ebenso fühlen wir im Himmel Gottes Gegenwart.
Und wie es im Wasser des Meeres zahllose Lebewesen gibt, so leben Seine
Geschöpfe in dem unendlichen Wesen Gottes. Weil Er Unendlich ist, können
Seine Kinder, die endlich sind, Ihn nur in der Gestalt Christi sehen. Wie
der Herr selber gesagt hat: ,Wer Mich sieht, der sieht den Vater' (Joh. 14,
9). In dieser Geisterwelt kann ein jeder nur soweit Gott erkennen und
empfinden, wie er geistlich fortgeschritten ist; und auch der Christus
offenbart Seine herrliche Gestalt einem jeden insoweit, wie er geistlich
erleuchtet ist und sie zu fassen vermag. Wenn Christus denen, die in dunklen
niederen Orten der Geisteswelt wohnen in demselben herrlichen Licht
erschiene wie denen, die an den höheren Orten sind, dann würden sie es nicht
ertragen können. So mildert er die Herrlichkeit Seiner Offenbarung je nach
dem Fortschritt und der Fähigkeit einer jeden einzelnen Seele.“
Dann fügte noch ein anderer Heiliger hinzu:
“Gottes Gegenwart kann man tatsächlich fühlen und sich ihrer erfreuen, aber
man kann sie nicht mit Worten ausdrücken. Wie man die Süßigkeit des Süßen
wahrnimmt, indem man sie schmeckt, und nicht, indem man sie höchst
anschaulich beschreibt, so erfährt jeder im Himmel die Freude der Gegenwart
Gottes, und in der Geisteswelt weiß ein jeder; seine Gotteserfahrung ist
wirklich und hat es nicht nötig, daß irgend jemand versucht, ihm mit einer
wörtlichen Beschreibung zu helfen."
ENTFERNUNG IM HIMMEL
Ich fragte: „Wie weit sind die verschiedenen himmlischen Daseinsräume
voneinander entfernt? Darf man die Räume, in denen man nicht wohnen kann,
besuchen?“
Da sagte einer der Heiligen; „Einer jeden Seele wird der Wohnort auf der
Stufe bestimmt, für die ihre geistliche Entwicklung sie befähigt hat; aber
auf kurze Zeit kann sie auch andere Orte besuchen gehen. Wenn die Bewohner
der höheren Stufen zu den niederen herabkommen, dann wird ihnen eine Art
geistlicher Bekleidung gegeben, damit die Herrlichkeit ihrer Erscheinung die
Bewohner der niederen und dunkleren Orte nicht aus der Fassung bringt.
Ebenso erhält der Bewohner einer unteren Stufe, der zu einer höheren geht,
eine Art geistlicher Bekleidung, damit er das Licht und die Herrlichkeit
jenes Ortes erträgt.“ Im Himmel empfindet niemand eine Entfernung, denn
sobald jemand wünscht, an einen bestimmten Ort zu gehen, findet er sich
sogleich dort vor. Entfernungen erfährt man nur in der Körperwelt. Wenn
einer danach verlangt, einen Heiligen auf einer anderen Stufe zu sehen, dann
wird entweder er selber im Augenblick des Gedankens dorthin geführt, oder
der entfernte Heilige kommt sofort zu ihm.
DER
VERDORRTE FEIGENBAUM
Ich fragte sie: „Ein jedes ist zu einem bestimmten Zweck geschaffen; aber
gelegentlich erscheint es, als werde jener Zweck nicht erfüllt. So war z.B.
der Zweck des Feigenbaums, Frucht zu bringen; aber als der Herr ihn ohne
Frucht fand, ließ Er ihn verdorren. Könnt ihr mich darüber erleuchten, ob
sein Zweck erfüllt war oder nicht?“ Ein Heiliger antwortete: „Zweifellos war
sein Zweck erfüllt, und mehr als erfüllt. Der Herr des Lebens gibt einem
jeden Geschöpf das Leben zu einem bestimmten besonderen Zweck; wenn der
Zweck aber nicht erfüllt wird, hat Er die Macht, das Leben wieder
zurückzunehmen, um irgendeinen höheren Zweck zu erfüllen. Viele Tausende
Gottesdiener haben ihr Leben geopfert, um andere zu lehren und emporzuheben.
Indem sie ihr Leben für andere verloren, haben sie ihnen geholfen und so den
höheren Zweck Gottes erfüllt. Und wenn es für den Menschen, der höher steht
als der Feigenbaum und alle anderen Geschöpfe, recht und der edelste Dienst
ist, daß er sein Leben für andere Menschen dahingibt, wie kann es da
ungerecht sein, wenn ein bloßer Baum sein Leben opfert, damit ein irrendes
Volk gelehrt und gewarnt wird? So gab Christus durch diesen Feigenbaum den
Juden und der ganzen Welt diese große Lehre: wessen leben ohne Frucht
bleibt, und wer das Ziel verfehlt, zu welchem Gott ihn geschaffen hat, der
wird gleichermaßen verdorren und vernichtet werden.“
Die Tatsachen der Geschichte machen es uns vollauf klar, daß das
scheinheilige und enge Leben des jüdischen Volkes zu jener Zeit unfruchtbar
war und deshalb gleich dem Feigenbaum verdorrte. Gleicherweise ist das
unfruchtbare Leben anderer, obgleich sie äußerlich fruchtbar erscheinen,
eine Quelle der Täuschung für andere und wird deshalb verflucht und
vernichtet werden. Wenn jemand einwenden wollte: als der Herr diesen
Feigenbaum verfluchte, sei doch keine Erntezeit und also keine Frucht zu
erwarten gewesen, dann sollte er bedenken: für gute Taten gibt es keine
bestimmte Zeit, denn alle Zeiten sind gleichermaßen dazu bestimmt, daß wir
Gutes tun; ein jeder solle danach trachten, daß er in seinem Leben Frucht
bringt und somit den Zweck erfüllt, zu dem er geschaffen ward.
HAT DER
MENSCH EINEN FREIEN WILLEN?
Wiederum fragte ich: „Wäre es nicht bei weitem besser gewesen, Gott hätte
den Menschen und die ganze Schöpfung als vollkommen geschaffen, denn dann
hätte der Mensch weder sündigen können, noch gäbe es infolge der Sünde so
viel Sorge und Leiden in der Welt? Jetzt aber haben wir in der Schöpfung,
die der Eitelkeit unterworfen ist, alle Arten Leiden zu erdulden.“
Ein Engel, der von den höchsten Stufen des Himmels herabgekommen war und
dort eine hohe Stellung einnahm, antwortete: „Gott hat den Menschen nicht
als Maschine erschaffen, die zwanghaft arbeitet; noch hat er sein
Schicksal so festgelegt wie das der Sterne und Planeten, die von ihrer
festgesetzten Bahn nicht abweichen können. Vielmehr hat Er den Menschen
nach Seinem eigenen Bild und Gleichnis geschaffen: mit freiem Willen,
mit Verstand begabt und mit der Kraft, Entschlüsse zu fassen und selbständig
zu handeln; dadurch ist der Mensch allen anderen Geschöpfen überlegen. Wäre
der Mensch nicht mit freiem Willen geschaffen worden, dann könnte er sich
nicht der Gegenwart Gottes noch des Himmels erfreuen; denn dann wäre er bloß
eine Maschine, die sich bewegt, ohne daß sie es weiß oder fühlt, oder er
wäre den Sternen gleich, die, ohne es zu Wissen, den unendlichen Raum
durcheilen. Aber der Mensch hat einen freien Willen und ist deshalb
wesensmäßig dieser Art seelenloser Vollkommenheit entgegengesetzt. Eine
Vollkommenheit dieser Art wäre für ihn wirklich Unvollkommenheit gewesen,
Solch ein Mensch wäre nichts anderes als ein bloßer Sklave, dessen
Vollkommenheit ihn zu gewissen Taten gezwungen hätte; aber er hätte sich
ihrer nicht freuen können, denn er hätte keine eigene Wahl. Für ihn wäre
dann zwischen Gort und einem Stein kein Unterschied gewesen.“ Der Mensch und
mit ihm die ganze Schöpfung ist der Eitelkeit unterworfen worden, aber nicht
auf immer. Durch seinen Ungehorsam hat der Mensch sich und alle anderen
Geschöpfe in all das Übel und Leiden dieser Eitelkeit gebracht. In diesem
Zustand des geistigen Kampfes allein können seine Geisteskräfte sich voll
entfalten, und nur in diesem Kampf kann er lernen, was er zu seiner
Vollkommenheit nötig hat. Deshalb wird der Mensch, wenn er zuletzt die
himmlische Vollkommenheit erreicht, für die Leiden und Kämpfe der
gegenwärtigen Welt Gott danken, denn dann wird er vollkommen verstehen:
denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen (Röm. 8, 28).
DIE
OFFENBARUNG DER LIEBE GOTTES
Da sagte ein anderer der Heiligen: „Alle Bewohner des Himmels wissen, Gott
ist Liebe, aber es war von Ewigkeit her verborgen, daß Seine Liebe so
wunderbar ist, daß Er, damit Er Sünder rette, Mensch würde und zu ihrer
Reinigung am Kreuz stürbe. So hat Er gelitten, damit Er Menschen und die
ganze Schöpfung, die der Eitelkeit unterworfen ist, rette. So hat Gott,
indem Er Mensch wurde, Seinen Kindern Sein Herz gezeigt. Wenn Er jedoch
irgendein anderes Mittel benutzt hätte, dann wäre Seine unendliche Liebe für
immer verborgen geblieben.
Nun wartet die ganze Schöpfung mit eindringlichem Sehnen auf die Offenbarung
der Söhne Gottes, da diese wieder erneuert und verklärt werden sollen. Aber
gegenwärtig müssen diese sowie die ganze Schöpfung sich noch immer sehnen
und ängsten, bis die neue Schöpfung erscheint. Und auch die wiedergeboren
sind, seufzen in ihrem Innern und warten auf die Erlösung des Leibes. Die
Zeit kommt immer näher, da die ganze Schöpfung, in allen Dingen Gott
gehorchend, auf immer vom Verderben sowie von dieser Eitelkeit befreit
werden wird. Dann wird sie auf ewig selig sein in Gott und wird in sich den
Zweck erfüllen, zu dem sie geschaffen wurde. Dann wird Gott sein alles in
allem“ (Röm. 8,:18-23).
Die Engel redeten mit mir auch noch über viele andere Dinge. Aber es ist
unmöglich, darüber zu berichten: denn in der Welt gibt es weder Sprache noch
Gleichnis, worin ich den Sinn jener sehr tiefen geistlichen Wahrheiten
ausdrücken könnte; auch wollten sie nicht, daß ich es versuchte, denn wer
keine Geisteserfahrung hat, kann sie nicht verstehen. Sonst wäre zu
befürchten, daß sie, anstatt zu helfen, bei vielen Missverständnis und
Irrtum hervorriefen. Im habe deshalb nur einige wenige der einfachsten
Dinge, über die wir sprachen, aufgeschrieben und hoffe, viele möchten von
ihnen Leitung empfangen und Warnung, Lehre und Trost.
Auch ist jene Zeit nicht fern, da meine Leser selbst in die Geisteswelt
hinübergehen und diese Dinge mit ihren eigenen Augen sehen werden. Aber
bevor wir diese Welt auf immer verlassen, um in unsere ewige Heimat zu
gehen, müssen wir mit Hilfe der Gnade Gottes und im Geist des Gebets das uns
aufgetragene Werk mit Treue ausführen. Auf solche Weise werden wir den Zweck
unseres Lebens erfüllen und ohne irgendeinen Schatten des Bedauern in die
ewige Freude des Reiches unseres Himmlischen Vaters eingehen.
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Der englisch Titel dieser Schrift von Sadhu Sundar Singh lautet
Visions
of the Spiritual World
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Dieses Büchlein
(in Deutsch) ist z.B. enthalten im Buch „Gesammelte Schriften von Sadhu
Sundar Singh“. Es kann in guten Buchhandlungen bezogen werden oder bei SGFL,
4016 Basel, Postfach 538.
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