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Blicke ins Jenseits
Von Alexander Stern, Pfarrer in Bern
Inhalt
Verschiedenes.
Seite 171 – 230
Kremation; ist sie anzuraten?
Seite 171 – 175
Beispiele von Verstorbenen, die um die Bestattung…
Seite 175 – 177
Sollen wir für Verstorbene beten?
Seite 177 – 182
Heilige Engel bilden eine Schutzmauer
Seite 182 – 183
Engelsmusik und –Gesang bei frommen Sterbenden
Seite 183 – 185
Engelsmusik beim Sterben einer frommen Jungfrau
Seite 186 – 191
Eine Erscheinung Jesu auf einem russisch-jp Schlachtf
„ 191 – 195
Erscheinungen und Offbg d H, die fr Kindern z.T.wurden
„ 195 – 199
Seliger Heimgang eines früh vollendeten Töchterleins
Seite 199 – 203
Seliger Heimgang d.früh vollndt Tochter eines Pastors
Seite 203 – 205
Eine schwer Leidende von Schutzengeln getröstet
Seite 205 – 209
Blicke in die himml. Welt, welche einer fromn T. z.T.w.
Seite 209 – 213
Die Entwicklungsstufen im Jenseits n. Joh. Gommel
Seite 213 – 220
Die enge Pforte zur himmlischen Seligkeit
Seite 220 – 225
Das Hochzeiskleid
Seite 225 – 228
Schluss
Seite 229 – 230
Anhang
Seite 231 – 247
Warnung eines Selbstmörders vor Selbstmord
Seite 231 – 247
III. Teil
Verschiedenes
Kremation
Ist sie anzuraten?
Ein mir nahestehendes Fräulein H., eine erfahrene Christin, deren Gemüt für
jenseitige Einwirkungen empfänglich ist, wohnte der Kremation einer im Herrn
selig verstorbenen Freundin bei. Sie hatte sich in völliger Ruhe bei der
Leichenfeier eingefunden. Da, als der Sarg zur Kremation versenkt wurde, wurde
sie plötzlich von Entsetzen ergriffen. Sie fühlte, wie wenn die Verstorbene in
grosser Angst und in furchtbarem Schmerz sich an sie anklammern wollte. Es war
ihr zur schrecklichen Gewissheit geworden, dass die abgeschiedene Seele durch
die Verbrennung ihres Leichnams in Mitleidenschaft gezogen wurde und Fräulein H.
konnte von da an nur mit Schauder an Kremation denken.
Ein mir befreundeter Prediger war kürzlich Zeuge einer ähnlichen Erfahrung. Als
man den Sarg einer im Glauben verstorbenen älteren Frau in den Feuerherd des
Krematoriums Versenkte, wurde deren Tochter, eine gesunde kräftige Frau, von
solcher Erschütterung befallen, dass sie hilflos weggeführt werden müsste. Sie
hatte sich unwiderstehlich zum sinkenden Sarg hingezogen gefühlt und meinte,
denselben vor dem Versinken halten zu müssen.
(172)
Solche Vorfälle können ja natürlicher Sympathie zugeschrieben werden; ich glaube
aber doch, dass ihnen eine tiefere Ursache zugrunde liegt. Ich habe die
Überzeugung, dass nach eingetretenem Tod ein geheimnisvolles magnetisches Band
zwischen der abgeschiedenen Seele und ihrem Leichnam für kürzere oder längere
Zeit fortbesteht, und dass, solange dies nicht gelöst ist, bei der Verbrennung
des Leichnams die Seele in Mitleidenschaft gezogen wird.
Die medizinische Wissenschaft wird über diese Anschauung lächeln und sie für
Aberglauben erklären Sie hält auch die Lehre der Schrift, dass mit dem Leichnam
ein Samenkorn in die Erde gelegt wird, aus dem am Ende der Welt Gottes Macht
einen unsterblichen Leib erwecken wird, für unvernünftig.
(173)
Ebenso, dass der gekreuzigte und getötete Leib unseres Herrn auferweckt und in
einen himmlischen Leib umgewandelt und verklärt wurde, erscheint ihr
unglaublich. Wenn aber die Allmacht Gottes die schwarze Kohle in einen
strahlenden Diamanten verwandeln konnte, warum hätte sie nicht auch den
geheiligten Leichnam Jesu in einen himmlischen Leib der Herrlichkeit haben
verwandeln können? Diese Umwandlung und Verklärung werden diejenigen erfahren,
welche die Wiederkunft des Herrn erleben, die als kluge Jungfrauen sich für
dieselbe haben zubereiten lassen und deren Geist, Seele und Leib durch den in
ihnen wohnenden heiligen Geist geheiligt wurde. Sie werden nicht sterben,
sondern verwandelt und dem Herrn entgegengerückt werden.
Anders aber erhält es sich mit den Verstorbenen, deren Leichname längst
vermodert sind. Dass dieselben Stoffe sollten wieder zum neuen Auferstehungsleib
verwendet werden, ist nicht anzunehmen; sie mögen sogar in andere pflanzliche
oder tierische Organismen übergegangen sein. Aber dem Auge unsichtbar und dem
Seziermesser unerreichbar ist in unserem Leib ein Samenbild vorhanden, das bei
der Beerdigung in den Boden gelegt wird als ein Same, der weder durch Fäulnis,
noch durch Feuersglut zerstört werden kann. Aus diesem Samen wird Gott am Ende
der Tage durch seine Allmacht einen unsterblichen Leib erwecken
(174)
Dieses geistige Samenbild aber wird je nach der Gesinnung und sittlichen
Beschaffenheit des Menschen sehr verschiedenartig sein. Darum gibt es nach
Daniel 12, 2 eine Auferstehung zum ewigen Leben und eine solche zu ewiger
Schmach und Schande. Vom Gläubigen, der sein Inneres hat waschen lassen im Blute
Jesu und dessen Geist, Seele und Leib durch den innewohnenden heiligen Geist
geheiligt wurde, wird auch bei der Beerdigung ein geheiligtes Samenkorn in die
Erde gebettet werden und aus diesem wird der Herr an Seinem Tag einen Leib der
Herrlichkeit erwecken in Ähnlichkeit Seines Herrlichkeitsleibes. Phil. 3, 21.
Der Gläubige hält darum fest an den Worten des Apostels: „Es wird gesät
verweslich und wird auferstehen unverweslich; es wird gesät in Unehre und wird
auferstehen in Herrlichkeit“ usw. „Und wie wir getragen haben das Bild des
Irdischen, also werden wir auch tragen das Bild des Himmlischen.“ 1. Korr. 15,
42 f und 49. Dem biblischen Sinne entspricht aber nicht das Überliefern des
Leichnams zur Kremation sondern die Beerdigung.
Wollte man einwenden, es seien doch viele Leiber der Märtyrer verbrannt worden,
deren Seelen dann auch hätten in Mitleidenschaft gezogen werden müssen, so ist
darauf zu antworten, dass der Herr sich solcher Seelen, deren Leiber
unfreiwillig dem Feuertode preisgegeben wurden, ohne Zweifel in besonderer Weise
angenommen hat und sie durch seine heiligen Engel unversehrt in die himmlische
Welt tragen liess.
(175)
Beispiele von
Verunglückten, die um die Bestattung ihrer Leichname besorgt waren
In der Morgenfrühe des 28. Dezember 1908 fand das furchtbare Erdbeben statt,
durch das Messina und Reggio und die umliegenden Ortschaften in Trümmerhaufen
verwandelt und 200 000 Menschen plötzlich in die Zeit von einer halben Minute in
die Ewigkeit versetzt wurden. In den „Psychischen Studien“ vom Juli 1910 ist
folgender Bericht vom Korrespondenten des „Berliner Tagblattes“ in Messina zu
lesen:
Bei dem letzten Erdbeben war auch der Palazzo eingestürzt, den die Familie des
bekannten Universitätsprofessors und Dichters Edoardo Bouer bewohnte. Später
wurden die Überreste der Familie Bouer ausgegraben und bestattet. Nur von dem
Leichnam des Professors konnte keine Spur gefunden werden. Neulich hatte nun
eine junge Dame aus bester Familie Messinas einen Traum, in dem ihr der Geist
des Dichters erschien und den Ort angab, wo die Gebeine längen. Es wurden sofort
neue Nachforschungen angestellt, die das seltsame Ergebnis hatten, dass genau an
der bezeichneten Stelle der wohlerhaltene Leichnam des Dichters aufgefunden
wurde. Der Dichter wurde dann in würdiger Form beerdigt.
(176)
Die betreffende Dame war offenbar medial veranlagt, und darum konnte der Geist
des Verstorbenen sich ihr offenbaren.
Eine ähnliche Geschichte war im Herbst des Jahres 1910 in Berner Zeitungen zu
lesen:
Seit 10 Jahren, 22. August 1891, wird ein Christian Zbinden, geboren 1835,
welche wegen Trunksucht bevogtet, jedoch ziemlich vermögend war, vermisst. Trotz
eifriger Nachforschungen blieb derselbe verschollen. Endlich ist sein Skelett im
Horbühlwalde, Gemeinde Guggisberg, durch einen Sohn des Verschollenen
aufgefunden worden. Sohn Zbinden gibt an, sein Vater sei ihm im Träume
erschienen, hätte ihm genau den Platz, wo sein Leichnam liege, beschrieben, und
auf seinen Befehl habe er sich auf den angeblich vom Vater bezeichneten Ort
begeben, wo dann wirklich die Überreste des Vermissten aufgefunden wurden.
Eine Uhr, Tabakspfeife, Messer und anderes mehr, welche Gegenstände als dem
Verschollenen gehörend erkannt wurden, lagen neben dem Skelett.
(177)
Diese, wie die vorhergehende Geschichte zeigt uns, dass Verstorbene genaue
Kenntnis davon haben, wo ihr Leichnam sich befindet, und dass es ihnen ein
Anliegen ist, dass derselbe würdig bestattet werde. Befremdend ist, dass dieser
Zbinden zehn Jahre darüber hingehen liess, bis er seinem Sohn erschienen ist;
aber da wir über Zustände und Verhältnisse im Jenseits in Unkenntnis sind, so
können wir darüber kein Urteil fällen.
Sollen wir für
Verstorbene beten?
Über diese Frage habe ich mich bereits in meinem ersten Buch „Das Jenseits“
Seite 40 ausgesprochen. Ich habe einige Beispiele angeführt, die beweisen, dass
durch Fürbitte für Unselige der betreffende sich der Macht der Finsternis
aussetzt, die schädliche Folgen für ihn haben kann. Dass aber für Abgeschiedene,
die in einem Mittelzustand sich befinden, also dem höllischen Reich noch nicht
angehören, auch heilsame Wirkungen erzielt werden können, davon möchte ich
einige Beispiele mitteilen.
(178)
Ich war befreundet mit einem frommen Christen, der in Basel mit grossem Eifer
für das Reich Gottes tätig war. Als er durch Gottes Gnade bekehrt wurde, war es
sein grösstes Anliegen, dass auch seine in Württemberg lebende Mutter, an der er
mit ganzem Herzen hing, zum Herrn geführt werde. Allein die gottesfürchtige,
rechtschaffene Frau empfand nicht das Bedürfnis nach dem Heiland, der gekommen
ist, Sünder selig zu machen. In diesem Zustand starb sie unerwartet schnell. Die
Todesnachricht erschütterte den Sohn sehr; er war in grosser Unruhe wegen des
Seelenheils der Mutter und beschäftigte sich in Gedanken viel mit ihr. Da eines
Morgens bei der Dämmerung sah er seine Mutter in einem langen grauen Kleid an
seinem Bette stehen und hörte sie ihm sagen: „L., ich bin nicht angenommen
worden.“ Tief erschüttert wies er sie auf den Herr Jesus, der allein ihr würde
helfen können. Nach etwa acht Tagen erschien sie ihm wieder um dieselbe Stunde,
trat an sein Bett und sagte: „L., ich bin noch nicht angenommen“. Wieder bat er
sie, sich nicht an ihn zu wenden, da er ihr ja nicht helfen könne, sondern den
Herrn Jesus um seine Gnade anzuflehen. Es vergingen wieder etwa acht Tage, da
kam die Mutter wieder zur nämlichen Stunde an sein Bett aber diesmal in ganz
hellem Kleid, und sagte ihm freudig: „L., jetzt bin ich angenommen.“ Dann
verschwand sie und kam niemals wieder. Der Freund ist längst heimgegangen und
ist ohne Zweifel drüben in der himmlischen Welt mit seiner Mutter wieder
vereinigt worden.
(179)
Ein anderes
Beispiel möge hier folgen.
Ein junger Bäckergeselle war
plötzlich verunglückt, indem sein Gefährt umschlug und ihn tötete. Seine
Schwester, eine fromme Christin, Frau eines gläubigen Geschäftsmannes, war tief
bekümmert um ihren jungen Bruder, der um sein Seelenheil keine Sorge getragen
hatte und fühlte sich gedrungen, jeden Abend für ihn zu beten. Sie hatte auch
das Bewusstsein, dass, wenn sie für ihn betete, er ihr nahe sei. Diese Fürbitte
setzte sie fort gegen sechs Monate lang, bis eines Abends sie das Bewusstsein
erhielt: Er ist erlöst und bedarf meiner Fürbitte nicht mehr, was sie dann auch
unterliess.
Aus früherer Zeit teile ich noch folgendes mit. Dem gottinnigen Mystiker
Heinrich Suso, der 1365 in einem Kloster zu Ulm starb, war sein Vater in
leidensvollem Zustand erschienen. Er war ein Weltmensch gewesen, der seiner
frommen Frau das Leben schwer gemacht hatte. Durch die Fürbitte des Sohnes kam
er in einen besseren Zustand.
Schweren Kummer verursachte dem Gottesmann eine Dirne, deren er sich angenommen
hatte, um sie auf guten Weg zu bringen, der er aber wegen hartnäckiger
Unbussfertigkeit die Absolution verweigert hatte. Aus Rachsucht gab sie ihn als
Vater ihres unehelichen Kindes an. Die Verleumdung wurde vielfach auch von
Klosterbrüdern geglaubt und der Unterhalt des Kindes wurde dem frommen Manne
aufgebürdet. Suso hatte von falschen Brüdern Unsägliches zu leiden; doch er
stellte seine Sache Gott anheim und sorgte für die Pflege des Kindes. Die
Rechtfertigung vonseiten Gottes blieb nicht aus. Die Dirne starb eines
plötzlichen Todes und der Prälat, der den Verleumdern Susos allzu sehr Gehör
geschenkt hatte, ohne recht der Wahrheit nachzuforschen, wurde von einer Seuche
hinweggerafft, ohne zur Besinnung und zur Beichte gekommen zu sein. In seiner
Todesstunde erschien er dem Suso, um ihm zu sagen, „dass ihm Gott darum sein
Leben und seine Würde abgebrochen hätte und dass er etwa lange darum in Busse
schwinden und darben müsse“.
(180)
Es zeigt uns dies Beispiel, wie folgenschwer Ungerechtigkeiten und Versäumnisse
für jenseitige Zustände sein können und dass es Strafen gibt, die durch
Fürbitten vonseiten der Lebenden nicht können abgewandt werden.
Ich erwähne zum Schluss ein Erlebnis des Gottesmannes Michael Hahn in betreff
seines verstorbenen Vaters.
(181)
Hahn war von seinem Vater, der ein Weltmann war und die göttliche Berufung
seines Sohnes nicht verstanden hatte, hart behandelt worden. Nach dessen Tod
fühlte sich der Sohn gedrungen, für den verstorbenen Vater zu beten, was er 2 ½
Jahre lang ernstlich zu tun pflegte. Nach dieser Zeit aber hatte der Drang dazu
aufgehört. Er verwunderte sich darüber und erhielt Aufschluss durch eine
Entzückung, die ihm zuteil wurde. Als er im Bette lag, trat eine hohe Gestalt
vor dasselbe und führte ihn mit sich über Länder und Städte, bis er in die Nähe
der Stadt Gottes kam, die er in unendlicher Herrlichkeit erblickte. Als er an
derselben hinging, gewahrte er seinen Vater, der laut die Güte des Allmächtigen
pries, der so unaussprechlich viel an ihnen beiden getan hatte. Er stand nämlich
im Wahn, der Sohn sei gestorben und werde nun mit ihm ewig vereint sein. Der
Führer aber mahnte Hahn, ihm zu folgen in das Heiligtum der Stadt, wohin aber
sein Vater ihm nicht folgen durfte.
Ich übergehe die Beschreibung, die Hahn macht von der goldenen Stadt und ihren
herrlichen Palästen und den Paradiesgärten mit ihren sieben Abteilungen und
ihren Vorstehern. Als er zum Eingangstor der Stadt kam, fand er wieder seinen
Vater bei demselben stehen, der ihm beim Abschied sagte, wie er allerdings nicht
in die Stadt hineindürfe; doch sei er mit seinem Zustand wohl zufrieden, indem
ihm in kurzer Zeit noch ein besserer Ort verheissen sei.
(182)
Heilige Engel
bilden eine Schutzmauer.
Psalm 34, 8; 91, 11
In Boll hielt sich zur Zeit des verstorbenen Pfarrers Blumhardt Vater der
Missionar von A. als Gast auf. Er kam aus Sumatra, wo er lange Zeit unter den
Kannibalen gelebt. Bekanntlich waren die Einwohner von Sumatra noch vor kurzem
Menschenfresser. Nicht nur ihre Kriegsgefangenen, sondern auch Fremde, deren sie
habhaft werden konnten, pflegten sie zu töten und als besondere Delikatesse zu
verspeisen. Des Nachts näherten sie sich ihren unglücklichen Opfern und
überfielen sie im Schlaf.
Es war also unserem Missionar und seiner Frau wohl nicht zu verdenken, dass sie
mit bangen Gefühlen sich die erste Nacht in ihrer Hütte zur Ruhe niederlegten.
Doch sie kannten die Berge, von denen uns Hilfe kommt und wendeten sich in
ernstlicher Bitte um Schutz und Hilfe an ihren allmächtigen Gott und Heiland.
Und sie schliefen sanft und ruhig die ganze Nacht und alle folgenden Nächte
auch. Da kam eines Tages einer der Häuptlinge zum Missionar und fragte ihn:
„Sage mir, was machst du alle Nächte um deine Hütte herum?“ Der Missionar
antwortete, er wisse nicht was er meine; er mache nichts um seine Hütte herum,
er möge sich deutlicher erklären. Der Häuptling sagte, er habe es ja selbst
gesehen, er habe eine doppelte blendende Kette um seine Hütte herumgezogen; er
habe mit anderen sehen wollen, was es denn eigentlich sei, da haben sie gesehen,
dass es Gestalten wie Menschen waren, die so dicht aneinander standen, dass
niemand durchgehen konnte. Einer von ihnen habe es aber doch versuchen wollen
und habe sich nahe herzugewagt, sei aber so von dem Glanz der Gestalten
geblendet worden, dass er habe umkehren müssen. Da erkannte der Missionar und
seine Frau, dass der Herr ihr Gebet über Bitten und Verstehen erhört und Seine
Engel ihnen zum Schutz gesendet habe. Der Eindruck unter den Eingeborenen war
auch ein grosser und die Wirksamkeit des Missionars war mit grossem Erfolg
gekrönt.
(183/184)
Engelsmusik und
–Gesang bei frommen Sterbenden
In meinem ersten Buch: „Das Jenseits“ habe ich Seite 68 und folgende einige
liebliche diesbezügliche Erfahrungen mitgeteilt. Es mögen hier einige weitere
folgen. Zuvor erwähne ich, dass Engelsgesang nicht nur bei Sterbenden gehört
wurde. Die verfolgten Hugenotten, die Glaubenskämpfer in den Sevennen, wussten
von himmlischen Gesängen zu berichten, durch die sie in ihren Kämpfen und Leiden
ermutigt und getröstet wurden. Isabeau Charras, einer ihrer begabtesten
Anführer, sprach sich hierüber also aus: Obschon viele darüber gelacht haben,
dass man in verschiedenen Gegenden Psalmen in der Luft habe singen hören, so
will ich doch nicht unterlassen zu versichern, dass ich solches mit eigenen
Ohren oft gehört habe. Ich habe diesen göttlichen Gesang über zwanzigmal am
hellen Tage und an solchen Orten vernommen, die von menschlichen Wohnungen weit
entfernt waren, wo sich weder Gehölz noch Felsklüfte befanden und wo mit einem
Wort unmöglich jemand versteckt sein konnte. Überdies waren die himmlischen
Stimmen so lieblich, dass unsere Bauern sicher nicht imstande gewesen wären,
eine solche Musik hervorzubringen.
o O o
Aus dem
„Lebensbild von Bruder Fritz“
(herausgegeben von H. von Redern,
10. Auflage)
sei hier folgendes mitgeteilt:
(185)
Bruder Fritz wurde von einem deutschen Pastor in Algier zu einem einsam
wohnenden alten halbblinden Mütterchen geführt. Der erste Eindruck von ihr war
ihre tiefe Liebe zum Heiland und ihre grosse Sehnsucht zum Himmel. Sie wohnte
schon dreissig Jahre dort. Bruder Fritz sagte: „Mütterchen, sie sind doch immer
so allein. Ist das nicht schwer?“ „Mein Heiland ist bei mir, ich bin nie
allein,“ antwortete sie. „Und dann höre ich auch immer Gesang.2 Bruder Fritz
fragte sie: „Wie ist denn das?“ Worauf sie antwortete: „Da fange ich an zu
singen und dann singen die Engel weiter.“ „Sind das Lieder?“ „Ja, besonders das
eine singen sie oft, Jesus Christus herrscht als König; aber den einen Vers
singen sie nie mit. Da handelt es sich um das Blut Christi und um die Erlösung;
den Vers höre ich nie.“ Und sie konnte sich nicht genug darüber wundern. Ihm war
es so klar; die Engel bedurften keiner Erlösung. Sie war ein ungewöhnliches
Werkzeug, sozusagen die Dampfmaschine vor dem Herrn für die ganze Umgebung. Alle
Gebetsanliegen brachte man ihr, und man durfte es erfahren, wie die Gebete
erhört wurden. Sie starb bald, nachdem Bruder Fritz Algier verlassen. Als man
sie wieder einmal besuchte, fand man sie im Bett mit ausgebreiteten Armen und
strahlenden Antlitzes nach oben schauend, heimgegangen. Und in der Gegend spürte
man, dass einer treuen Beterin Herz aufgehört hatte zu schlagen.
(186/187)
Engelsmusik beim
Sterben einer frommen Jungfrau
Frau Rainer, eine fromme Witwe, bewohnte mit ihrer jungen, erst der Schule
entlassenen Tochter Magdalena ein kleines Häuschen, das einem reichen Bauern
gehörte. Mi Waschen und anderen schweren Arbeiten pflegte sie das tägliche Brot
zu verdienen. Aber nun war sie an der Gicht schwer erkrankt und unfähig, dem
Bauern die Miete zu bezahlen. Sie hatte ihn gebeten, bis zum Frühjahr Geduld zu
haben, indem sie hoffte, dann Besserung zu erlangen; aber die Besserung trat
nicht ein, und täglich seufzte sie auf ihrem Schmerzenslager: „Herr, hilf uns,
wir verderben.“ Der Bauer erklärte ihr, er werde vom Mietzins nichts ablassen
und drohte ihr, sie auf die Gasse zu setzen. Inzwischen war es Sommer geworden
und auf Anraten ihrer Mutter entschloss sich Magdalena, ihre Pflege einer
benachbarten alten, halbblinden Base zu überlassen und nach dem acht Stunden
entfernten Herrschaftsgute der Frau H. zu gehen und sich ihr als Schnitterin für
die Ernte anzutragen. Sie hoffte dadurch genügend verdienen zu können, um dem
Bauern die Miete zu bezahlen. Die Gutsherrin, eine fromme und wohltätige Frau,
nahm sie gerne als Schnitterin in ihren Dienst und sandte auch alsbald der
kranken Mutter einige Lebensmittel. Vierzehn Tage waren bereits vergangen seit
sie dort weilte und sie schrieb freudig an die Mutter, es gehe ihr gut; Frau H.
sei immer gütig mit ihr; in längstens drei Wochen hoffe sie wieder bei der
geliebten Mutter zu sein und dann seien alle Sorgen von ihnen genommen, denn sie
bringe mehr nach Hause, als ihre Schuld betrage: „O, Mutter,“ schliesst sie
ihren Brief, „sei mir nahe mit deinen Gebeten; ich fühle ihre Kraft, sie umgeben
mich wie ein Schutzwall; ich fühle noch einen Segen auf meinem Haupte, als wir
Abschied nahmen; das macht mich stark und froh.“ Aber stark und froh war
Magdalena nicht mehr. Kopfschmerzen stellten sich ein und in wilden
Fieberphantasien verbrachte sie die folgende Nacht. Der Arzt erklärte, es sei
Typhus; aber sie wird’s überstehen, meinte er, sie ist ja kräftig. In einem
kleinen Nebenhäuschen lag sie darnieder, treulich verpflegt von Lene, einer
alten Frau, die bei Frau H. das Gnadenbrot ass. Die Gutsherrin sah fleissig nach
der Magdalena, die in schwerem Fieber bewusstlos darniederlag. Nur einmal
öffneten sich die einst so schönen, strahlenden Augen; die Kranke rief: „Mutter,
Mutter!“ und dann schlossen sich ihre Augen wieder. Eben wollte Frau H. sie
wieder besuchen, da horch, welch eine Musik! Solche Instrumente gibt es auf
Erden nicht, irdische Meisterhände bringen solche Töne nicht hervor, das sind
himmlische, das sind Engelsstimmen; sie füllen den Raum. Mit andachtsvollem
Erbeben hörte die Gutsherrin dieses Singen und Klingen; für immer hätte sie
diesen Tönen lauschen wollen. Ihre Enkelin, Elisabeth, schritt eben über den Hof
und sie rief ihr zu: „Elisabeth, o höre doch!“ Da verstummte die himmlische
Musik. Frau H. war tief bewegt; von ihrer Enkelin geführt ging sie die Treppe
hinauf und betrat das Stübchen. Magdalenas Seele war eben entflohen, noch ein
Lächeln umspielte ihre Lippen; aller Erdennot war sie entflohen. Engel
geleiteten sie unter himmlischer Musik zur ewigen Heimat, so dachte Frau H. und
drückte der Entschlafenen die Augen zu und Lene kniete still weinend am
Sterbebette.
(188/189/190)
Frau H. fuhr alsbald zu der armen Mutter, um ihr die Trauerbotschaft zu
überbringen und sie aus Gottes Wort zu trösten. Zugleich sorgte sie dafür, dass
die betrübte Mutter noch einmal das Angesicht ihres Kindes sehen konnte, ehe ihr
Leib in die Erde gebettet wurde. Irdische Sorgen gab es nun für Frau Reiner
keine mehr; die edle Gutsfrau hatte diese von ihr genommen. Sie durfte nun mit
der alten Lene ihre Stube teilen. Der Verlust ihres Kindes schmerzte wohl tief;
aber sie fand den rechten Trost im Worte: Der Herr hatte sie lieb, darum eilte
er mit ihr aus diesem Leben. Sie freut ich in Hoffnung auf das Wiedersehen mit
ihrem Kinde im Vaterhause, wo das Ziel der Wege Gottes klar vor uns liegt und in
ein ewiges seliges „Halleluja“ ausklingt.
Es möge hier eine ähnliche Begebenheit aus neuester Zeit folgen:
Im Emmental des Kantons Bern, hoch oben an steiler Halde, wohnten in einsamer
bescheidner Hütte Mutter und Tochter, beide kindlich gläubige Gotteskinder.
Letztere lag schwer krank, im letzten Stadium der Lungenschwindsucht darnieder.
Die sinkende Abendsonne vergoldete die nahen Alpenfirnen in hehrer Pracht. Ein
lichter Strahl drang auch ins Krankenzimmer und verklärte das Angesicht der
sonst todesbleichen Jungfrau. „Mutter,“ sprach die Tochter mit seligem Lächeln,
„Mutter, mir ist so himmlisch wohl, mein Herz ist so voll Freude und Friede,
lass uns ein Lied singen!“ Ein Lied, das die Himmelssehnsucht ausdrückt, wurde
vorgeschlagen und angestimmt. Der erste Vers war verklungen. Die Hand der
Tochter ruhte in der Mutterhand. Bei der zweiten Strophe schwieg die Tochter,
und die Mutter sang den Vers allein zu Ende, während ihr Auge den letzten
Strahlen der scheidenden Sonne folgte. Dann aber blickte sie auf das Angesicht
ihrer Tochter. Friedlich schlummernd, wie verklärt lag sie da, aber – sie atmete
nicht mehr. Singend war ihr Geist entflohen, dorthin, wo niemand mehr krank, wo
kein Leid, Schmerz und Tod ist. An der Wand hing die Gitarre, welche oft erklang
unter den Fingern der eben Entschlafenen. Da – was war das? Leise fingen die
Saiten des Instrumentes zu klingen an, o so rein und schön! Niemand ist ausser
der Mutter im Zimmer, und doch vernimmt sie erst im zartesten Pianissimo, dann
lauter, mehrstimmigen, harmonischen Gesang, wie er so rein noch nie an ihr Ohr
gedrungen. Atemlos lauscht sie. Es ist so himmlisch im Sterbezimmer. Dann
schweigt die Gitarre, der Gesang erklingt wie in weiter Ferne. Anbetend sinkt
sie auf die Knie. War das Wirklichkeit? War es Sinnestäuschung? Sie weiss es
selbst nicht. Es geht ihr wie jenem Apostel, der sagte: War ich in oder ausser
dem Leibe, ich weiss es nicht! (2, Kor. 12, 2). Da hört sie schwere
Männertritte. Jemand klopft an. Auf ihr „Herein“ steht ihr Nachbar vor ihr und
fragt verwundert: „Marianne, was war das für schöner Gesang und herrliche Musik
bei dir vor einer halben Stunde? Ich glaubte die Engel Gottes singen zu hören.
So was habe ich in meinem Leben noch nie gehört!“ „Marti,“ sagte die Mutter, „es
müssen auch Engel gewesen sein, denn es war kein Mensch sonst bei uns und doch
hörte ich auch beides, Gesang und Musik. Aber sieh’, Marti, meine Elisabeth ist
heimgegangen.“
(191)
So ist also dieses Gotteskind von Engeln mit Musik und Gesang abgeholt und durch
des Todes Fluten geleitet worden zur himmlischen Stadt.
Wie wird’s sein, wie wird’s sein,
Wenn wir zieh’n in Salem ein,
In die Stadt der goldnen Gassen!
Herr, mein Gott, ich kann’s nicht fassen,
Was wird das für Wonne sein!
So gehen Gotteskinder mit Jauchzen nach Zion. Wer möchte nicht wünschen: O, dass
mein Ende würde wie dieses Ende!
Eine Erscheinung
Jesu auf einem russisch-japanischen Schlachtfeld
Ein höherer Offizier der russischen Armee erzählt aus dem letzten Feldzuge
folgendes ergreifende Erlebnis. Er war in mörderischer Schlacht in der linken
Brust schwer verwundet worden. Ein Japaner wollte ihn eben niederschlagen, da
traf ihn ein Säbelhieb seines Unteroffiziers, das er tot zu Boden stürzte. Kurz
darauf traf eine Kugel den letzteren, dass auch er tot zu Boden sank. Nun
entstand en fürchterliches Gemetzel, in welchem die Japaner scharenweise
niederfielen.
(192)
Es gelang den Russen, in die dichten Reihen des Feindes eine Bresche zu
schlagen, so dass diese von Schrecken ergriffen flohen. Nun aber versagten dem
Offizier die Beine; er stürzte besinnungslos zu Boden. Nach einiger Zeit kam er
wieder zum Bewusstsein. Das Blut war gestillt und es war ihm klar, dass er um
jeden Preis einen neuen Blutverlust vermeiden müsse. „So lag ich unschlüssig auf
dem feuchten Boden. Das Liegenbleiben so gut wie das Aufstehen konnte mir den
Tod bringen. Was sollte ich tun? Langsam und vorsichtig machte ich eine kaum
merkliche Bewegung. Ich wollte doch versuchen ein etwa 500 Schritt von mir
entferntes Felsstück zu erreichen. Dort konnte ich wenigstens einigermassen
ausruhen und zudem befand sich jener Stein in der Nähe der Strasse, auf welcher
doch irgend jemand vorbeikommen und mich ins Lager zurückführen konnte. Wirklich
reichten meine Kräfte hin, das Felsstück zu erreichen, aber als ich mich
niedersetzte und mich an dasselbe anlehnte, brach die Wunde wieder auf, und das
Blut floss von neuem. Nun fühlte ich, dass ich verloren war und mir nichts
anderes übrig blieb, als hier zu verbluten.
Wie bereute ich meine Unvorsichtigkeit! Schon fühlte ich, wie mein Kopf wieder
schwer wurde und suchte um mich zu blicken, in grosser Angst, jenes Flimmern vor
meinen Augen würde wieder beginnen. Da, was ist das! Unter den Strahlen des
milden Mondlichtes bewegte sich von Ferne eine männliche Gestalt auf mich zu.
Mit tief gesenktem Haupte, mit Händen , die in schmerzlichem Gebete gefaltet
scheinen, betrachtete er aufmerksam das Leichenfeld zu seinen Füssen. Wen sucht
er? Und wie merkwürdig! Trotzdem er sich zur Erde neigt, schwebt er doch über
der Erde, die seine Füsse nicht zu berühren scheinen!
(193)
Oder sollte es nur ein Schatten sein? Diese Gestalt mit unbedecktem Haupt und
wallenden Haaren, unbewaffnet, der Leib in einen langen Mantel gehüllt!
Ich kann meine Blicke nicht on der Erscheinung abwenden. Ein Schauer
durchrieselt meinen Körper, die Haare stehen mir zu Berge, meine Lippen sind so
vertrocknet, dass sie sich blutig spalten. Ich will mich erheben, aber ich kann
nicht. Ich möchte die Augen von dem Nahenden abwenden: Unmöglich! Kein Ton will
sich meinen Lippen entringen. Und so starre ich mit weitgeöffneten Augen,
während men Herz zum Zerspringen klopft, in unaussprechlicher Angst auf die
nahende Erscheinung. Jetzt steht sie vor mir! Ich wage nicht mehr zu atmen. Der
vor mir steht, es ist der Heiland!
Er sprach kein Wort, aber sein Blick ruhte auf mir mit so innigem Mitleid, mit
so tiefer Liebe, dass ich zum ersten Male in meinem Leben in Tränen ausbrach.
(194)
Ich weinte lange in grosser Bitterkeit des Herzens, meine leibliche Qual jedoch
fühlte ich nicht mehr. Ich weinte und suchte mir zugleich Rechenschaft zu geben,
warum ich bei seinem Anblick eine solche Angst empfunden.
Auf diese Frage schien eine innere Stimme mir zu antworten: Du hast ihn
verkannt, du hast ihn beleidigt! – „O Heiland!“ rief ich nun mit lauter Stimme:
„Vergib mir! Vergib mir, Du Heiliger, Allbarmherziger! Gibt’s denn für mich kein
Erbarmen, keine Gnade? Dich rufe ich an. Du kannst meine Seele heilen. Gegen
Dich habe ich gesündigt. Schenke mir Vergessenheit der vergangenen Tage und
führe mich auf den Weg des Glaubens. Du bist der Allmächtige. Du kannst es tun,
Du wirst es tun!“
Tränen überströmten men Gesicht und verhüllten, was um mich her vorging. Aber
ich war aufrichtig und wie erfasste ich nun mit einemmal im Glauben die
Möglichkeit meiner Bekehrung! Und das Wunder geschah! Von diesem Augenblicke an
war ich errettet. In meine Seele zog ein tiefer Friede und mitten durch meine
Tränen sah ich, wie der Heiland Seine Hand erhob, um mich zu segnen. Dann
schritt Er weiter, Seine Segenshände über das Totenfeld breitend. Er segnete sie
alle! Die Weissen wie die Gelben! Er schenkte allen Seine Gnade.
(195)
Lange, lange folgte ich Ihm mit den Augen, dann verschwand die himmlische
Erscheinung in der Ferne.
Ich habe diese Begebenheit (in verkürzter Form) dem „Illustrierten
Arbeiterfreund“ vom November 1905 entnommen. Es ist ergreifend aus derselben
wahrzunehmen, wie der himmlische Friedefürst mit Erbarmen zu den Opfern des
Krieges sich herablässt und wie es Ihn verlangt, den armen Verwundeten, der
Weissen wie der Gelben, die eben noch in grimmiger Wut einander zu töten
suchten, sein Heil und seine Gnade zuzuwenden. Möge Er bald mit seinen
himmlischen Heerscharen kommen und auf Erden sein Reich der Gerechtigkeit und
des Friedens errichten!
Erscheinungen
und Offenbarungen des Herrn, die frommen Kindern zuteil wurde.
Es kommt zuweilen vor, dass fromme Kinder gewürdigt werden, nicht nur heilige
Engel, sondern auch den Heiland zu sehen. Doktor Justinus Kerner berichtet in
seinen „Blättern aus Prevorst“ folgende Begebenheit:
(196)
Ein alter Lehrer, ein stiller frommer Mann, wohnte zusammen mit seiner ledigen
Tochter und einer Enkelin, dem Kind einer auswärts verheirateten. Sie schliefen
in demselben Zimmer. In der Nacht rief das Mädchen seiner Tante zu; diese
fragte, warum es so schreie und sie aufwecke. Das Mädchen sagte, es sehe Engel
bei dem Grossvater. In der folgenden Nacht rief es wieder, so dass der
Grossvater wach wurde und es ihm verwies. Als morgens die Tante es fragte, warum
es diese Nacht abermals gerufen habe, gab es zur Antwort, der Herr Jesus sei
diese Nacht bei dem Grossvater gewesen, es habe ihn gesehen. An demselben Tage
starb der Grossvater ohne vorherige Krankheit. Der sehr glaubwürdige Sohn des
Lehrers ist der Erzähler dieser lieblichen Begebenheit.
- . - . - . - . - . – (196/197)
Eine mir wohlbekannte Frau H. berichtete mir folgende Begebenheit aus ihrer
frühen Jugend.
Im Jahre 1854 erkrankte mein 9 Jahre alter Bruder Fritz an
Scharlachfieber. Mehrere Tage lag er hoffnungslos ohne dass die Krankheit eine
entschiedene Wendung nahm. Plötzlich steigerte sich das Fieber und mein Bedauern
um den inniglieben Bruder wurde grösser. Ich fiel auf die Knie und flehte mit
kindlichem Vertrauen zu unserem lieben Heiland, Er möchte uns doch den Fritz
bald wieder gesund machen, oder, wenn es nicht sein Wille sei, ihn doch bald zu
sich nehmen. Wie ich aufhörte zu beten, sah ich ob dem Bette eine Engelsgestalt,
ich vermutete es sei der Heiland, und bei Ihm ein kleiner Knabe mit einem Zweige
in der Hand; daran eine Aufschrift, die ich aber nicht lesen konnte. Ich rief
meiner Mutter zu: „Schau doch dort den Heiland und den kleinen Knaben mit dem
Zweig in der Hand; wer ist das?“ Aber leider konnte es die liebe Mutter nicht
sehen, obgleich sie sich über mich bückte und ich mit der Hand auf den Heiland
zeigte. Auf einmal neigte sich der Heiland und gab dem Fritz die Hand, welcher
Ihm die seine entgegenstreckte. Ich sah ganz deutlich beide Hand in Hand! Damit
hörte die Erscheinung auf; Fritz fiel in sein Kissen zurück und war verschieden.
Ich war damals 7 Jahre alt, doch ist mir diese Erscheinung bis auf den heutigen
Tag in klarer Erinnerung geblieben.
- . - . - . - . - . -
197/198
Aus dem „Berner Sonntagsblatt“ vom 8. Oktober 1911 entnehme ich folgende
Begebenheit.
Die treue Hausmutter der Anstalt zur „Grube“ bei Bern, eine
bewährte Dulderin, war an einem Sonntagabend heimgegangen, während man im
Sterbezimmer durch das geöffnete Fenster die Töne des Liedes „Der Himmel steht
offen“ vernahm, das ein Knabenchor der Anstalt unten auf einer Terrasse sang.
Sie hatte einen Sohn hinterlassen, der schwerkrank im Spital zu Bern lag, ein
wahrer Lazarus, tuberkulös, der wiederholt operiert worden war und nochmals
sollte operiert werden. Der älteren Schwester lag nun die Aufgabe ob, am andern
Morgen ihrem kranken Bruder Konrad, so hiess er, die Trauerkunde zu bringen, und
sie dachte: wie wird das Kind jammern, das mit der Mutter so innig verbunden
war. Wie erstaunt aber war sie, als sie ins Krankenzimmer tritt und von Konrad
ganz ruhig mit den Worten begrüsst wird: „Weiss schon, warum du kommst, Anna;
die Mutter ist gestern abend gestorben.“ – „Aber Konrad, wie konntest du das
wissen?“ – „Gestern abend war der Heiland bei mir und frug mich freundlich:
Konrad, lässest du Mama zu Mir kommen? – Nicht gerne, Heiland, entgegnete ich.
Da redete Er mir so freundlich zu, bis ich meine Zustimmung gab: Nun, Heiland,
so nimm Du sie.“
Der invalide Knabe, der sonst nur mit Mühe gehen konnte, wurde durch die
himmlische Offenbarung so gestärkt, dass, als der Leichenzug sich zu der fernen
Kirche von Köniz bewegte, er an der Hand seines jüngeren Schwesterchens ruhig
und gefasst unmittelbar hinter dem Sarge schritt, als ahnte er, wie die Mutter
es vorausgesagt, dass er binnen weniger Monate mit ihr werde vereinigt werden
droben, wo es keine Trennung mehr gibt.
199
Seliger Heimgang
eines früh vollendeten Töchterleins
Frau Etter, geboren am 22. Juli 1844 im Staate Ohio, gibt von ihrer Tochter
Georgine folgenden Bericht:
Wochenlang lag ich an Krankheit darnieder; ich schwebte zwischen Leben und Tod.
Um diese Zeit wurde meine kleine Tochter Georgine im Alter von sieben Jahren
bekehrt. Sie war mir ein grosser Trost. Es war mir eine Freude, von der Liebe
Gottes und von unserem Heiland zu reden. Oft sprachen wir zueinander von der
jenseitigen herrlichen Heimat, zu der ihre zwei kleinen Brüder vorangegangen
waren. Ich glaubte nicht, dass sie mich auch so bald verlassen würde, um mit
ihnen vereint unseren Gott, der auf dem Throne sitzt, und das Lamm zu preisen.
Sie wurde von der schrecklichen Skrofulose befallen, an der sie etwa acht Monate
darnieder lag. Aber nie murrte sie oder beklagte sich, sondern sagte nur, das
Leiden sei zu ihrem Besten. Gerne las sie über Jesus und die herrlichen
Wohnungen, die Er für die Seinen bereit habe, und über die Krone, die ihrer
warte. Allen, die sie besuchten, pflegte sie von Jesu zu sagen, von seiner
Liebe, und sie zu bitten, im Himmel mit ihr zusammen zu kommen.
(200)
Ihren Sonntagsschullehrern und Schülerinnen und allen ihren Freunden liess sie
sagen, sie möchten doch im Himmel wieder mit ihr vereint werden. Mehrere Wochen,
ehe sie starb, strahlte ihr Gesicht von himmlischer Herrlichkeit. Die Engel
schienen sich um ihr Bett herumzubewegen und sie hörte sie singen. Ihr Leib war
bei uns, aber ihr Geist war über die Erde erhaben im Umgang mit Gott. Bei aller
Willigkeit, bei Jesu zu sein, war es ihr doch schwer, mich zu verlassen. Sie
pflegte zu sagen: „O, Mama, wie glücklich wäre ich, wenn du mit mir kommen
könntest, wenn ich dich nur nicht verlassen müsste. Aber sage mir, dass du im
Himmel mit mir sein wirst.“ „Ich will mich darum bemühen, Georgine,“ sagte ich;
aber das befriedigte sie nicht. „Sage du willst; ich kann nicht sterben, ausser
du versprichst mir, dass du mich wieder im Himmel treffen wirst.“ Ich sagte: „Georgine,
mit Gottes Gnade will ich im Himmel wieder bei dir sein.“ Sie sagte: „Nun bin
ich bereit; Mama, ich weiss, du wirst kommen. Ich werde allezeit nach dir
aussehen und wenn du stirbst, werde ich kommen, dich zu empfangen.“ Am Sonntag
vor ihrem Ende rief sie mich an ihr Bett und sagte: „Mama, ich werde dich diese
Woche verlassen“; und nun war es ihr ein Anliegen, noch alles in Ordnung zu
bringen. Sie sprach vom Sterben, wie man abreist, um einen teuren Freund zu
besuchen. Alles, was sie hatte, verteilte sie. Sie bestellte ihr Sterbekleid und
bestimmte auch den Platz, wo sie wünschte beerdigt zu werden. Oft hörte man sie
sagen: „Ich komme, ich komme, o Herr, jetzt zu Dir; wasche mich, reinige mich in
dem Blut, das für mich auf Golgatha geflossen ist.“ Jeden, der zu ihr kam, lud
sie ein, zu Jesu zu kommen und sich retten zu lassen. Ihre Leiden waren gegen
das Ende sehr schwer. Wenn sie nicht mehr reden konnte und wir fragten, ob sie
glücklich sei, so antwortete sie mit einem Lächeln und dann, zwischen ihren
Krämpfen konnte sie wieder sagen: „Treffet mit mir wieder im Himmel zusammen,“
und dabei leuchtete ihr Gesicht von himmlischer Glorie. Zuletzt aufwärts
blickend sagte sie: „O, Mama, ich sehe Jesus und die Engel; ich sehe meine
kleinen Brüder; sie sind gekommen, um mich abzuholen.“ Ja, sie haben sie im
Triumph hinweggeführt nach der himmlischen Heimat. Es schien mir, als ob ich sie
sehen könnte durch die Tore eingehen zum neuen Jerusalem.
(202)
Frau Etter, die Mutter dieses früh vollendeten Töchterleins, wurde nach diesen
Erlebnissen mit apostolischen Gaben und Kräften ausgerüstet. Sie sagt von sich:
Der Herr zeigte mir, dass ich die Gabe des Heilens empfangen habe, dass ich das
göttliche Heilen verkündigen und lehren solle, dass ich in Seinem Namen die
Hände auf die Kranken legen solle und dass Er die Dämonen austreiben und alle
Arten von Krankheiten heilen werde; und dass dadurch eine Menge Leute würden
bekehrt werden und zum Glauben an den Herrn Jesum kommen, wenn sie Seine Kraft
wahrnehmen und Seine Liebe in der Heilung ihrer kranken Leiber. Ich gehorchte
dem Wort des Herrn und Er ist mir beigestanden und erfüllte Seine Verheissung,
indem Sein Wort durch mächtige Wunder und Zeichen und Kraftwirkungen bestätigt
wurde. Tausende wurden geheilt von allen Arten von vorkommenden Krankheiten,
einschliesslich eines Falles von Leprosis. Die meisten Fälle, die geheilt
wurden, waren von den Ärzten als chronisch angesehen. Viele wurden auf Betten in
sterbendem Zustand gebracht und waren von den besten Ärzten aufgegeben worden;
und viele von diesen leben heute gesund und glücklich. Hunderte wurden zu
gleicher Zeit bekehrt und geheilt, die sonst in ihren Sünden gestorben wären,
und Tausende von Ungläubigen aller Klassen der Bevölkerung wurden zu Jesu
bekehrt, indem sie die mächtigen Werke Gottes wahrgenommen haben.
(203)
Frau Etter, die seit dreissig Jahren in dieser Weise tätig ist, hat ihre
Erfahrungen niedergelegt in einem umfangreichen Buch, das erschienen ist in
Dellas, Texas, wo durch ihre Wirksamkeit eine grosse Geistesbewegung
hervorgerufen wurde. Der Titel des Buches ist: „The Acts of the Holy Ghost“ (Die
Taten des Heiligen Geistes)
Seliger Heimgang
der früh vollendeten Tochter eines Pastors.
Aus „Frommer Kinder seliges Sterben“ von P.
Dorsch
Der Vater dieser Tochter, Pastor Rohde, berichtet von ihr, dass sie bei aller
Liebe zum Wort Gottes und zu den Gottesdiensten doch bis zu ihrer Konfirmation
lebenslustig und wohl auch ausgelassen war. Aber von jener Zeit an wurde sie
still und immer stiller. Wie bei jenem Töchterlein der Frau Etter war es auch
bei dieser Tochter Marie Gottes Wohlgefallen, sie durch langes Leiden wie Gold
im Feuer zu läutern. Ein schweres Unterleibsleiden hatte sich eingestellt, und
je mehr dasselbe zunahm, desto mehr starb in ihr der alte Mensch und desto mehr
kam der neue zum Vorschein.
(204)
Die letzten drei Wochen war sie ganz ans Bett gebunden und lag meist ernst und
still da. Ihr Blick ging bald auf den Konfirmationsschein, den wir nach ihrem
Wunsch über dem Bette an der Wand aufgehängt hatten, bald auf das Bild des
Gekreuzigten, das gleichfalls an der Wand hing, bald auf die Blumen, mit denen
teilnehmende Freunde sie, die Blumenliebhaberin, überschütteten. „O, was sollte
ich jetzt machen,“ hörte man sie sagen, „wenn ich keinen Heiland hätte; wie übel
sind doch die Leute daran, die keinen Heiland haben!“ und dabei dachte sie
namentlich an ein jüdisches Mädchen, welches unsere Marie lieb hatte und sie in
ihrer Krankheit auch besuchte.
Sie war schon lange auf das Sterben gefasst und sprach in aller Ruhe von ihrem
Tod und Begräbnis. Sie wünschte noch mit uns das heilige Abendmahl zu empfangen,
um sich mit uns auf ewig mit Jesu zu verbinden. Als ich ihr einst zuredete,
etwas zu essen, sagte sie: „Ach, Vater, ich kann nicht essen; mein Heiland ist
die beste Speise und der beste Trank.2 Alle Tage musste ich ihr Sterbe- und
Himmelslieder vorspielen und singen und die Mutter musste ihr aus „Geroks
Palmblättern“ und ähnliches vorlesen. Acht Tage vor ihrem Ende hatte sie ein
himmlisches Gesicht. Sie lag da wie erstarrt am ganzen Leib mit offenen,
hellstrahlenden Augen. Zuerst sang sie leise, ohne dass man die Worte hören
konnte, dann zeigte sie mit der Hand nach oben und sprach in abgebrochener Weise
(Die Zunge war etwas gelähmt und darum nicht alle Worte verständlich): „Da oben
ist der Heiland – auch die Engel sind da. Ich sehe auch Lydia und Elisabeth.“
Das waren ihre beiden vorangegangenen kleinen Geschwister. Seit jenem herrlichen
Gesicht wurde sie immer ernster und stiller, immer innerlicher. Als ich sie
einmal fragte: „Liebes Kind, ist der Heiland bei dir?“ sprach sie mit laut
erhobener Stimme: „Ja, mein, mein Jesus!“ Zuletzt, als die Mutter sah, dass es
mit ihr zu Ende ging und sie seufzte: „O Herr, erbarme dich über Dein armes
Kind,“ da nickte die liebe Kranke noch mit dem Kopfe und ihr Atem stand still:
die Seele war entflohen.
(205/206)
Eine schwer
leidende von Schutzengeln getröstet
Die früher erwähnte Verfasserin O. M. erzählt in ihrer Schrift folgendes:
Eine meiner Freundinnen, das nun längst verstorbene Fräulein Marie Feder, war
Jahre lang schwer und, wie sich erwies, unheilbar krank. In dieser Krankheit war
ihr Seelenleben und ihr Nervensystem in höchsten Grade gereizt, und ihr Geist,
zuweilen die engen Grenzen der Leiblichkeit verlassend, schaute sowohl in das
Reich der Dämonen als in himmlische Regionen, ihr teils Versuchung, Anfechtung
und Schauder, teils Tröstung und Beseligung heimbringend. Es war am Anfang ihrer
Krankheit, als sie in einem Gefühl von Schwäche auf ihrem Bette lag. Da sah sie
zwei Köpfe oder halbverhüllte Gestalten über sich schweben. Der eine deutete mit
der Hand auf sie und sprach zum andern: „Sieh, das ist unsere Marie, aber sie
muss noch viel leiden.“ Die Kranke achtete nicht auf diese Vision, hielt sie für
einen Traum im Halbwachen und vergass sie. Nach mehreren Jahren, in welchen ihr
leidender Zustand sich bedeutend gesteigert hatte, befand sie sich in einer so
grossen inneren Gebundenheit, dass sie nicht imstande war, zu beten, so sehr sie
auch das Bedürfnis fühlte, sich in ihrer qualvollen Lage an Gott den Heiland zu
wenden. Sie ängstige sich ob dieser Unfähigkeit zu beten.
Da sah sie plötzlich dieselben Schutzengel wieder, die ihr am Anfang ihrer
Krankheit erschienen waren und hörte sie für sich, die Kranke, beten. Getröstet
und gestärkt durch dies Gebet, erinnere sie sich jetzt erst, diese lieblichen
Erscheinungen schon einmal gesehen zu haben. Wieder vergingen Jahre qualvollen
Daseins; die Kranke konnte nur wenig Menschen vertragen, da die ganze innere
Seelenstellung derselben sich ihr aufdrängte, selbst als sie noch spazieren
gehen konnte, bei blossen Begegnungen, so dass sie schon deshalb das Haus nicht
verlassen konnte, weil sie darunter unsäglich litt. -
(207)
Bei tiefer und klarer christlicher Erkenntnis wurde es ihr doch schwer, die
stellertretende Gnade für sich zu erfassen und konnte sie darüber nicht zum
Frieden kommen. Da schlugen sich wieder die lieben Schutzengel ins Mittel; sie
erschienen ihr nicht nur, sie nahmen sie im Geiste mit. Durch lichte Räume wurde
sie pfeilschnell von ihnen getragen, bis sie an einen herrlichen Ort kamen, der
von lichten Gestalten mit glückstrahlenden Angesichtern dicht bevölkert war. Sie
wurde von ihnen jubelnd begrüsst, doch konnte sie sich nicht mit ihnen freuen,
denn ihre Sündenlast lag mit Zentnerschwere auf ihr und zog sie hinab zur Erde.
„Ach, meine Sünden, meine schweren Sünden,“ seufzte sie. Da tat sich im
Hintergrund der Himmel auf, eine unbeschreibliche Klarheit drang hervor; sie sah
keine Gestalt, wusste aber, dass es der Heiland sei. Die Schutzengel aber
deuteten auf Ihn und sagten: „Der hat deine Sünden getragen.“ Da fühlte sie sich
ihrer ganzen Sündenlast enthoben, frei und glücklich; doch ach! Noch durfte sie
nicht unter den Seligen bleiben, sie musste zurück. Die Schutzengel brachten sie
wieder auf die Erde in die auf dem Bette ruhende leibliche Hülle. Beim Abschied
aber trösteten sie die Kranke mit den Worten: „Bald, bald Marie!“ Noch ein Jahr
hatte sie körperlich, nicht mehr geistig, zu leiden, dann ging sie heim.
(208)
Ob diese beiden Schutzengel der Marie Feder selige Menschengeister oder
wirkliche Engel waren, lasse ich dahingestellt.
Anschliessend an die Tröstungen, die dieser Leidenden zuteil wurden, erwähne ich
den Trost, der einem Fräulein Bargrave zu Canterbury in England von Seiten einer
kurz zuvor verstorbenen Freundin zuteil wurde. Bekümmert und sorgenvoll sass
erstere einst in ihrem Zimmer; da tritt mit einem Male ihre Freundin, Fräulein
Veal, zu ihr ein und sagte ihr: “Wären die Augen unseres Gemüts so offen, wie
unsere leiblichen, so würden wir eine Menge Engel zu unserm Schutz um uns
versammelt sehen. Sei getrost in deinem Leiden! Eine einzige Minute der
künftigen Seligkeit reicht hin, dich hiefür zu belohnen.“ Darauf verschwand sie.
Bald hernach erhielt Fräulein B. die Nachricht, dass ihre Freundin am Tag, ehe
sie ihr erschienen, entschlafen sei.
(209)
Blicke in die
himmlische Welt, welche einer frommen Tochter zuteil wurden.
Nach P. Dorsch „Die Verbindung mit unserer ewigen Heimat“, Calw und Stuttgart
Dorothea Wippermann, Tochter eines Kaufmanns, war von Kind auf kränklich, aber
offenbar ungemein medial veranlagt, so dass sie schon seit ihrem sechsten
Lebensjahr Verkehr mit der Geisterwelt hatte. Sie war jedoch ängstlich besorgt,
ihre Gesichte geheim zu halten. Ihr geistlicher Vater war Pfarrer Fricker, mit
dem auch ihre fromme Mutter innig verbunden war. Von Kindheit an hatte sie
grosse Liebe zum Wort Gottes. Auf Grund ihrer Gesichte unterschied sie sieben
Stufen der Seligkeit (nach Math. 5, 3 ff), in denen sich aber wieder mannigfache
unterschiedliche Gesellschaften fänden, nach der Verschiedenheit der Denkungsart
und Gemütsbeschaffenheit. An einem Karfreitag wurde ie von einem Engel und einem
seligen Menschengeist in die andere Welt abgeholt, wo sie sechs Stunden
verweilte und erstaunliche Dinge sah und hörte, die aber alle mit der heiligen
Schrift übereinstimmten.
(209/210/211)
Es wurde ihr u.a. gesagt, dass die Menschen auf Erden sich die Bibel besser
zunutze machen müssten, wenn sie in der Ewigkeit zu einer grossen Herrlichkeit
gelangen wollten. Bei Gott, Christo und allen Engeln könne man sich nicht
beliebter und sich selbst herrlicher machen, als wenn man sich mit allen Geboten
Gottes, mit allen göttlichen Schriften bekannt machte und sich standhaft danach
hielt und richtete. Im Jahr 1766 starb Pfarrer Fricker und vier Jahre darauf,
als sie 23 Jahre alt war, erschien er ihr erstmals und sie unterhielt von da an
Jahre hindurch einen fortgesetzten Verkehr mit dem Seligen. Sie sagte von ihm: „Fricker
ist als ein Schriftforscher und Erklärer einer der vornehmsten in der vierten
Stufe; er hat einige hundert Schüler und etliche tausend Diener. Er ist so schön
und herrlich; wäre ich gleich zu ihm gekommen, so hätte ich seinen Glanz nicht
ertragen können, und noch musste er seinen Glanz einhüllen, um sich mir
erträglich zu machen. Er wird wegen seiner grossen Erkenntnis und Reinigkeit
bald in die fünfte Stufe kommen und daselbst wieder priesterlich unterrichten.“
Einmal bat sie den Seligen um Erklärung von 1. Korinther 3, 14 ff. Fricker
sagte, man müsse die Stelle mit 1. Korinther 10, 31 vergleichen. Alles, was der
Mensch tue ohne Absicht auf Gott, das erfreue ihn nicht in der Ewigkeit, das
verbrenne alles; nur das allein halte die Feuerprobe aus und bringe ihm ewige
Ehre und Freude, was er zur Ehre Gottes getan habe. Ein andermal fragte sie, ob
er den Herrn Jesum schon gesehen hätte; Fricker antwortete: „O, davon macht man
sich auf Erden ganz andere Vorstellungen, als man es findet. Ja, ich habe Ihn
wohl gesehen, Er kommt zuweilen durch die Gesellschaften der Seligen, aber dann
kommt uns alle vor seiner Herrlichkeit, die Er doch lange nicht in vollem Glanze
zeigt, eine solche Ehrfurcht an, dass wir alle zusammen auf unser Angesicht
fallen vor seiner Majestät; fast keiner hat das Herz, Ihn anzublicken.“ (Das
sind andere Eindrücke von Gott und von Jesu Herrlichkeit, als wir sie bei den
Spiritisten wie Hans Arnold oder auch wie bei der Julia, von denen ich früher
berichtete, finden.) Auf die Frage, ob er das neue Jerusalem schon gesehen,
erwiderte er: „Ach nein, so weit bin ich auf Erden nicht gekommen, dahin gelange
ich nicht; ich bin nicht reines Herzens geworden.“ Als sie um Aufschluss über
die 144 000 Auserwählten (Offenbarung 7 und 14) bat, sagte er merkwürdigerweise:
„Davon habe ich auch keine Einsicht. Im Geisterreiche geht’s so nicht; man
kann nicht weiter Bescheid geben, als man selbst gekommen. O hätte ich das
gewusst, wie viel an dem Leben auf Erden gelegen, ich hätte den Herrn
unaufhörlich um Verlängerung meines Lebens gebeten. Was auf Erden versäumt wird,
das kann in allen Ewigkeiten nicht wieder hereingebracht werden.“
(212)
Aus diesen Offenbarungen geht hervor, dass es ein Irrtum ist, anzunehmen, die
selig Verstorbenen würden alsbald, wenn sie hinüber kommen, über alle göttlichen
Wahrheiten aufgeklärt und von allen irrtümlichen Meinungen befreit. Der Calwer
Präzeptor Schill (geb. 1675, gestorben 1751), der eine geheime Verbindung mit
den Seligen hatte, behauptet das Gegenteil. Von ihm sagt Prälat Ötinger, er sein
ein Mann, der Tag und Nacht mit Gott wandelt. Und Prälat Roos, der ihn während
seines Vikariats in Calw kennen lernte, sagte von ihm: „Das Beispiel jenes
heiligen Mannes bleibt mir unvergesslich.“ Dieser Schill behauptete, es gebe bei
den meisten Verstorbenen viel mehr Sekten und Ungewissheiten als hier in der
Welt. „Sie bleiben auf ihren Meinungen bis ans Gericht, oder bis ihnen Hilfe auf
Jesu Befehl entgegen kommt.“ Es liege erstaunlich viel daran, was für Ideen man
mitnehme, absonderlich von der grossen Haushaltung Gottes.
Schill hörte oft ganze Chöre von verstorbenen Menschen und anderen seligen
Geistern Gott loben. Er hörte aber auch mit tiefem Schmerz das Geheul, das
Fluchen und die Gotteslästerungen der Verdammten, was er nur durch Gesang und
Orgelspiel vertreiben konnte. Er starb mit den Worten: „Halleluja! Lobe den
Herrn! Meine Seele fährt auf zu Ihm.“
(213)
Die
Entwicklungsstufen im Jenseits nach Johannes Gommel
Diesen frommen Jüngling, der im Jahre 1841 in noch jugendlichem Alter heimging,
war von Gott viel Licht in jenseitige Zustände geschenkt. Näheres über diesen
seltenen jungen Mann lese man in dem Buch: Das Reich des Lichts und das Reich
der Finsternis“ von Joseph Hahn, Verlag von Karl Rohm 1911; S. 38 ff. Schon in
seiner Kindheit hatte er Erscheinungen von Abgeschiedenen. Er kannte jenseitige
Zustände so genau, weil Abgeschiedene von allerlei Graden in grosser Menge sich
an ihn um sein Gebet und Beistand, zum Heiland zu kommen, wendeten. In späteren
Jahren nahm er sie jedoch nicht mehr an, sondern wies sie an den Heiland selbst.
Solche Blicke in das Reich der Geister, von dem wir, wie er sah und erfuhr
überall umgeben seien, eröffnete er aber nur Vertrauten.
Er hielt es für einen schweren Irrtum, wenn man sich einbilde,
wenn man nur im Glauben an den Heiland sterbe, so komme man gleich ohne
Unterschied zum Anschauen Jesu. Es stehe ja klar in der Schrift, das man ohne
Heiligung, ohne ein gereinigtes Herz Gott nicht schauen könne. Nur
die Überwinder können eingehen in die Stadt Gottes, darum sei es sehr wichtig,
dass wir hier los werden von allem Unreinen nach Geist, Seele und Leib.
(214)
Wenn wir nicht durch das treueste Wachen über uns selbst und durch fortwährendes
Bleiben an Jesu uns bewahren lassen, könnten wir nicht zur ersten Auferstehung
kommen und müssten die tausend Jahre warten bis zur allgemeinen Auferstehung,
was ein unbeschreiblicher Schmerz für die sei, die zurückbleiben müssen. Von ihm
selbst wird bezeugt, das er ganz in Jesu und aus Ihm lebte. „Sein Leben war ein
wohlgeordneter Fluss aus dem Lebensstrom Jesu, der allen wieder zum Segen war,
die den Segen davon annahmen. Und ob er gleich sich zu den Allergeringsten der
Angehörigen Jesu zählte, das wusste er gewiss, dass er zu seinem Heiland komme,
wenn er nicht dessen nahe Wiederkunft erleben werde.“ Im Augenblick seines
Abscheidens war es den Anwesenden bei allem Schmerz des Verlustes so
unaussprechlich wohl, dass sie hätten ein Halleluja anstimmen mögen, denn sie
fühlten sich von unsichtbaren seligen Wesen umgeben.
In bezug auf die Entwicklungsstufen im Jenseits berichtete Gommel, die Erde sei
zunächst vom sogenannten Luftreich oder Todestal umgeben. Dies sei eine Sphäre,
die angefüllt sei von unzähligen Geistern, welche sich infolge der Schwerkraft
ihres irdischen Wesens nicht höher emporschwingen können. Sie seien daselbst den
Fürsten und Gewaltigen, die in der Finsternis dieser Welt herrschen (Epheser 6,
12) preisgegeben und noch allen Unbilden der Elemente ausgesetzt. Ihr dortiger
Aufenthalt sei oft von langer Dauer, was durch den Verlust des Heimatgefühls und
die Entbehrung jeglichen Schutzes ein überaus trauriges Los sei.
(215)
Vom Todestal führe der Weg in den Hades, welcher ein stiller, einsamer Ort des
Nachdenkens sei. Beleuchtung und Natur seien ganz dem unvollkommenen Zustande
der dort weilenden Seelen entsprechend, welche dieses Land tiefer Dämmerungen
erst nach gewonnener Selbsterkenntnis verlassen können.
Hierauf gelangen sie in die Orte der Reinigung, die aus sieben Hauptstufen
bestehen, deren jede wieder sieben Grade mit je drei Unterabteilungen habe. Hier
sei den an Gott und die Erlösung glaubenden Seelen noch Gelegenheit gegeben, von
den auf der Erde nicht abgelegten Leidenschaften und Untugenden frei zu werden,
was aber, da sie die Zeit der Gnade versäumt haben, mit viel grösserer Mühe und
unter viel schwierigeren Umständen und bei weit längerer Zeitdauer als im
Erdenleben stattfinde. Die dort befindlichen Seelen würden in ähnliche
Verhältnisse, wie diejenigen, in welchen sie sich vor dem Sterben befunden
haben, versetzt, in denen sie das Versäumte dann alles nachholen müssen.
Schmerzen und Sorgen, Jammer und Elend empfänden sie noch stärker als auf der
Erde und an ein Entrinnen irgend welcher Art sei nicht zu denken. Erst wenn sie
vom Grobsinnlichen losgeworden und vom Unflat der Sünde gereinigt seien, dürften
sie die Ewigkeitstiegel verlassen und würden dann nach Durchwanderung der immer
heller werdenden Grade, Unterabteilungen und Übergangsstufen in die Orte der
Heiligung gelangen.
(216)
Über den Reinigungsorten befänden sich siebenstufige Räume, eine Art
Vorparadies, in welchen gutartige Kinder, die etwa im schulpflichtigen Alter in
die Ewigkeit abgerufen worden seien, dort weiter erzogen und gelehrt würden. Sie
hätten daselbst ihre Unarten abzulegen, und zu ihrer Erziehung würden solche
gläubige Lehrer und Lehrerinnen verwendet, welche dabei die ihnen noch mangelnde
Liebe, Sanftmut und Geduld nachzuholen hätten.
In dieser Region sei auch der Ort, wo gutdenkende Heiden und gottesfürchtige
Juden, welche zu ihren Lebzeiten ohne eigenes Verschulden vom Evangelium keine
oder ungenügende Kenntnis hätten bekommen können, unterrichtet und für die
Seligkeit zubereitet werden.
(217)
Die Heiligungsorte oder Vorhallen des Himmels, auch Vorhimmel genannt, bestünden
ebenfalls aus sieben Hauptstufen mit je sieben Graden und je drei
Unterabteilungen, in welchen die in Gnaden aufgenommenen Seelen sich schon
unaussprechlich selig fühlen und hier für die eigentlichen Himmel zubereitet
werden. Sie erhalten das Kleid des Heils und den Rock der Gerechtigkeit und je
nachdem sie gesät bei Leibesleben, ein grösseres oder kleineres Besitztum, über
welches sie auch dann noch erfügen dürfen, wenn sie in eine höhere Seligkeit
versetzt werden. Nicht wenige, welche Kindern Gottes im leben Gutes erwiesen
haben, jedoch in der Seligkeit kein eigenes Erbteil antreffen, werden von
letzteren aus Dankbarkeit in ihre Wohnungen aufgenommen, wo dann das Wort des
Herrn Lukas 16, 9 in Erfüllung gehe: „Machet euch Freunde mit dem ungerechten
Mammon in die ewigen Hütten.“ Die Natur und alles, was in den Vorhimmeln
vorhanden sei, übertreffe schon weit alle Herrlichkeit der Erde, und was das
Herz erfreuen könne, sei dort vorhanden. Die Bewohner jener Heiligungsstufen
seien bereits auch einerlei Glaubens und feiern in prächtigen Tempeln erhebende
Gottesdienste, bei welchen keine einzige Seele fehle und jedes sich darauf
freue, wieder neuer Segnungen teilhaftig zu werden.
(218)
Über die einzelnen Stufen, Grade und Abteilungen seien Vorsteher gesetzt, welche
über die himmlische Ordnung wachen und alles beaufsichtigen und leiten. Seien
die Seelen dann nach Durchwanderung aller Stufen von allem Unheiligen frei und
reinen Herzens geworden, so brechen aus dem Innersten ihres Wesens Strahlen
hervor und zögen sie höher empor.
Die Herrlichkeit, welche sie dann in den Orten der Verklärung erwarte, lasse
sich mit menschlichen Worten nicht beschreiben. Alles atme dort Liebe und
Frieden und sei voll Licht und Leben. Zu Festzeiten durchziehe der König der
Könige mit grossem Gefolge die einzelnen Herrlichkeitsstufen, bei welcher
Gelegenheit ihn alle Bewohner der Verklärung anschauen dürfen. Unaussprechlich
herrliche seien die von himmlischer Musik begleiteten Lob- und Danklieder, und
der Pilger im Staube könne sich keine Vorstellung von dem Jubel machen, welcher
dann die Himmel erfülle.
In dem Grade, wie eine Seele von einer Klarheit zur andern reife, nehme auch
ihre Liebe zum Heiland zu, und erst nach Abstreifen auch des letzten
Überbleibsels eigenen Wesens, werde sie mit ihrem Auferstehungsleibe vereinigt.
(219)
Dann erst sei sie tüchtig, in die Stadt Gottes einzugehen. Näheres über ihre
Aufnahme in diese Stadt, von den sieben Stufen derselben bis zu dem Berge Zion,
den Thronsitz des ewigen Gottes, von welchem alles Licht und alle Seligkeit
ausgeht, wolle der geneigte Leser in dem obenerwähnten Buche nachlesen. Noch sei
erwähnt, dass im Vorgarten der Stadt Gottes sich das Kinderreich befindet, in
welchem die frühverstorbenen Kinder erzogen werden. Die Oberleitung desselben
liege in den Händen Marias, der Mutter Jesu und des Lieblingsjüngers Johannes.
Nach Johannes Gommel hat aber auch das Reich der Finsternis seine Abstufungen;
es gebe sieben Vorhöllen und dann eine eigentliche Hölle, welche gleichfalls aus
sieben Stufen bestehe, an deren letzte und tiefste der Feuerpfuhl sich
anschliesst. In demselben erhebe sich der Berg des Schreckens, der Wohnsitz
Satans und seiner höllischen Auserwählten. Näheres darüber findet sich Seite 90
und folgende.
Ich erwähne noch, dass diese Darlegungen von Johannes Gommel im wesentlichen
übereinstimmen mit Visionen von Somnambulen, als auch besonders mit den
Darlegungen des früher erwähnten Eduard Weitzel über das Jenseits*. Gommel
selbst war niemals somnambul; er erhielt seine Offenbarungen in wachem Zustand.
(* Weitzel scheint übrigens seine Kenntnis des Jenseits von Gommels
Offenbarungen erlangt zu haben).
(220)
Die enge Pforte
zur himmlischen Seligkeit
Dass die Pforte eng, sehr eng ist und ernstlichen Ringens benötigt, aber auch zu
unaussprechlich grosser Seligkeit führt, das wurde dem frommen Theologen
Dodridge (sprich Doddritsch) in einem merkwürdigen Traumgesicht gezeigt. Von
schwerer Krankheit befallen lag er in einem todesähnlichen Schlaf. Da träumte
ihm, er sehe vor einer Felswand, deren Höhe seinem Auge unerreichbar war und
deren Ausdehnung nach beiden Seiten er nicht überschauen konnte. Sie war
undurchdringlich, nirgends zeigte sich eine Öffnung und dennoch hatte Doddridge
das bestimmte Gefühl im Herzen, er müsse auf irgend eine Weise hindurch und
erfahren, was hinter dem Felsen vorgehe, ja es sehe ihm dort eine grosse Freude
bevor. Je mehr das Gefühl bei ihm zu einem heissen Verlangen anwuchs, um so
genauer betrachtete er den Felsen, ob sich nicht irgendwo eine Gelegenheit zum
Durchbruch zeige, und endlich war er dicht vor sich eines Spaltes gewahr, an
welchem er mit den Händen zu arbeiten anfing. Kaum hatte diese mühselige Arbeit
begonnen, so hatte sich diese Öffnung von selbst so weit aufgetan, so dass er
ohne Beschwerde hineingehen konnte. Mit hoher Freude, ja mit Begeisterung
verfolgte er nun rüstig den vor ihm sich erweiternden Gang; allmählich wurde
derselbe niedriger und schmäler. Bald musste er gebückt einher gehen, die Füsse
fingen an, ihm wehe zu tun, und zur Rechten und Linken wurde er oft durch
hervorspringende Felsenspitzen hart verletzt. Dazu nahm des Weges Enge immer zu.
Schon konnte er nicht anders vorwärts, als mit grosser Beschwerde, kriechend auf
Händen und Füssen; doch je vielfältiger die Qual, um so höher ward seine
Sehnsucht hindurchzudringen. Endlich aber sah er sich in jeder Bewegung gänzlich
gehemmt. Rings von hartem Gestein umschlossen, war es ihm durchaus unmöglich,
auch nur ein Haarbreit vorzudringen; aber zurück konnte er nun auch nicht mehr,
oder vielmehr das wollte er nicht. In dieser höchsten Not schrie er voll
Inbrunst zum Herren, und kaum noch hatte er das Gebet gesprochen, so schwanden
plötzlich nach allen Seiten die ihn fesselnden Wände und – er stand hinter dem
Felsen. Unbegreiflich süss war das Gefühl, das sich in demselben Augenblicke
seiner bemeisterte, er weinte, aber voll seliger Freude und Wonne. Was sich nun
ihm darstellt, behauptet Doddridge, könne unmöglich mit menschlichen Worten
geschildert werden; „was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört“, das erfuhr hier
der selige Mann; alle seine Seelenkräfte vernehmen unaussprechliche Dinge. „Da
ich im Anschauen der Herrlichkeit verloren dastand, trat jemand zu mir und
winkte mir, ihm zu folgen. Ich hätte folgen müssen und wäre es noch einmal durch
den Felsen gegangen. Man führte mich zu einem erhabenen Hause, in welchem viele
Wohnungen waren, und wies mir eine desselbigen als die meinige an.
(222/223)
Ich trat hinein und befand mich in einem Gemach, in welchem sich ausser mehreren
Bildern, die an den Wänden hingen, und einem Tische, auf welchem ein Kelch
stand, weiter nichts befand. Ich war höchst selig, und dennoch war meine
Erwartung noch auf etwas Ausserordentliches gespannt, ohne dass ich jedoch jenen
Schmerz gefühlt hätte, den die Sünde unserer geheiligten Sehnsucht noch
beimischt. Indes näherte ich mich den Bildern und erstaunte nicht wenig, auf den
mir zunächst hängenden eine Begebenheit aus meinem Leben dargestellt zu sehen,
und zwar die äusseren Umstände, mit denen meine Erweckung zum Leben aus Gott
einst begleitet war. Unwillkürlich davon angezogen, betrachtete ich auch die
andern Bilder und fand überall die Ereignisse dargestellt, die auf meinen innern
Herzensgang einen besonderen Einfluss ausgeübt hatten. Die letzten Bilder waren
mit einer undurchsichtigen Decke verhüllt und heilige Scheu hielt mich zurück,
sie zu enthüllen. In Nachdenken versunken, hatte ich nicht bemerkt, dass jemand
bei mir eingetreten war. Aufblicken, ihn erkennen und vor ihm niederfallen, war
die Tat eines Augenblickes. Es war der Herr des Hauses. Ich sah die Augen, die
einst über Jerusalem, auch über mich geweint, und diese Augen blickten mir nun
so forschend und doch zugleich unaussprechlich liebevoll tief in das Herz, dass
es vor heiligem Beben und vor seliger Freude hätte zerspringen mögen. Schweigend
trat er an den Tisch, erhob den Kelch, nahm aus der kleinen Schale, die unter
demselben verborgen gewesen war, einen Bissen Brot und gab mir ein Zeichen,
aufzustehen und näher zu treten. „Noch bist du nicht gestorben“, sprach er, „ich
gebe dir nur eine Erquickung von meinem Angesichte, um dich zu neuem Kampfe zu
stärken, denn noch steht dir manche Prüfung bevor, ehe deine Tage erfüllt sind.“
Er dankte, brach das Brot in zwei Stücke, reichte mir das eine und nahm das
andere; auch den Kelch teilte er mit mir. Was ich dabei empfand? – Aufgelöst in
Dank und Liebe, war ich hingesunken und – da ich meine Augen aufschlug –
erwachte ich zu Wirklichkeit. Mit dem Erwachen durchdrang meine Seele ein
schmerzliches Gefühl des Unbehagens, kalt wehte mich der Hauch der Wirklichkeit
an. Ich sehe die Meiningen in ängstlicher Sorge, ich sehe Ärzte um mich
beschäftigt und vernahm, dass ich 24 Stunden in einem todähnlichen Schlafe
gelegen. Bald aber ging der Traum mir in seiner ganzen Herrlichkeit wieder auf,
und mit dem Bewusstsein desselben kehrte in mein Herz ein süsses Gefühl des
Friedens zurück, und ich fühlte eine neue Kraft zum Kampfe mit dem Leben durch
alle meine Adern rinnen und mein Herz mit heiligem Mute sich erfüllen. Oft aber
noch kehrte jenes Gefühl des Unbehagens zurück, das mich beim Erwachen
durchdrang, und ich fühlte dann stets mit tiefem Schmerze, wie leer dieses Leben
sei ohne das stete Bewusstsein der Gemeinschaft mit dem, der das Abendmahl mit
mir gehalten. Als eine Folge der Erfahrungen jenes Traumes ist mir besonders ein
unbezwingbarer Widerwille geblieben gegen alle weltliche Musik. -
(225)
Das
Hochzeitskleid
Der fromme Pfarrer L. Deggeler, den ich noch persönlich kannte (er war Pfarrer
im Kanton Schaffhausen. Als warmer Missionsfreund pflegte er alljährlich zum
Missionsfest nach Basel zu kommen), erzählte folgendes Erlebnis. Eine Stunde
entfernt von seinem Pfarrdorf hatte er einen Freund, mit dem er im Glauben innig
verbunden war, dessen Frau aber war anderer Gesinnung; sie war ungemein
selbstgerecht. Alle Belehrungen, alle Zusprüche, alle Fürbitten und Gebete waren
ohne Erfolg, sie blieb in ihrem Zustand. Ihr um ihr ewiges Heil tief bekümmerter
Mann wurde endlich schwerkrank, und da er sein Ende herannahen sah, liess er
seinen gleichgesinnten, treuen Freund an sein Bett kommen, eröffnete ihm seinen
Kummer wegen des bedenklichen Seelenzustandes seiner armen Frau und empfahl ihm
dringend die Pflege ihrer Seele und die fortwährende Fürbitte für sie. Dieser
versprach’s; der liebe Mann starb im Frieden seines Herrn, und der Freund hielt
treulich Wort. Er besuchte die Witwe des heimgegangenen Mannes jede Woche
zweimal, obwohl er eine Stunde entfernt wohnte in einem anderen Ort. Aber ach!
Auch seine Liebemühe mit der armen Frau war vergeblich; auch seine Fürbitte für
sie schien unerhört zu bleiben. Da wurde er endlich müde und mutlos und kam
nicht mehr zu ihr.
(226)
Jetzt aber trat der Herr ins Mittel und half, wo Menschenhilfe unmöglich war.
Und wie half er? Durch einen Traum, mit dem er in die finstere Seele der Frau
erschütterndes, schnell aufweckendes Licht brachte:
Es träumte ihr in einer Nacht, sie sehe eine prächtige Kutsche vor ihrem Hause
vorfahren und vor ihrer Türe still halten. Der Wagen schien sie abholen zu
wollen zu einer glänzenden Hochzeit. Von unten herauf aber hörte sie ene Stimme
rufen: „Eile! Eile!“ Da steht sie schnell auf, geht vor den Kasten und will
eines ihrer schönsten Kleider herausnehmen und darin zur Hochzeit fahren. Wie
sie es aber herausnimmt, da ist es zu ihrem grossen Schrecken zerfetzt und
schmutzig. Sie nimmt ein anderes heraus, das ist wieder so; sie nimmt ein
drittes heraus, das ist ganz mit Flecken bedeckt wie die beiden andern. Da hat
sie noch ein viertes Kleid im Kasten, das ihr allerschönstes gewesen; aber ach,
als sie es herausnimmt, sieht es noch ärger aus als die drei ersten.
(227)
In eben diesem Augenblick aber ruft es von unten herauf noch einmal: „Eile!
Eile!“ Das bringt sie in Verzweiflung: sie soll abfahren zur Hochzeit und hat
kein hochzeitliches Kleid! In dem Augenblick fällt aus der Höhe auf sie herab
ein himmlisch heller Strahl, und in dem Strahl erblick sie ein schönes,
schneeweisses Kleid. Eine Stimme aber vom Himmel rief: „Dies nimm und kleide
dich darin!“ Und indem sie es nehmen und anziehen will, erwacht sie.
Da ist es ihr gleich sonnenklar, dass sie ein göttliches Traumgesicht gesehen,
dass ihre zerfetzten und schmutzigen Kleider ihre eigene Gerechtigkeit bedeuten,
auf die sie sich verlassen hatte, und dass das „Eile! Eile!“ auf ihr nahes Ende
hinweise. Sie war jetzt vom Strahl Gottes in ihrem Innersten getroffen; ihre
Selbstgerechtigkeit war zerschmettert; sie sah sich in ihrer elenden,
jämmerlichen Sündengestalt und war sehr unruhig und bekümmert.
Und siehe da, in derselben Nacht hatte der Herr auch den Freund ihres seligen
Mannes unruhig gemacht und schwer bekümmert um sie. Er wurde so unruhig
ihretwegen, dass er des Morgens sehr früh aufstand, sich aufmachte und zu der
Frau eilte. Da fand er sie in einem ganz anderen Zustand als früher und staunte.
Sie erzählte ihm den Traum, den sie in der letzten Nacht gehabt hatte. Jetzt
kann er mit ihr reden, jetzt finden seine Worte Eingang; jetzt ist sie ganz
gebeugt, zerschlagen, arm, gnadenhungrig, und mit einer wahren Gier ergreift sie
gläubig das Wort des Evangeliums, das ihr gesagt wird.
(228)
Sie erlangt die selige Gewissheit, dass sie begnadigt ist und sie bittet den
Freund, am folgenden Morgen wiederzukommen, damit sie gemeinsam ihren Heiland
loben können, der so Grosses an ihr getan. Pfarrer Deggeler verspricht es und
macht sich am andern Tag frühe auf den Weg. Als er zum Hause kommt, empfangen
ihn zwei schwarz gekleidete Frauen und berichten ihm, dass die Freundin in der
Nacht von einem Schlag befallen worden sei. Aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachte
sie noch einmal, pries ihres Gottes Gnade. „Zur Hochzeit darf ich,“ rief sie
mehrmals und ihr letztes Wort war: „Durch Christi Blut.“
o O o O o O o O o O o O o O o O o
SCHLUSS
(229)
Mit dem zuletzt mitgeteilten Traumgesicht schliesse ich eine Sammlung von
Blicken ins Jenseits. Sie enthält teils erschütternde, teils erhebende,
tröstliche und glaubensstärkende Blicke. Mögen durch dieselben viele Ungläubige
und nur fürs Irdische und Eitle Lebende aufgeweckt werden und zur Erkenntnis der
Wahrheit kommen!
Mögen Zweifler durch die Erleuchtung des heiligen Geistes von ihren Zweifeln
befreit und zur Gewissheit der Wahrheiten des göttlichen Wortes geführt werden!
Mögen ängstliche Gemüter ermutigt werden, das Heil, das uns in Jesu Christo
angeboten wird, mit freudigem Glauben zu ergreifen! Mögen Gläubige angespornt
werden, mit völligem Ernst nach der Heiligung zu jagen, ohne welche niemand den
Herrn schauen wird! Mögen wir während unserer kurzen Lebenszeit durch Arbeit der
Liebe und Aufopferung im Dienste des Herrn eine Aussaat bestellen, deren Ernte
wir im Jenseits und im seligen Auferstehungsleben und herrlichen
Vollendungszustand n überschwänglich reicher Weise werden einheimsen dürfen.
Ja:
“ernten werden wir mit Freuden,
Was wir weinend ausgesät;
Jenseits reift die Frucht der Leiden,
Und des Sieges Palme weht.
Unser Gott auf seinem Thron,
Er, er selbst ist unser Lohn!
Die Ihm lebten, die Ihm starben,
Bringen jauchzend ihre Garben.“
o o o o o o o o o o o o o
(231)
Anhang
Warnung eines
Selbstmörders vor Selbstmord
Ein trauriges Zeichen unserer Zeit ist die erschreckende und stetig zunehmende
Zahl der Selbstmorde. In Europa beträgt die Selbstmordstatistik in einem Jahr 70
000. In Deutschland kommen in einem Jahr 10 000 – 12 000 Selbstmorde vor. Bei
allem Fortschritt, bei allen Errungenschaften unserer Kultur welch eine Summe
von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung stellen diese Zahlen dar! Und in diesen
sind nicht inbegriffen die Zahl der vereitelten Selbstmordversuche, die nach
amtlicher Feststellung erheblich höher ist, als die Zahl der zur Tat gewordenen
Selbstmorde. Da ist es wohl angezeigt, eine Mahnung zu richten an solche
Hoffnungslose und Verzweifelnde, mit gläubigem Vertrauen sich zu dem zu wenden,
dem keine Not zu gross, keine Schuld zu schwer, kein Leid zu tief und keine
Bedrängnis zu schwierig wäre, als dass Er nicht helfen und einen siegreichen
Ausgang gewähren könnte. Aber leider, anstatt des Heilandes Einladung: „Kommet
her zu Mir, ihr Mühseligen und Beladenen“ Gehör zu schenken, hört man auf die
Stimme des grossen Lügners und Selenmörders, der den Verzweifelnden den Rat
gibt: „Wofür willst du dein elendes Leben noch länger tragen? Mach ihm ein Ende
mit einem Strick, oder einer Kugel, und du bist los aller Sorgen und
Bedrängnisse und Selbstanklagen.“ Mit welch schrecklicher Enttäuschung solch
arme Betrogene im Jenseits erwachen, das möge uns en Selbstmörder aus dem
Jenseits sagen.
(232)
Aus einer Broschüre: „Der Selbstmord, seine Folgen und seine Verhütung“* (*von
w. Spark, Freiburg i.Br. Mit Erlaubnis des Verfassers mitgeteilt) entnehme ich
folgenden Abschnitt. Zwar ist die Offenbarung aus dem Jenseits durch ein Medium
vermittelt und wir sind nicht darauf angewiesen, für unser Seelenheil uns
mediumistische Offenbarungen aus dem Jenseits geben zu lassen. Aber die
krankhaften Zustände unserer heutigen Gesellschaft erfordern besondere
Heilmittel. Und wenn nach 1. Sam. 28, 15 f. Gott es zuliess, dass der
abgeschiedene Geist des Samuel dem verzweifelten König Saul aus dem Totenreich
erschien und ihm das bevorstehende Geicht ankündigte, warum sollen wir es nicht
beachten, was der Geist eines Selbstmörders uns über seinen und anderer
Selbstmörder jenseitigen Zustand zu unserer Warnung offenbart. Ich kann darum
nur wünschen, dass die erwähnte Schrift über den Selbstmord weite Verbreitung
finde.
Der Selbstmörder
berichtet folgendes:
(232/233)
Im Jahre 1872 nahm ich mir in New York durch einen Revolver das Leben, das
heisst, ich glaubte, es genommen zu haben, denn mit meinem irdischen Tod begann
erst recht für mich ein Leben, ein Leben voller Elend, dessen Ende wohl noch
lange nicht erreicht sein wird. Ich hoffe, dass euch diese Mitteilung nicht
trübe stimmt, denn ich möchte gern andere warnen und bin der Ansicht, dass ich
andern solche Pein ersparen kann durch die Erzählung meiner Erfahrungen, die ich
erleben musste, da ich allzu voreilig die Erde verliess. Viele begehen in ihrem
irdischen Elende Selbstmord um das Feuer zu ersticken, das in ihrer Seele
lodert. Zu feige, den Sorgen und Schwierigkeiten, die sich ihnen
entgegenstellen, mutig die Stirn zu bieten, jagen sie sich eine Kugel durchs
Hirn, fest davon überzeugt, ihrem Denken ein Ende gesetzt, ihr Sein vernichtet
zu haben. Tun sie das wirklich? Möchte doch jeder Selbstmörder hierauf
antworten! Sie werden alle erklären, dass sie ihr Denken nur steigerten, ihr
Elend nur verschlimmerten. In demselben Augenblicke, da die feige Tat geschieht,
beginnt die Reue. Kein Leid ist schwerer zu ertragen, als der Stachel dieses
Todfeindes jeglichen Friedens.
Wie ich zu der
Tat kam
Durch tolle Börsenspekulation hatte ich mein ganzes Vermögen verloren und
dadurch Zwietracht in meine Familie gebracht. Es war unbedingt nötig, mich von
meiner Frau zu trennen, die Ehe wurde geschieden, denn meine Frau war
aufgewachsen und erzogen in der Ansicht, dass die Heirat nur den Zweck habe,
einen zur gesellschaftlichen Stellung zu erheben, und ich in meinem Eifer dies
zu tun, spekulierte und ging bankrott; ich verlor sie, die ich sehr liebte, und
mein gesellschaftliches Ansehen. Ja, wäre ich ein wirklicher Mann gewesen, ich
würde meinen Charakter gestählt haben bei Abwägung des persönlichen Wertes und
des Reichtums. Doch verletzt durch die gesellschaftlichen Schläge, fand ich in
meiner Torheit keinen besseren Ausweg, allem Elend zu entgehen, als den
Selbstmord.
(234)
So sass ich eines Abends am erloschenen Kaminfeuer und grübelte übe mein
trauriges Geschick. Plötzlich sprang ich vom Stuhle auf, öffnete den Schrank und
ergriff einen kleinen, aber sicher tötenden Revolver. Die Mündung des Laufes
setzte ich an meine rechte Schläfe und still betend drückte ich den Hahn los.
Blutüberströmt fiel ich vornüber auf den Fussboden meines Schlafzimmers, auf dem
hellen Teppich bildeten sich rote Blutflecken, deren meine Wirtin sich noch
lange mit Grauen erinnerte. War ich nun tot? Wahrlich nicht, lebender denn
zuvor; nicht mehr imstande, meinen toten Körper zu bewegen, noch
sagen zu können, was mit ihm geschehen solle. Ich blieb im Zimmer, hatte ich
dort doch noch Wertpapiere liegen, die von vergangenen Erfolgen herrührten und
auf die ich für zukünftige Erleichterung meines Elends grosse Hoffnungen
gesetzt, weshalb ich sie auch jetzt noch hochschätzte. Welchen Wert hatten sie
für mich? Ich sprach laut, aber niemand hörte mich, ich stand in wirklicher
Körperlichkeit, allein man sah mich nicht. Mein Gedanke war noch immer, dass die
Wertpapiere und Dokumente in meinem Schrank, zu denen ich mich so hingezogen
fühlte, für mich von Nutzen sein könnten. Als ich nun sah, dass in Beamter sie
mit meiner Garderobe in meinen Reisekoffer legte und dann fortschaffte, erfüllte
mich eine entsetzliche Unruhe, ich rief und wolle gehört werden, doch vergebens;
ich befand mich in Angst und wirklicher Not. Die Identität meiner Leiche wurde
festgestellt und diese in dem Totenschauhause gegen eine kalte Steinplatte
gelegt. Mit Furcht blickte ich auf sie, denn der Anblick verriet sofort die
Todesart. Meine Verwandten wurden etwas beruhigt durch den Ausspruch des Arztes,
dass ich die Tat in Geistesabwesenheit begangen, und bezeugten grossen Kummer
übe mein frühzeitiges Ende. Auch aufrichtige Tränen vergossen einige von ihnen,
aber eher aus Ärger als aus Schmerz. Und wo befand sich meine Frau? Suchte sie
meine irdische Hülle auf, welche ihr kein Geheimnis verriet? Nein, o nein! Als
ich meinen physischen Leib tötete, da war der Vorabend ihrer zweiten Heirat. Sie
hatte ihre Hand einem andern gegeben, ihm gehörte sie an; mein herz war
vereinsamt, mein Leben eine Last. Vergessen wollte ich, alles vergessen, und das
wollte ich durch den Tod erreichen und nun fand ich das Gegenteil, das ich weder
gewünscht noch überhaupt geahnt hatte. Nur ungern entfernte ich mich von meinem
toten Körper, und ich wunderte mich darüber, weshalb ich dort so gern verweilen
mochte. Es schien, als ob ein Band zwischen mir und ihm noch bestehe, das uns
durch ein unbekanntes Gesetz fessle, als ob er doch ein Teil von mir bleibe.
Daher beschloss ich nach einiger Überlegung, mich so weit wie möglich von ihm zu
entfernen, in der Hoffnung, mich dann wohler zu fühlen. Ich befand mich dann
auch bald in einer äusseren Atmosphäre der Erde, wie es mir schien; alle meine
Sinne waren bis zu einem ungewöhnlichen Grade verschärft und es war mir, als ob
jede Art von Unruhe, Ungemach und unbefriedigten Wünschen mich folterten.
(236)
Mein erwachendes
Schuldgefühl
Stellt euch einmal eine grosse Welt vor, in der ihr nur Selbstmörder antrefft.
Da umringen euch Tausende von Männern und Weibern, die ihr Leben eigenhändig
gekürzt haben.
Würdet ihr euch in einer solchen Gesellschaft wohl fühlen? Hättet ihr jene
furchtbare Tat begannen, wenn ihr gewusst, dass sie euch an jene
Leidensgefährten fesseln würde, die noch mehr auszustehen haben als ihr? Ich bin
jeglicher Worte bar, um die schauderhafte Empfindung zu schildern, die mich
gefangen hielt: wie in einem fremden Lande, ohne die geringste Beschäftigung,
ohne Freund, ohne Leitung, schwarzdunkel lag das Leben vor mir; dunkler als es
je gewesen. Da warf ich mich auf einen einsamen Platz, wohin auch nicht ein
Strahl geistigen Lichts drang; finster und trüb lag die Atmosphäre auf mir.
Einige Stunden nach menschlicher Zeit schien mein abgemagertes Gehirn geruht zu
haben, dann beschloss ich, mit den unglücklichen Seelen, zu deren Gesellschaft
mein Schicksal mich verdammt hatte, zu sprechen. Es schien, als ob kein
sterbliches Auge je auf jenen Gesichtern geruht habe, keine Miene zeigte mir den
geringsten Ausdruck der Hoffnung, aber sie wies nur zu deutlich den Stempel der
Sünde auf, die das Naturgesetz verletzt. Da gab es keinen Willkommgruss, da
streckte sich keine Hand mir freundlich entgegen. Klagelaute nur und Seufzer
drangen an mein Ohr und erregten meine niedergeschlagene Seele derart, dass ich
einen entsetzlichen Schrei ausstiess und mich auf mein Gesicht warf, um nichts
mehr um mich her wahrzunehmen.
(237)
Lange Zeit brachte ich so zu, als ich plötzlich ein junges Mädchen auf mich
zukommen sah. Es war eine so von Kummer und Jammer zerfallene Gestalt, dass ich
für sie grösseres Mitleid empfand, als für mich. „Armer Mann,“ wandte sie sich
an mich „es wird dir nicht besser werden, bis du den Ausweg von hier gefunden
hast. Auch ich weile hier schon über ein langes entsetzliches Jahr. Da mein
Geliebter mir untreu geworden war, vermeinte ich nicht mehr leben zu können,
und im kühlen Fluss suchte ich meiner Verzweiflung Ende. Aber da war ich so
unglücklich, wie zuvor. Keinen Weg scheint es aus dieser Finsternis zu geben,
und jedes Mal, wenn eine gleiche Seele zu uns kommt, fühle ich mich noch
unglücklicher.“
Gespannt hatte ich ihren Worten zugehört, und die Frage quälte mich, der ich
dann auch Ausdruck gab, ob ich ewig hier bleiben müsse. „Mir ist wenigstens kein
andrer Ort bekannt,“ antwortete sie, „und wir werden hier bleiben, wenn nicht
ein Engel zu uns herabsteigt. O, wie entsetzlich ist es, selbst Hand an sich zu
legen! Ja, vermöchte ich diese unselige Tat wieder gut zu machen! Aber wie
trostlos fühlte ich mich auch, als Hans mir eines schöneren Lärvchens wegen den
Abschied gab, dass ich deshalb meinte, in den Tod gehen zu müssen, ohne auch nur
im geringsten zu ahnen, dass ich dann wit unglücklicher sein würde, als ich es
zu Hause geworden wäre. Meine armen Eltern, diese braven, ehrenhaften Leute, und
mein lieber kleiner Bruder! Als Hans mit einer vornehmen Stadtdame verlobt, von
der Hochschule zurückkehrte, da suchte ich in meinem herben Leid den Teich auf,
da wo er am tiefsten ist und der einfliessende Fluss ihn erweitert. Noch höre
ich das Jammern und Schreien meiner Mutter, als man meine Leiche nach Hause
brachte. Der Vater begab sich in stummer Verzweiflung auf sein Zimmer und
niemand vermochte aus ihm nur ein Wort herauszubringen. Einen furchtbaren
Eindruck muss mein entseelter Körper auf meinen Bruder ausgeübt haben; in der
Scheune suchte der Ärmste seine Zuflucht, bis die Zeit herangekommen war, da
meinen Leib die kühle Erde aufnahm, dort wo ich meine Grosseltern und Ahnen
ruhten. O, Gott, o Gott,“ jammerte das Mädchen, „wer hätte auch wissen können,
dass die Gesetze der Geisterwelt so strenge sind und dass die Selbstmörder zum
Elend und zur Finsternis verdammt sind. Alle die du hier siehst, sind in
gleicher entsetzlicher Lage. Niemand weiss, was ihm die Zukunft bringt. Einmal
flog ein lichter Engel durch diesen Ort, aber ich sah ihn nicht; er hätte mir
wohl einen Ausweg gezeigt. O, käme er doch noch einmal wieder; ich sehne mich
die ganze Zeit nach ihm.“ „Und solltest du ihm begegnen,“ warf ich ein, „so sage
es mir; denn ich sehne mich fort, fort von diesem grässlichen Ort, der so
unbehaglich – schaurig.“
(238/239)
Die unglückliche Seele nahm Abschied von mir und enteilte in der Richtung, woher
sie gekommen. Gern wäre ich ihr gefolgt, hätte nicht ein Mörder und Selbstmörder
mir den Weg vertreten. Bei ihm hatte eine Doppeltragödie ihr Ende genommen. Es
ist nicht möglich, das Entsetzliche, das Grauenerregende zu schildern. Wie ein
abgehetztes Wild, wirren Sinnes, jeder Hoffnung ledig, kroch er auf dem unebnen
Boden umher, meinen Fuss behindernd. Bei seiner Berührung empfand ich ein
eigenartiges Entsetzen. Als ich ihn zum Aufstehen nötigen wollte, stiess es ein
donnerndes Knurren wie ein Raubtier hervor, so dass ich durch einen Seitensprung
ihm zu entgehen suchte. Dabei stürzte ich über zwei von Jammer und Wehe umgebene
Gestalten. Je weiter ich drang, desto finsterer wurde es um mich – Stöhnen und
Seufzen drang an mein Ohr und Entsetzen verratende Gesichter , die jeder
menschlichen Ähnlichkeit spotteten, boten sich mir dar, und sie gesellten sich
zu mir. Laut stiess ich die Worte aus: „O mein Gott, wo bin ich?“ Da vernahm ich
eine Abscheu erregende Stimme neben mir: „Im Hades! Du weißt doch, dass wir alle
eigentlich noch leben und auf Eren weilen sollten. Hier scheint das
Narrenparadies zu sein. Unsere Natur war noch nicht auf die Änderung
vorbereitet, und wir tragen nun die Folgen, dass wir eigenhändig in unser
Schicksal eingegriffen. Die Rache ist mein – wehe, wer dem Naturgesetz
zuwiderhandelt, spricht der Beherrscher der Welten.“
“O mein Gott, zeige mir, wie ich von hier fortkomme.“ Aber die kreischende
Stimme antwortete wieder ebenso entsetzlich wie höhnisch: „Auf demselben Wege,
der dich hierher geführt.“ „O verspotte mich nicht,“ flehe ich, „ich fühle mich
bestraft dafür, dass ich gegen das Naturgesetz gesündigt habe. Soll hier nun men
beständiger Aufenthalt sein?“ „Seit drei Jahren weile ich hier,“ gab er zurück,
„und ich sehe noch kein Licht. Da ich des Lebens überdrüssig war, griff ich zum
Morphium, aber heute noch leide ich an starken Magenbeschwerden davon, gegen die
ich kein Mittel weiss.“ „Treibe nicht deinen Scherz mit so ernsten Dingen,“
sagte ich, „wie kann man einer ernsten Frage so wenig Wert beilegen.“ „Ich würde
mich glücklich schätzen,“ antwortete der andere, „wenn ich hier alles in Licht
setzen könnte, denn in der Dunkelheit ist nicht mehr weiter zu leben. Mich dünkt
es, dass wir uns noch auf der Erde befinden, dass indessen das Tageslicht nicht
zu uns dringen kann, bis wir die Zeit gelebt haben, die wir auf Erden noch
zuzubringen hatten. Das ist so meine Ansicht, zu der ich hier allmählich
gekommen bin. Möchtest du nicht einige unserer interessantesten Nachbarn sehen?
Fasse mich bei der Hand und lass uns gehen. „Ich gehe mit, ich möchte auch meine
Umgebung kennen lernen,“ erklärte ich, wiewohl ich mit Grausen daran dachte,
welch neues Entsetzen sich mir bieten werde.
(240)
Umherirren in
der Finsternis
Ohne ein Wort zu sprechen gingen wir auf einer abschüssigen Fläche abwärts, dann
wandten wir uns nach links und stolperten einen steilen Abhang hinunter. Wir
gelangten in eine enge Höhle mit dämonenhaften Wesen. Wie Reptilien krochen
einige heran, andere sahen aus wie unbekannte Tiere; alle Ähnlichkeit mit
einem Menschen war ihnen abhanden gekommen. Und fragt ihr, was sie dort tun?
Zeit töten, das ist vielleicht die richtige Antwort. Diese Wesen hier hatten
keinen Selbstmord begangen, sie waren Verbrecher anderer Art in grösserem oder
kleinerem Masse gewesen. Ohne irgendwelches Streben oder geistige Fähigkeiten
lagen sie untätig umher, zu müssig, um uns gefährlich zu sein.
(241)
Ob ich im Laufe der Zeit auch einen solchen Ausdruck annehmen würde? War ich
verurteilt, zur Sühne meines Verbrechens nun beständig unter diesen Geschöpfen
zu weilen? Mein Gefährte schien mir nicht so abstossend zu sein, obwohl er doch
viele Jahre hier gelebt hatte. Sollte ich ein solch scheussliches und ekelhaftes
Wesen werden, all mein Mitgefühl, alles menschenwürdige Aussehen verlieren? Ich
flehte zu Gott, er möge mir einen Weg zeigen, meinem Schicksal zu entfliehen.
Ich wandte mich mit einigen Worten an die trägen Geschöpfe. Starr und blöde
sahen sie mich an, aber keines antwortete.
Mich an meinen Begleiter haltend, drängte ich wegzukommen und schleunigst
klommen wir die Anhöhe wieder hinauf, und ohne Rast eilten wir schweigend dahin
zu einem andern Aufenthaltsort. In einer elenden Hütte lagen auf dem Fussboden
drei Geschöpfe, die einst wohl Menschen gewesen, jetzt aber als solche kaum mehr
zu erkennen waren. Eines von ihnen bewegte seinen lose herabbaumelnden Kopf hin
und her unter Fluchen, wobei er seinem Kläger Tod und Teufel auf den Hals
wünschte. Das andere Geschöpf schien in einem unruhigen Schlaf dazuliegen und
fuhr erschreckt in die Höhe, wenn es von den beiden andern berührt wurde. Das
dritte, ein Wahnsinniger, mit schwarzem, eingeschrumpften Gesicht, liess seine
überlangen Arme in wilder Wut in der Luft herumfahren. Ein entsetzlicher
Anblick, bei dem mir alle Lust verging, etwas zu fragen; nach einiger Zeit wurde
mir jedoch näheres bekannt.
Der erste hatte aus Eifersucht seiner getreuen Frau den Hals abgeschnitten und
war deshalb hingerichtet worden. Von niederem Intellekt und ohne moralische
Begriffe, hegte er selbst im Jenseits nur den einen Gedanken, Rache zu nehmen.
Da ihm der Wunsch sich zu bessern fern lag, und er im Gegenteil nur noch bösere
Gedanken ausspann, so kontrastierte seine Umgebung nicht mit ihm. Er selbst sah
aus wie ein Schwein, es fehlten nur die Borsten. Auf Erden wird man kaum
solch scheussliche Gestalten treffen: das Gesicht von dem Ausdruck gemeiner
Leidenschaft und roher Grobheit entstellt, mit niederer, finsterer Stirn, dem
Zeichen der Beschränktheit, die Augen stechend, Wut und Rache verratend.
(242)
Das schlafende Geschöpf war auf Erden ein Schankwirt gewesen, der seine Genossen
und Gäste mit schädlichen Getränken vergiftet hatte, bis er selbst in einem
Streit erschlagen wurde. Der Wahnsinnige einstmals ein Räuber, der seinen
Verstand niemals gebraucht hatte und ihn darum jetzt völlig verlor, glaubte mit
seinen blutbefleckten Händen seine Opfer beständig erwürgen zu müssen.
Weil ich das irdische Leben für eine Last hielt, hatte ich jene unglückselige
Tat begangen, die mich nun in diese elende Gesellschaft brachte, die mich mein
früheres Schicksal nur als ein Kinderspiel ansehen liess. Ich war auf Erden kein
wirklich schlechter Mensch gewesen, aber ich hatte selbst mein Lebenslicht zu
früh ausgelöscht und darum befand ich mich nun in einer Finsternis, wo nur
scheussliche Dämonen hausten. Hatte ich doch meinen Lebenspfad plötzlich
verloren. Geistig entwickelte Wesen fand ich nur wenige; sie hatten sich zum
Teil, wie das erwähnte junge Mädchen, in Gefahr gestürzt, und der „Magenkranke“
– diesen Namen legte sich mein Begleiter selbst zu – war trotz seines zynischen
Wesens doch nicht bösartig.
(243)
Endlich eine
heiss ersehnte Wendung
Es mochten wohl sieben Jahre nach meiner Berechnung verflossen sein, als ich zum
erstenmal Licht bemerkte. Um so viel wie möglich allein zu sein, hatte ich mich
an eine ganz abgelegene Stelle begeben, die wilde, rohe und aufrührerische
Gesellschaft um mich herum brachte mich fast zur Verzweiflung und in einen
Zustand, der mich zu vernichten drohte. Es wurde mir allmählich klar, dass es
einem Boten der Liebe und des Lichtes wohl sehr schwer sein müsse, in diese
Sphäre einzudringen. Nur durch das völlige Aufgeben eigener Glückseligkeit würde
es möglich sein, Licht in diese Finsternis zu bringen, diese liebelosen und
gemeinen Wesen aus ihrem Elende zu befreien. Und es ist erklärlich, dass nur
jene zur Erlösung kommen, die selbst durch beständiges, aufrichtiges, inniges
Bitten und Flehen zur Gottheit, in reinere Sphären emporgezogen zu werden, die
Wesen der Liebe und des Lichtes herbeirufen, und wem dann endlich der weisse
Bote der Erlösung erscheint, ihm milde und gütig zulächelt, der erhebt sich wie
ein genialer Gedanke aus unserer Gefangenschaft zu höheren, lichteren Sphären.
So erschien er dann endlich auch uns, und nach unserer langen Gefangenschaft
dünkten wir uns im Paradies, und die Liebe, Güte und Sympathie, die wir in
dieser helleren Sphäre fanden, liessen jede noch vorhandene Härte unseres Wesens
in Milde übergehen.
(244)
Werden diese meine Worte wohl einem verzweifelten Herzen zur Warnung
denen und es vor dem schrecklichen wahnsinnigen Entschluss des Selbstmordes
zurückschrecken lassen? Mein aufrichtiger Wunsch ist es; möge ihm keine Last zu
schwer dünken, um sie geduldig zu tragen, bis die Zeit der Erlösung vom
irdischen Körper und vom irdischen Elend von selbst kommt. Kein Ungemach kann
unserer Seele dadurch genommen werden, dass man den Leib tötet; ein magnetisches
Band fesselt die Seele an die Erde. Nur noch unerträglicher machen wir das
Ungemach, dem wir entrinnen wollen, und grössere Schwierigkeiten stellen sich
allen entgegen, die sich freiwillig in die Welt der Geister stürzen. Millionen
unglücklicher Seelen irren hier verzweifelt und kummerbeladen umher, es fehlt
ihnen die Anpassung, die sie sich bis zu ihrem natürlichen Tode erworben haben
würden. Und selbst jetzt, da ich in lichteren Sphären weilen darf, bin ich, wenn
auch viel glücklicher als anfangs, doch nicht so glücklich, als wenn ich mein
Elend auf Erden ruhig ertragen hätte; ich empfinde, dass ich nicht höher kommen
kann, da meine irdische Lebenszeit noch nicht abgelaufen ist und ich unter den
Menschen selbst doch keinen Platz mehr einnehmen kann.
Durch diese Warnung hoffe ich mein Gemüt zu erleichtern, mein Herz zu beruhigen.
Als ich, durch das Medium angezogen, in euren Kreis trat, übertrug ich
unwillkürlich euch etwas vom Zustand meiner Vergangenheit, wodurch ich euch
leibliches und geistiges Unbehagen schuf; ich bitte, mir dies gütigst zu
verzeihen. Ich fühle mich nun angenehmer, und mit viel leichterem Herzen, als
ich es je seit meiner elenden Tat empfunden, kehre ich zurück.
(245)
Oft sagen Verstorbene zu ihren zurückgelassenen Lieben: Wir sind
glücklich und dabei sind sie es nicht im geringsten. Sie sagen dies nicht
nur, um die Hinterbliebenen nicht noch mehr in Trauer zu versetzen, sondern auch
oft, um die Verwandten auf Erden nicht darüber aufzuklären, wie erbärmlich elend
es ihnen seit ihrem Tode ergangen ist und noch ergeht.
Und aus diesem Grund will ich auch meinen früheren Namen nicht unter diese
Botschaft setzen, weilt ja noch eine Person auf Erden, übe welche ich dadurch
grosses Herzeleid bringen würde, dies ist der einzige Grund, weshalb ich ihn
nicht bekannt geben möchte. Doch hielt ich es für meine Pflicht, diese
Mitteilung zu machen, damit Menschen, die mit dem Gedanken umgehen, sich auch
selbst das Leben zu nehmen, davor zurückscheuen und meinem Schicksal entgehen.
Ihr ahnt nicht, was ich durch das schreckliche Leben und die böse Umgebung
auszustehen hatte. Männer und Weiber, die ihr dies hört, nehmet euch niemals
eigenmächtig das Leben. Dies ist der Wunsch einer reuigen Seele.“
Eine Frau, die sich aus Gram über den Tod ihres Mannes erschossen,
berichtet folgendes über ihr Ergehen im Jenseits:
Ich liebte meinen Mann so wahnsinnig, dass es mir unerträglich erschien, ohne
ihn leben zu können. Während man ihn begrub, erschoss ich mich. Als ich meinen
blutenden Leichnam vor mir liegen sah, erstarrte ich vor Schreck. Ich konnte
nicht fort vom Leichnam; ich war wie angebunden. Ich sah, wie man die Wunde
wusch, hörte wie sie weinten und jammerten. Ja, ich war wirklich tot und kalt.
Freude durchzuckte mich, dass ich nu meinen geliebten Mann finden würde. Als
meine erste Betäubung vorüber war, konnte ich mich bewegen, ich rief nach ihm,
doch er kam nicht. Wo ist er? Wie furchtbar gross und weit ist das All; wie
viele Millionen Sterne gibt es da! In welchem Stern ist er wohl? Soll ich ihn
denn eine Ewigkeit suchen? Ich bin verzweifelt! Also hat mein Selbstmord gar
nichts geholfen, denn ich bin nicht bei ihm.“
(246)
Nach einiger Zeit fand sie ihn, konnte aber wegen der ungleichen Beschaffenheit
ihrer geistigen Körper nicht bei ihm bleiben.
Ich füge diesen Mitteilungen noch einige beachtenswerte Bemerkungen des
Verfassers der Broschüre bei. „Das Gesetz der geistigen Wahlverwandtschaft
offenbart sich im Jenseits in voller Stärke. Alle, die gleiche Taten aus
gleichen Gründen getan haben, leben in gleichem Zustand. Jeder zeigt sich wie er
ist. Verstellung gibt es da nicht mehr, wo einzig die moralische Beschaffenheit
gilt. Orden, Titel, Gold, die auf Erden einen Schurken zum angesehenen Mann
machen können, täuschen hier niemand mehr; der Wert des Menschen zeigt sich
untrüglich in seiner Farbe und Gestalt. Hässlich und schwarz, dem Tiere ähnlich,
erscheinen die niederen Menschen, schön und licht die höher entwickelten
Geister. Wunderbar recht hat die Sprache, wenn sie Ausdrücke schafft, die wir
bildlich zu nehmen gewohnt sind. Die Redensarten „schwarze Seele“, „schwarze
Gedanken“, sind mehr als willkürlich zusammengesetzte Worte. Gutes erscheint im
Jenseits wirklich als licht und hell, Böses als dunkel und schwarz. Die Sprache
schöpfte aus dem metaphysischen.“
(247)
Diesen Bemerkungen möchte ich noch beifügen, dass solche, die in
Geistesumnachtung oder auch von schweren satanischen Anfechtungen überwältigt
sich das Leben nehmen, nach Gottes gerechtem Urteil gewiss ein anderes Los
treffen wird, als solchen, die bei klarem Verstand die verhängnisvolle Tat
begehen.
Mögen die Offenbarungen aus dem Reich der Finsternis, die wir in der erwähnten
Broschüre erhalten die Leser anspornen, im untrüglichen Wort Gottes sich den Weg
weisen zu lassen, wie wir geschickt werden, bei unserem Abscheiden aus der
irdischen Welt Aufnahme zu finden in die himmlische Welt des Lichtes und des
Friedens, in die uns die mitgeteilten Erfahrungen so erhebende Blicke gewähren!
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Ende des Buches |