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 Pfr.iJ.Chr.
 Blumhardt

Der Geisterkampf in Möttlingen

 

 

Anmerkung 

Nachfolgender Aufsatz wurde im August 1844 der Königlich Württembergischen Oberkirchenbehörde auf deren Verlangen «in der Eigenschaft einer vertraulichen Mitteilung» übergeben, kam aber ohne Wissen des Unterzeichneten durch Abschriften in Umlauf.

Um die letzteren zu verdrängen, wurde der Aufsatz nach sechs Jahren lithographiert, da er vielfältig verbessert erscheint. Indessen wünscht der Unterzeichnete immer noch nicht weitere Verbreitung des Aufsatzes und bittet daher jeden Leser um freundliche Berücksichtigung seines wohlüberlegten Wunsches.

Joh. Christoph Blumhardt

 


Vorwort

(An das Königliche Konsistorium.)

Indem ich mitfolgenden Aufsatz einer hochpreislichen Oberkirchenbehörde übergebe, fühle ich mich zu der Erklärung gedrungen, dass ich noch gegen niemand so kühn und unumwunden über meine Erfahrungen mich ausgesprochen habe. Ich werde mit verschiedenen Augen selbst von meinen besten Freunden angesehen, und eben letztere haben mich in die peinliche Lage versetzt, gegen sie ganz schweigen zu müssen, weil es ist, als ob sie eine Gefahr fürchteten, wenn sie nur auch davon hörten, wiewohl ich ihnen auch dafür Dank schuldig bin, dass sie fortgehend während der Zeit meines Kampfes für mich zitterten. War daher bei weitem das meiste bisher Geheimnis geblieben, das ich in meiner Brust bis ins Grab unenthüllt bewahren könnte, so stand es mir völlig frei, für diesen Aufsatz beliebige Auswahl zu treffen; und es wäre mir eine Kleinigkeit gewesen, eine Darstellung zu geben, die sich ohne allen Anstoss hätte können von jedermann lesen lassen. Das konnte ich aber nicht über mich bringen; und obwohl ich fast bei jedem Abschnitt zittern wollte, ob es nicht übereilt und unvorsichtig wäre, alles so bar herauszusagen, so lautete es doch immer wieder in mir: «Heraus damit!» So sei es denn gewagt, und ich tue es auf den Namen Jesu hin, der Sieger ist. Eben hier ehrlich und offen zu sein, achte ich nicht nur als Schuldigkeit gegen meine hochverehrte Oberkirchenbehörde, welche alles Recht auf meine Offenheit verdient hat, sondern auch gegen meinen Herrn Jesum, dessen Sache allein es ist, die ich zu verfechten hatte. Indem ich aber hier zum ersten Male mich ohne Rückhalt ausspreche, liegt mir freilich der Wunsch nahe, es möchten diese Mitteilungen mehr als Privatmitteilungen angesehen werden, als lege ein vertrauter Freund seine Geheimnisse in den Schoss seiner Freunde nieder. Ich habe nicht einmal eine leserliche Abschrift von dem Aufsatze ;

und schwerlich werde ich ihn sobald jemandem vorzulesen mich bewogen fühlen. Um so mehr möchte meine Bitte, wenigstens vorderhand Öffentlichkeit zu verhüten, Rücksicht verdienen. Ich habe nur zweimal Umständliches, jedoch nur Äusserliches erzählt, einmal in Calw, das andere Mal in Vaihingen vor freundlich scheinenden Kollegen, und wenigstens an letzterem Orte die Finger verbram1t. Dass ich aber sonst das Licht nicht scheue, beweist dieser Aufsatz.

Eine zweite Bitte möchte auch verzeihlich sein: Es mögen die verehrten Leser öfters das Ganze lesen, ehe sie ein Urteil fällen. Indessen vertraue ich dem, der die Herzen in seiner Gewalt hat; und wie auch die Urteile ausfallen mögen, so bleibt mir die Beruhigung, ohne Hehl die Wahrheit gesprochen zu haben, und obendrein die felsenfeste Gewissheit:

Jesus ist Sieger“. 

 

Im 1. Teil beginnt Pfarrer Joh. Christoph Blumhardt den Erlebnis-Bericht wie folgt:

 

„...Die Sache wurde Ortsgespräch..., verbreitete sich in der ganzen Umgebung...“

Genannte Gottliebin Dittus ist ledig, ohne Vermögen, 28 Jahre alt, und bewohnt seit vier Jahren gemeinschaftlich mit drei gleichfalls ledigen Geschwistern, unter welchen ein halbblinder Bruder ist, sämtlich älter als sie, ein geringes Parterrelogis in Möttlingen. Ihrem glücklichen Talente und der treuen Erziehung christlicher Eltern verdankte sie es, dass sie auch bei minder gut bestellter Schule gute Kenntnisse erhielt; und der Unterricht, den sie durch meinen Vorgänger, Pfarrer Dr. Barth, jetzt in Calw wohnhaft, erhielt, brachte eine gute christliche Unterlage in ihr Herz. Nach der Schulzeit hatte sie wohl auch anfangs Hang zur Welt, stand aber stets in unbescholtenem Rufe. Sie diente an verschiedenen Orten und steht noch jetzt in ihren Diensthäusern, namentlich in Weil der Stadt, wo sie acht Jahre war, um ihrer bewiesenen Treue willen im besten Andenken.

Durch eine eigentümliche Krankheit, die Nierenkrankheit, die sie in den Jahren 1836 bis 1838 durchmachte, gerade vor meiner Anstellung allhier, die im Juli 1838 erfolgte, und bei welcher durch die Verwendung des Pfarrers Dr. Barth und Vikars Stotz viele und angesehene Arzte sich an ihr versuchten, wurde ihr Christensinn entschiedener und ernster. Sie blieb seitdem hier und führte mit ihren Geschwistern ein stilles, zurückgezogenes Leben, um ihrer gediegenen christlichen Erkenntnis willen geachtet und geliebt. Es blieben ihr von der Krankheit manche körperlichen Gebrechen, die meist Bezug auf den Unterleib hatten, dass sie z. B. das Wasser nie ohne ein vom Arzt erhaltenes Instrument lösen konnte, neben dem, dass sie infolge der Krankheit einen kürzeren Fuss, eine hohe Seite, Magenübel usw. behielt.

Schon mit dem ersten Eintritt in obiges Logis, das sie im Februar 1840 bezog, glaubte Gottliebin, wie sie später erzählte, eine eigentümliche Einwirkung auf sich zu verspüren, als sähe und hörte sie manches Unheimliche im Haus. Letzteres entging auch ihren Geschwistern nicht. Gleich am ersten Tage, als sie zu Tisch betete: Komm, Herr Jesu usw ., bekam sie einen Anfall, bei dem sie bewusstlos zu Boden fiel. Was man hörte, war ein häufig wiederkehrendes, bisweilen die ganze Nacht fortdauerndes Gepolter und Geschlürfe in der Kammer, in Stube und Küche, das die armen Geschwister oft sehr ängstigte, auch die oberen Hausleute beunruhigte, wiewohl alle sich scheuten, irgend etwas davon kundwerden zu lassen. Gottliebin erfuhr noch besondere Dinge an sich, dass ihr z. B. bei Nacht gewaltsam die Hände übereinander gelegt wurden, dass sie Gestalten, Lichtlein usw. erblickte; ja aus ihren Erzählungen geht hervor, dass die späteren Besitzungen schon in jener Zeit ihren Anfang bei ihr genommen hatten. Sie hatte von jener Zeit an etwas Widerliches und Unerklärliches in ihrem Benehmen und eine zurückstossende Art, die vielfältig missfiel; doch liess es jedermann so gehen, da nach der armen Waisenfamilie weiter niemand viel fragte und Gottliebin mit ihren besonderen Erfahrungen höchst verschwiegen war. Erst im Herbst 1841 kam letztere, da ihre nächtlichen Anfechtungen und Plagen einen immer höheren Grad erreichten, zu mir ins Pfarrhaus, sprach aber nur in allgemeinen Ausdrücken von ihren Anfechtungen, so dass ich darüber nicht recht klar wurde, ihr auch wenig Befriedigendes sagen konnte. Indessen bekannte sie aus freien Stücken einiges aus ihrem früheren Leben, indem sie durch dieses Bekenntnis von den erwähnten Anfechtungen frei zu werden hoffte. Im Dezember jenes Jahres bis in den Februar 1842 hinein litt sie an der Gesichtsrose und lag sehr gefährlich krank. In der ganzen Krankheit aber mochte ich sie nicht viel besuchen, weil mich ihr Benehmen abstiess, indem sie, wenn sie mich sah, beiseite blickte, meinen Gruss nicht erwiderte, wenn ich betete, die vorher gefalteten Hände auseinander legte, überhaupt meinen Worten gar keine Aufmerksamkeit schenkte, ja fast besinnungslos schien, was sie doch vor und nach meinem Besuche nicht war. Ich glaubte sie damals eigensinnig, selbstgerecht, geistlich stolz, wofür man sie auch anderwärts zu halten anfing, und blieb lieber weg, als mich lauter Verlegenheiten auszusetzen. Indessen genoss sie treue ärztliche Behandlung, und am Ende erholte sie sich wieder .

Endlich im April 1842 erfuhr ich zum ersten Male durch zwei ihrer Verwandten, die mich um Rat fragen wollten, etwas Näheres von dem Spuk im Hause, der bereits nicht mehr verschwiegen werden konnte, weil das Gepolter der ganzen Nachbarschaft bemerklich wurde. Gottliebin sah damals ganz besonders häufig die Gestalt eines zwei Jahre vorher verstorbenen Weibes von hier mit einem toten Kinde auf den Armen. Dieses Weib, erzählte sie (den Namen verschwieg sie vorsichtig und sagte ihn nur mir später), stehe immer auf einer gewissen Stelle vor ihrem Bett, bewege sich zuweilen zu ihr her und wiederholte oft die Worte : «Ich will eben Ruhe haben», oder: «Gib mir ein Papier, so komme ich nicht wieder» usw. Nun wurde ich gefragt, ob man ein Näheres bei der Gestalt erfragen dürfe. Mein Rat war, Gottliebin dürfe sich durchaus in kein Gespräch mit der Gestalt einlassen, um so mehr, da man nicht wisse, wie viel Selbsttäuschung mit unterlaufe. Es sei jedenfalls gewiss, dass man in entsetzliche Verirrungen und Torheiten geraten könne, wenn man mit der Geisterwelt sich einlasse; sie solle ernstlich und gläubig beten, so werde die Sache nach und nach von selbst aufhören. Eine Freundin wagte es auf meine Bitte (denn eine der Schwestern diente damals auswärts, auch der Bruder war selten da, und die andere Schwester konnte nicht genügen), bei ihr zu schlafen, um ihr Gemüt womöglich von jenen Dingen abzulenken. Das Gepolter wurde auch von dieser gehört, und endlich entdeckten sie, durch einen Lichtschimmer geleitet, unter einem Bett an der Oberschwelle der Kammertüre einen russigen halben Bogen Papier, der überschrieben, aber um des darauf geschmierten Russes willen unleserlich war. Daneben fanden sie drei Kronentaler und etliche Sechsbätzner, je besonders in Papiere eingewickelt, die inwendig gleichfalls mit Russ überzogen waren. Jene Schrift schien ein Rezept vielleicht von geheimer Kunst zu sein. Von da an war es etwa 14 Tage ruhig im Hause. Allein das Gepolter fing wieder an; und ein auf dem Boden hinter dem Ofen flackerndes Licht deckte allerlei Sachen auf, die da vergraben waren ( denn unmittelbar unter dem Stubenboden ist die Erde). Man fand eine Schachtel mit Kölbchen, Kreide, Salz, Knochen usw ., ferner mit kleinen, vieleckigen Papierchen, mit Pülverchen, auch anderen Papieren, in welche je drei bis vier Sechser eingewickelt waren, alles durch Russ aufs hässlichste entstellt. Was einer Untersuchung unterworfen werden konnte, wie die Pülverchen, wurde später vom Oberamtsarzt und einem Apotheker in Calw chemisch untersucht. Beide aber fanden nichts Besonderes darin, und alles Entdeckte ausser dem Geld verbrannte ich in der Folge, in der Meinung, dass der wunderlichen Sache dadurch ein Ende gemacht werden könnte, was aber keineswegs der Fall war .

Unterdessen nahm das Gepolter so überhand, dass alle Leute dadurch aufgeregt wurden. Denn es liess sich am hellen Tage wie in der Nacht hören, oft, wenn niemand in der Stube war, da Vorbeigehende dadurch erschreckt wurden, am meisten, wenn Gottliebin drinnen war, indem es vor ihr und hinter ihr selbst auf dem Tische, diesen gewaltsam erschütternd, in Gegenwart anderer niederprallte. Der Arzt, Dr .

Späth in Merklingen, der sie stets mit Teilnahme behandelte, und dem sie allein bisher manches im Vertrauen mitgeteilt hatte, blieb zweimal in der Stube über Nacht nebst anderen neugierigen Personen; und was er erfuhr, übertraf seine Erwartungen. Die Sache wurde nicht nur Ortsgespräch, sondern verbreitete sich in der ganzen Umgegend, so dass selbst Reisende die Neugierde hierher trieb. Endlich entschloss ich mich, solch grosses Aufsehen fürchtend, mit dem Schultheissen, dem Teppichfabrikanten Kraushaar, einem verständigen, nüchternen und gottesfürchtigen Mann, und etlichen Gemeinderäten, zusammen sechs bis acht Personen, nach einer geheimen Verabredung eine nächtliche Untersuchung im Hause vorzunehmen. Wir verteilten uns je zwei in und um das Haus und kamen unerwartet gegen 10 Uhr abends. Ein junger, verheirateter Mann, Mose Stanger, ein Verwandter der Gottliebin, durch christliche Erkenntnis ausgezeichnet und auch sonst im besten Rufe stehend, später meine treueste Stütze, war vor uns dahin gegangen. Schon bei meinem Eintritt in die Stube kamen mir zwei gewaltige Schlagtöne aus der Kammer entgegen. In kurzer Zeit erfolgten ihrer mehrere; und Töne, Schläge, Klopfen der verschiedensten Art wurden gehört, meist in der Kammer, wo Gottliebin angekleidet auf dem Bett lag. Die anderen Wächter draussen und im oberen Stock hörten alles und sammelten sich nach einiger Zeit im unteren Logis, weil sie sich davon überzeugten, dass alles, was sie hörten, hier seinen Grund haben müsse. Der Tumult schien grösser zu werden, besonders als ich einen geistlichen Liedervers zu singen angab und einige Worte betete. In drei Stunden wurden gegen 25 Schläge auf eine gewisse Stelle in der Kammer vernommen, die so gewaltig waren, dass der Stuhl daselbst aufsprang, die Fenster klirrten und Sand von der Oberdecke niederfiel und fernere Ortsbewohner an ein Neujahrsschiessen erinnert wurden. Daneben liessen sich schwächere und stärkere Töne, oft wie ein Spiel mit den Fingern, oder ein mehr oder weniger regelmässiges Umhertüpfeln vernehmen, und man konnte dem Ton, der unter der Bettlade hauptsächlich zu entstehen schien, mit der Hand nachfahren, ohne im geringsten etwas zu bemerken. Wir versuchten es mit und ohne Licht, was keine Veränderung brachte, doch erfolgten die stärksten Schläge in der Kammer nur, wenn wir alle in der Stube waren, wobei aber einer unter der Türe deutlich die Stelle, worauf sie fielen, unterscheiden konnte. Es wurde alles aufs genaueste untersucht, aber ein Erklärungsgrund konnte auf keinerlei Weise gefunden werden. Endlich gegen 1 Uhr, da wir gerade in der Stube waren, rief mich Gottliebin zu sich und fragte, ob sie, wenn sie eine Gestalt sehe, sagen dürfe, wer es sei; denn sie höre bereits ein Schlürfen. Das schlug ich rund ab; aber es war mir des Untersuchens schon zu viel geworden, und ich wollte es nicht darauf ankommen lassen, dass von so vielen Personen nun auch Unerklärliches gesehen werde. Ich hiess sie daher aufstehen, hob die Untersuchung auf und sorgte dafür, dass Gottliebin alsbald in einem anderen Hause Unterkunft fand. So schieden wir vom Hause. Der halbsehende Bruder aber wollte nach unserem Abschied noch manches gehört und gesehen haben. Merkwürdig aber ist, dass gerade in jener Nacht die Unruhe am gesteigertsten war.

 

Teil 2: Es vergingen mehrere Wochen, ehe das Geschrei in der Umgebung sich verlor...

 

Der folgende Tag war ein Freitag, und in dem Gottesdienst dieses Tages erschien auch Gottliebin.

Eine halbe Stunde danach entstand vor ihrem Hause ein ungeheurer Zusammenlauf, und ein Bote meldete mir, dass sie in einer tiefen Ohnmacht liege und dem Tode nahe sei. Ich eilte hin und fand sie ganz starr auf dem Bett liegend, die äussere Haut am Kopf und an den Armen glühend und zitternd, sonst dem Ansehen nach am Ersticken. Die Stube war gedrängt voll, und ein Arzt von einem Nachbarorte, der eben im Dorfe war, war auch hergesprungen, versuchte etliches, sie zum Leben zu bringen, ging aber bald kopfschüttelnd weg. Nach einer halben Stunde erwachte sie, und ich vernahm im stillen von ihr, dass sie nach der Kirche in der Kammer die Gestalt des Weibes mit dem toten Kinde gesehen habe, aber alsbald bewusstlos umgefallen sei. Nachmittags wurde sodann an der Stelle, auf welche die Schläge gefallen waren, nachgegraben, indem die Bodenbretter unbefestigt über der Erde lagen. Es geschah durch vertraute Männer in meiner Gegenwart. Als Mose Stanger mit der Hand die Stelle berührte, die man vorzüglich suchte, sah man ein Flämmchen daselbst aufflackern, und Mose fuhr zurück. Beim Nachforschen fand man hier zuerst etliche Papierchen, wie die oben erwähnten, nebst Pülverchen und Geldpäckchen, endlich einen Topf, der den Boden eines anderen zum Deckel hatte und kleine Gebeinchen, unter Erde vermischt, enthielt. Die Gestalt mit dem toten Kinde hatte bereits die Sage verbreitet, sie stelle eine Kindsmörderin vor, deren totes Kind man wohl im Boden finden könne; und der Totengräber, der dabei war, wollte wirklich die Gebeine, an denen sogar noch Fleisch zu sehen war, für Kindsbeinchen erkennen. Um allem Unangenehmen vorzubeugen, packte ich alsbald das Gefundene zusammen und fuhr damit in Begleitung des Schultheissen zum Oberamtsarzt, Herrn Dr. Kaiser , nach Calw, dem wir alles offen erzählten, der aber nach einiger Zeit die Gebeine für Vogelbeine erklärte.

So deutete alles bisher Gefundene darauf hin, dass hier einmal eine gewisse Schwarzkunst müsse wenigstens versucht worden sein, über welche jetzt Verstorbene in Unruhe waren. Denn gerade Vögel, wie ich nun vernahm, und besonders Raben, werden häufig vom Volke zu heimlichen Künsten auf abergläubische Weise benützt.

Es lag mir nun vor allem daran, alles Aufsehen für immer zu unterdrücken. Ich verschaffte der Gottliebin einen Ort bei einer ihrer Basen, später bei ihrem Vetter, dem Vater des Mose, dem Gemeinderat Johann Georg Stanger, der zugleich ihr Taufpate ist und eine zahlreiche Familie hat (es waren damals vier erwachsene Töchter und zwei Söhne zu Hause), deren sämtliche Glieder christlich gesinnt sind und jetzt sehr teilnehmend waren, daneben auch die strengste Verschwiegenheit beobachteten. Zugleich begehrte ich von ihr, bis auf weiteres möglichst ihr eigenes Haus nicht zu betreten, in das sie auch wirklich erst in der Mitte des folgenden Jahres wieder einzog. Von der Sache durfte kein besonderes Wesen mehr gemacht werden, und ich nahm mir vor, ganz im stillen mit dem Schultheissen und einigen anderen verständigen Männern bisweilen Besuche bei ihr zu machen, um zu sehen, was es werden wolle. Besonderes Grauen hatte ich vor Erscheinungen des Somnambulismus, die so häufig ein ärgerliches Aufsehen erregen und so wenig Gutes bisher geschafft haben; und da immerhin ein geheimnisvolles und gefährliches Feld sich hier eröffnete, so konnte ich nicht umhin, in meinen einsamen Gebeten die Sache dem Herrn zu befehlen, ihn bittend, doch ja vor allen Torheiten und Verirrungen, in welche man verwickelt zu werden versucht sein könnte, mich und andere zu bewahren. Als sich die Sache ernstlicher entwickelte, hielt ich besondere Gebete und Besprechungen auf meinem Zimmer mit dem Schultheissen und Mose; und ich kann wohl sagen, dass hierdurch ein nüchterner Sinn unter uns erhalten wurde, der allein ein glückliches Ende uns versprechen konnte. Es vergingen indes mehrere Wochen, ehe das Geschrei in der Umgegend sich verlor; und viele Fremde kamen, das Haus zu besuchen. Manche wollten auch darin übernachten, um sich von der Wahrheit des in Umlauf Gekommenen zu überzeugen. Allein das Haus wurde sorgfältig verwahrt, was um so leichter geschehen konnte, als der Dorfschütze gegenüber wohnt; und Anfragen bei mir, wie einmal von drei katholischen Geistlichen der badischen Nachbarschaft, die etliche Stunden der Nacht in der Stube zubringen wollten, wies ich aufs entschiedenste zurück. Allmählich wurde es stiller; und alles Nachfolgende ist ausser Kenntnis der Gemeinde geblieben, die zwar immer merkte, dass es noch nicht richtig sei, dass hie und da, doch nur selten denn die Leute fürchteten sich -, etliche Glieder vor dem Hause auflauerten, auch mich bisweilen sehr bemitleideten, im ganzen aber bis auf den heutigen Tag nichts Gewisses und Zusammenhängendes wissen.

Das Gepolter in dem Hause hörte erst zu Anfang dieses Jahres (1844) ganz auf und war namentlich an den monatlichen Buss- und Bettagen unserer Kirche besonders heftig. Auch wurden stets verschiedene Gestalten wahrgenommen, wie auch an der Wand hinschleichende Lichtlein, was ich dahingestellt sein lasse, da ich selbst niemals etwas gesehen habe.

 

Teil 3: Dämonisches hier im Spiele

 

Oben erwähnte Untersuchung fand am 3. Juni 1842 statt. Bald hörte ich, dass das Gepolter um die Gottliebin auch in dem anderen Hause, das sie bewohnte, fortdaure, und dass sie gewöhnlich, so oft man etwas hörte, bald darauf in heftige Konvulsionen verfalle, die immer stärker und andauernder würden, so dass sie öfters kaum fünf Minuten dazwischen hinein frei wäre. Ich besuchte sie als Seelsorger, wobei sie erklärte, es schwebe etwas vor ihren Augen, das sie starr mache; und wenn ich mit ihr betete, wurde sie bewusstlos und sank aufs Bett zurück. Einmal sah ich sie in den Krämpfen, da eben der Arzt anwesend war.

Ihr ganzer Leib zitterte, und jeder Muskel am Kopfe und an den Armen war in glühender Bewegung, wiewohl sonst starr und steif. Dabei floss häufig Schaum aus dem Mund. So lag sie schon mehrere Stunden da, und der Arzt, der nichts Ähnliches je erfahren hatte, schien ratlos zu sein. Doch erwachte sie plötzlich, konnte sich aufrichten, Wasser trinken; und kaum mochte man es glauben, dass sie die nämliche Person wäre. So ging es noch einige Tage fort.

An einem Sonntagabend kam ich wieder zu ihr, als mehrere Freundinnen anwesend waren, und sah schweigend den schrecklichen Konvulsionen zu. Ich setzte mich etwas entfernt nieder. Sie verdrehte die Arme, beugte den Kopf seitwärts und krümmte den Leib hoch empor, und Schaum floss abermals aus dem Munde. Mir war es klar geworden, dass etwas Dämonisches hier im Spiele sei, nach den bisherigen Vorgängen; und ich empfand es schmerzlich, dass in einer so schauderhaften Sache so gar kein Mittel und Rat solle zu finden sein. Bei diesen Gedanken erfasste mich eine Art Ingrimm; ich sprang vor, ergriff ihre starren Hände, zog ihre Finger gewaltsam, wie zum Beten, zusammen, rief ihr in ihrem bewusstlosen Zustande ihren Namen laut ins Ohr und sagte: «Lege die Hände zusammen und bete: Herr Jesu, hilf mir! Wir haben lange genug gesehen, was der Teufel tut; nun wollen wir auch sehen, was Jesus vermag! » Nach wenigen Augenblicken erwachte sie, sprach die betenden Worte nach, und alle Krämpfe hörten auf, zum grossen Erstaunen der Anwesenden. Dies war der entscheidende Zeitpunkt, der mich mit unwiderstehlicher Gewalt in die Tätigkeit für die Sache hineinwarf. Ich hatte vorher auch nicht den geringsten Gedanken daran gehabt; und auch jetzt leitete mich ein unmittelbarer Drang, von dem ich den Eindruck noch so stark habe, dass eben er später oft meine einzige Beruhigung war, weil er mich überzeugte, dass ich nicht aus eigener Wahl und Vermessenheit eine Sache unternommen hätte, deren schauerliche Entwicklungen ich mir damals unmöglich hatte vergegenwärtigen können. 

Nachdem sie wieder bei sich war, sprach ich ihr Mut zu, betete noch etliche Worte und hinterliess beim Weggehen den Auftrag, dass man mich rufen solle, wenn die Krämpfe wiederkehrten. Nachts 10 Uhr desselben Tags kam eiligst ein Bote und sagte, sie habe einen ruhigen Abend gehabt, bis eben jetzt, da die Krämpfe stärker als je sie befallen hätten. Als ich zu ihr kam, schien die Wärterin in Ohnmacht fallen zu wollen, da der Anblick über die Massen schauerlich war. Ich versuchte alsbald obiges Verfahren, und der Erfolg war in wenigen Augenblicken derselbe. Während ich indessen verzog, fiel sie plötzlich wieder rückwärts aufs Bett. Sogleich liess ich sie die Worte ausrufen: «Herr Jesu, hilf mir!» obwohl sie dieselben kaum herausbrachte; und so kam sie wieder zu sich, ohne dass die Krämpfe ausbrachen. Allein mit jedem Augenblicke wollte es sich wiederholen; und so dauerte es gegen drei Stunden fort, bis sie ausrief :

« Jetzt ist es mir ganz wohl! » Sie hatte nun die übrige Nacht und den ganzen folgenden Tag Ruhe, bis wieder gegen 9 Uhr abends die Anfälle sich wiederholten.

Ich verweilte abermals, diesmal, wie später fast immer, mit dem Schultheissen und Mose Stanger etliche Stunden bei ihr, wobei es bereits sich zu erkennen gab, dass sich etwas Feindseliges aus ihr gegen mich richtete. Sie bekam grell geöffnete Augen, eine grässliche Miene, die nichts als Zorn und Wut aussprach, ballte die Hände und machte gegen mich drohende Bewegungen. Sie hielt mir dann wieder die offenen Hände dicht vor die Augen, als wollte sie mir rasch beide Augen ausreissen usf. Ich blieb bei alle dem fest und unbeweglich, betete in kurzen Worten meist nach biblischen Stellen und achtete keine Drohungen, die auch so erfolglos waren, dass sie niemals, auch wenn sie noch so drohend auf mich zufuhr, mich auch nur berührte. Am Ende ging alles damit vorüber, dass sie zu wiederholten Malen mit grosser Gewalt die Arme auf das Bett niederschlug, wobei es das Ansehen hatte, als ob eine geistige Macht durch die Fingerspitzen ausströmte. Sie wollte noch nachher allerlei Gestalten vor sich sehen, die sich erst nach und nach verloren. So ging es noch etliche Male zu, mit Unterbrechungen von einem bis drei Tagen; und am Ende liess diese Art von Konvulsionen ganz nach.

Schon wo11te ich gute Hoffnungen fassen, als ich vernahm, man h öre wieder ein Klöpfeln wie mit Fingern um die Gottliebin her; und dann bekomme sie plötzlich einen Schlag auf die Brust und sinke zurück, auch sehe sie dieselbe weibliche Gestalt, die sie in ihrem eigenen Logis gesehen hatte. Ihren Aussagen nach war das eine (keinerlei Verwandte, ausser zwei nun auch verstorbenen Schwestern, zurücklassend) zwei Jahre vorher verstorbene Witwe, die auf ihrem Totenbette heftige Gewissensbisse bekommen, schwere Sünden mir bekannt und nur wenig Ruhe vor dem Tode gefunden hatte. Als ich mit meinen gewöhnlichen Begleitern (denn ohne bestimmte Augen- und Ohrenzeugen wollte ich niemals dort sein) hinkam, hörte ich wirklich bald die unheimlichen Töne. Sie selbst lag im Bett, war bei sich und fühlte keine Beschwerden. Plötzlich war's, als führe es in sie, und ihr ganzer Leib geriet in Bewegung. Ich sprach sodann einige Worte als Gebet und erwähnte dabei den Namen Jesu. Sogleich rollte sie die Augen, schlug die Hände auseinander, und eine Stimme liess sich hören, die man augenblicklich für eine fremde erkennen musste, nicht sowohl wegen des Klanges, als wegen des Ausdrucks und der Haltung in der Rede. Es rief :

«Den Namen kann ich nicht hören!" Alle schauderten zusammen. Ich hatte noch nie etwas der Art gehört und wandte mich in der Stille zu Gott, er möge mir Weisheit und Vorsicht schenken und namentlich vor unzeitiger Neugier mich bewahren. Endlich wagte ich etliche Fragen, mit dem bestimmten Vorsatz, mich nur auf das Notwendigste zu beschränken und auf meine Empfindung zu merken, wenn es etwa zu viel wäre, zunächst mit Bezug auf jenes Weib, etwa so:

«Hast du denn keine Ruhe im Grab?" - «Nein!" «Warum nicht?" - «Das ist meiner Taten Lohn." «Hast du denn", fuhr ich fort, nur still voraussetzend, dass es jene Person sei, «mir nicht alle Sünden gestanden?" - «Nein, ich habe zwei Kinder gemordet und im Acker begraben!" - «Weisst du denn jetzt keine Hilfe mehr? Kannst du nicht beten?" - «Beten kann ich nicht." - «Kennst du denn Jesum nicht, der Sünden vergibt?" - «Den Namen kann ich nicht hören." «Bist du allein?" - «Nein!" - «Wer ist denn bei dir?" Die Stimme antwortete zögernd, zuletzt rasch herausfahrend: «Der Allerärgste!" So ging das Gespräch noch eine Weile fort, und die Redende klagte sich auch der Zauberei an, um deren willen sie des Teufels Gebundene sei. Schon siebenmal, sagte sie, sei sie ausgefahren, jetzt gehe sie nicht mehr. Ich fragte sie, ob ich für sie beten dürfe, was sie erst nach einigem Bedenken gestattete, und gab ihr endlich zu verstehen, dass sie im Leibe der Gottliebin nicht bleiben könne und dürfe. Sie schien wehmütig zu flehen, dann wieder trotzig zu werden; ich aber gebot ihr mit ernster Stimme, auszufahren, jedoch nicht im Namen Jesu, was ich lange nicht wagte, worauf sich schnell die Szene änderte, indem die Gottliebin die Hände stark aufs Bett niederschlug. Damit schien die Besitzung vorüber zu sein.

Etliche Tage später wiederholte sich die scheinbare Besitzung, wiewohl ich mich jetzt in kein Gespräch mehr einliess. Bald war es, als führen auf die bezeichnete Weise drei, dann sieben, endlich vierzehn Dämonen aus, wobei jedesmal das Gesicht der Person sich veränderte und eine neue drohende Miene gegen mich annahm. Auch mancherlei Drohworte wurden gegen mich ausgesprochen, die ich nicht beachtete;

und die Anwesenden, selbst der Schultheiss, bekamen manche Stösse und Faustschläge, die aber nie gegen mich gewagt wurden, indem die Dämonen ausdrücklich bemerkten, dass sie mir als dem Pfarrer nichts tun dürften, so gerne sie wollten. Hie und da raufte sie sich die Haare, zerschlug sich die Brust, warf den Kopf an die Wand und suchte auf allerlei Weise sich zu verletzen. Jedoch mit einfachen Worten konnte ich jeder Bewegung gebieten, bis sie zuletzt ruhig blieb, worauf auch dem Befehl des Ausfahrens Folge geIeistet wurde.

Indessen war es, als ob die Szenen sich immer schrecklicher gestalteten, und als ob mein Einwirken die Sache nur verschlimmerte. Was ich im Geist und Gemüt damals ausgestanden habe, lässt sich mit keinen Worten beschreiben. Mein Drang, der Sache ein Ende zu machen, wurde immer grösser, und obwohl ich jedesmal befriedigt scheiden konnte, sofern ich fühlte, dass die dämonische Macht sich fügen müsse, und sofern die Person jedesmal vollkommen recht war, so schien die finstere Macht sich doch immer wieder zu verstärken und mich zuletzt in ein grosses Labyrinth verstricken zu wollen, mir und meiner amtlichen Wirksamkeit zum Schaden und Verderben. Alle Freunde rieten mir, zurückzutreten. Aber ich musste mit Schrecken daran denken, was aus der Person werden könnte, wenn ich meine Hand von ihr abzöge, und wie sehr ich vor jedermann, wenn es übel ginge, als «der Ursächer» dastehen müsste. Ich fühlte mich in einem Netze, aus dem ich mich ohne Gefahr für mich und andere unmöglich durch blosses Abtreten wieder herauswinden konnte. Zudem schämte ich mich vor mir selbst und meinem Heilande, zu dem ich so viel betete, und dem ich so viel vertraute, und der mir obendrein so viele Beweise seiner Hilfe gab - ich gestehe es offen -, dem Teufel nachzugeben. Wer ist der Herr? musste ich mich oft fragen, und im Vertrauen auf den, der Herr ist, biess es in mir immer wieder:

Vorwärts! Es muss zu einem guten Ziele führen, wenn es auch in die tiefste Tiefe hinuntergeht, es sei denn, dass es nicht wahr wäre, dass Jesus der Schlange den Kopf zertreten bat.

Nach jenen 14 Dämonen steigerte sich die Zahl schnell zu 175, dann zu 425. Eine nähere Beschreibung von den einzelnen Auftritten kann ich nicht mehr geben, da alles zu schnell und zu mannigfaltig aufeinander folgte, als dass ich Einzelheiten sicher im Gedächtnis behalten konnte. Nach dem letzten dieser Kämpfe trat auf etliche Tage Ruhe ein. Doch drängten sich des Nachts viele Gestalten um das Bett der Person, nach ihrer Aussage; und auch ihre Wärterin wollte um jene Zeit etliche Gestalten erblickt haben.

Ebenso geschah es, dass sie sich in einer Nacht im Schlafe plötzlich von einer brennenden Hand am Hals gefasst fühlte, welche alsbald grosse Brandwunden zurückliess. Bis die Wärterin (ihre Tante), die im gleichen Zimmer schlief, das Licht anzündete, waren bereits gefüllte Blattern um den ganzen Hals herausgetreten; und der Arzt, der am folgenden Morgen kam, konnte sich nicht genug darüber verwundern. Der Hals wurde erst nach mehreren Wochen wieder heil. Auch sonst bekam sie bei Tag und bei Nacht Stösse an die Seite oder auf den Kopf, oder es fasste sie an den Füssen, dass sie plötzlich, entweder auf der Strasse oder auf der Treppe, oder wo es war, niederstürzte, wovon sie Beulen und andere Schäden davontrug. Die schwerste Nacht hatte ich vor dem 25. Juli 1842. Ich kämpfte von abends 8 Uhr bis morgens 4 Uhr, ohne befriedigt fertig zu sein, wie sonst noch nie.

Ich musste sie verlassen, weil ich eine Fahrt zum Kinderfest nach KornthaI vorhatte. Als ich spät abends wieder zurückkam, hiess es, sie sei in völligem Delirium und nun als fast ganz wahnsinnig zu betrachten. Wer sie sah, jammerte; sie zerschlug sich die Brust, raufte sich die Haare aus, krümmte sich wie ein Wurm und schien eine völlig verlorene Person zu sein. Ich besuchte sie erst am folgenden Tag morgens 8 Uhr, nachdem ich in der Reihe meiner täglichen Bibellektionen die merkwürdigen Worte im Buch Jesus Sirach (Kap. 2) nicht ohne Tränen und mit fast gebrochenem Herzen gelesen hatte:

 

«Mein Kind, willst du Gottes Diener sein, so schicke dich zur Anfechtung. Halte fest und leide dich und wanke nicht, wenn man dich davon locket. Halte dich an Gott und weiche nicht, auf dass du immer stärker werdest. Alles, was dir widerfährt, das leide und sei geduldig in aller Trübsal. Denn gleich wie das Gold durchs Feuer, also werden die, so Gott gefallen, durchs Feuer der Trübsal bewähret. Vertraue Gott, so wird er dir aushelfen; richte deine Wege und hoffe auf ihn. Die ihr den Herrn fürchtet, hoffet das Beste von ihm, so wird euch Gnade und Trost allezeit widerfahren. Die ihr den Herrn fürchtet, harret seiner Gnade, und weichet nicht, auf dass ihr nicht zugrunde gehet.»

 

V on diesen Worten gestärkt, kam ich zur Leidenden. Bis gegen 11 Uhr schien wieder alles gut zu stehen. Allein des Nachmittags musste ich wiederkehren; und jetzt ging es fort bis abends 7 Uhr, jedoch so, dass auf einmal das Ausfahren der Dämonen durch den Mund anfing. Eine Viertelstunde lag sie wie tot da. Ich hatte alle Glaubenskraft zusammenzuraffen, bis sie wieder atmete, während ich von der Strasse herauf die Leute einander zurufen hörte: «Jetzt ist sie gestorben!» Nach manchen heftigen Zuckungen des Oberleibs öffnete sie jetzt weit den Mund, und es war. als spuckte sie einen Dämon um den anderen heraus. Es ging immer partienweise, je 14 oder je 28, oder je 12, und so schien es bis in die Tausende zu gehen, ohne ein Wort von meiner Seite, auch ohne dass ein Wort von den Dämonen gesprochen worden wäre, ausser dass diese, wenn wieder eine neue Partie kam, zornige Blicke umherwarfen. Endlich hörte es auf; und jetzt schien eine bedeutende Epoche gekommen zu sein. Mehrere Wochen kam so gut als nichts vor, und Gottliebin konnte wandeln, wo sie hinwollte.

Ich freute mich in dieser Zeit. Aber nie geahnt hätte ich, was nun weiter erfolgte.

 

Teil 4:  „... dass sie schon vor 2 Jahren jeden Mittwoch und Freitag von geisterähnlichen Gestalten... gequält worden sei...“

„jetzt ist alles verraten! Du verstörst uns ganz! Der ganze Bund geht.....“

 

Nach einiger Ruhezeit kam die Kranke blass und entstellt zu mir, mir etwas zu klagen, was sie bisher aus Schüchternheit vor mir zurückgehalten habe, nun aber nicht länger verschweigen könne. Sie zögerte noch eine Weile, und ich wurde ängstlich gespannt, bis sie endlich anfing zu erzählen, dass sie schon vor zwei Jahren jeden Mittwoch und Freitag von geisterähnlichen Gestalten bis zu schmerzlichen und starken Blutungen gequält worden sei. Gewöhnlich hätte die Plage drei Stunden lang fortgedauert, und sie habe unerhörte Schmerzen dabei ausgestanden. Dem Arzt habe sie von den Blutungen gesagt; und der habe allerlei ärztliche Mittel angewendet, ohne etwas zur Heilung zustande bringen zu können. Diese Plage habe mit dem Tage aufgehört, da ich zum ersten Male mich ernstlich ihrer angenommen hätte; aber seit den letzten Kampftagen (25. und 26. Juli 1842) hätten sie wieder angefangen. An den genannten Tagen müsse sie sich immer mit Schrecken zu Bett legen, und wenn die Plage an sie komme, könne sie nur noch ächzen, ausserstand, sich auch nur im geringsten zu bewegen. Wenn diese Plage nicht aufhöre, so müsse es ihr Tod sein. Es war auch deutlich zu sehen, dass sie damals mit jedem Tage abgezehrter wurde.

Diese Sache erschreckte mich natürlich sehr; denn dergleichen hatte ich noch nicht gehört, als höchstens in Vampir-Märchen, die je und je von phantasiereichen Dichtern auf eine schauerlich abenteuerliche Weise erzählt worden sind. Später hörte ich freilich von allerlei Sagen, die unter dem Volke im Gange sind, wie namentlich, dass bisweilen Kinder solchen Plagen ausgesetzt seien, die man den sogenannten bösen Leuten, d. h. Hexen, zuschreibt. Vor der Hand brauchte ich ordentlich Zeit dazu, mich zu sammeln und zu der traurigen Überzeugung zu kommen, dass die Finsternis so viele Macht über die Menschen solle bekommen haben. Mein nächster Gedanke war: «Jetzt bist du fertig, jetzt geht's in die Zauberei und Hexerei hinein; und was willst du gegen diese machen?" Wenn ich aber das jammernde Mädchen ansah, so schauderte es mich vor der Möglichkeit der Existenz jener Finsternis und vor der Unmöglichkeit der Hilfe. Es fiel mir ein, dass es Leute gebe, denen man geheimnisvolle Künste zur Abwehr von allerlei dämonischen übeln zuschrieb, und sympathische Mittel, welchen

immer unbedingter Hohe und Niedere huldigen. Sollte ich etwa nach dergleichen Dingen mich umsehen?

Das hiesse, wie ich längst überzeugt war, Teufel mit Teufel vertreiben. Ich erinnerte mich also bald an eine Warnung, die ich schon einmal bekommen hatte, da ich damit umging, etwa den Namen Jesu an die Türe der Wohnung der Kranken zu heften, oder sonst des etwas zu versuchen, weil eben guter Rat oft schwer zu finden war. Unter solchen Gedanken las ich morgens die Losung der Brüdergemeine jenes Tages, welche lautete: «Seid ihr so unverständig? Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr's denn nun im Fleisch vollenden?" (Gal. 3, 3.) Ich verstand den Wink, und Gott sei gepriesen, der mich geleitet hat, stets bei den lauteren Waffen des Gebets und des Wortes Gottes zu bleiben! Soll, durchfuhr es mich, gläubiges Gebet nicht auch wider obige Satansmacht, worin sie nun bestehen möge, etwas auszurichten vermögen? Was sollen denn wir armen Menschlein machen, wenn hier nicht direkte Hilfe von oben zu erflehen ist? Ist Satan hier im Spiel: ist's recht, es dabei zu belassen?

Und kann das nicht durch den Glauben an den wahrhaftigen Gott niedergetreten werden? Wenn Jesus gekommen ist, die Werke des Teufels zu zerstören, soll solches nicht hier vornehmlich festgehalten werden?

Gibt's eine Zauberei und Hexerei, ist's nicht Sünde, sie unangetastet ihr Spiel treiben zu lassen, wenn eine Gelegenheit sich zeigt, ihr mit Ernst die Spitze zu bieten? Mit solcherlei Gedanken arbeitete ich mich hinein in den Glauben an die Kraft des Gebets auch in dieser Sache, bei welcher kein anderer Rat sonst übrig war, und ich rief der Kranken zu: « Wir beten, sei es was es wolle, wir probieren es, wir verspielen wenigstens nichts mit dem Gebet; und auf Gebet und Gebetserhörung weist uns die Schrift fast auf jeder Seite; der Herr wird tun, was er verheisst!» So entliess ich sie mit der Versicherung, ihrer gedenken zu wollen, und mit der Weisung, mir wieder Bericht zu bringen. Der gefürchtete Freitag war schon der folgende Tag. Es war der Tag, an welchem nach mehrmonatlicher Dürre gegen Abend das erste Gewitter am Himmel erschien, für mich ein unvergesslicher Tag. Während die Kranke abends 6 Uhr unter der Haustüre ihres Vetters hinging, überfielen sie, wie sie erzählte, die Gestalten, und starke Blutungen begannen. Um sich umzukleiden, eilte sie in ihre eigene Wohnung; und während sie auf dem Stuhle dort sass, war es ihr, als müsste sie unaufhörlich etwas einschlucken, das sie nach einigen Augenblicken ganz ausser sich brachte. Sie fuhr rasend durch beide Stuben und begehrte hitzig ein Messer, welches ihr aber die erschrockenen Geschwister nicht in die Hände kommen liessen. Dann eilte sie auf die Bühne, sprang auf das Gesimse des Fensterladens hinauf und stand bereits ausser dem Laden in freier Luft, nur noch mit einer Hand nach innen sich haltend, als der erste Blitzstrahl des nahenden Gewitters ihr ins Auge fiel, sie aufschreckte und weckte. Sie kam zur Besinnung und rief: «Um Gottes willen, das will ich nicht!» Der lichte Augenblick verschwand; und im wiederkehrenden Delirium erfasste sie einen Strick (woher - ist ihr heute noch unerklärlich) und band ihn künstlich um das Gebälke der Bühne mit einer Schlaufe, die sich leicht zusammenzog. Schon hatte sie den Kopf beinahe ganz in die Schlaufe hineingezwängt, als ein zweiter Blitzstrahl durch das Fenster ihre Augen traf, der sie, wie vorhin, wieder zur Besinnung brachte. Ein Tränenstrom floss ihr am folgenden Morgen von den Augen, als sie den Strick am Balken erblickte, den sie bei der besten Besinnung so künstlich umzubinden nicht imstande gewesen wäre. Sie blieb nun ein wenig wach und kroch, von den fortgesetzten Blutungen äusserst erschöpft, den kurzen Weg zu ihres Vetters Haus.

Dass sie die Treppen hinaufkam bis zur Bühnenkammer, da sie damals schlief, war alles, was sie vermochte; und bewusstlos sank sie aufs Bett. Jetzt wurde ich gerufen, da schon das Gewitter ausgebrochen war , gegen 8 Uhr abends. Ich fand sie ganz im Blute schwimmend, das überall durch die Kleider am Oberleibe sich drängte. Die ersten Trostworte, die ich ihr zurief, hatten die Folge, dass sie ein wenig erwachte und ausrief: „die Gestalten!“ – „Siehst du sie denn?“ fragte ich; die Antwort war ein jammerndes Stöhnen. Da hob ich mit Ernst an zu beten, während draussen der Donner rollte. Was ich sprach, weiss ich nicht mehr. Doch wirkte es nach einer Viertelstunde so entscheidend, dass sie ausrief: „Jetzt sind sie weg!» Bald kam sie ganz zu sich, und ich entfernte mich auf etliche Augenblicke, bis sie ganz umgekleidet war. Es war unter uns nur ein Loben und Danken, als wir sie wieder so völlig verändert, auf dem Bett sitzend, antrafen. Von jenem Tage an hörte obige Plage auf; und nur etliche Male noch sah sie Gestalten vor sich, als wollten sie auf sie eindringen, jedoch ohne dass etwas weiteres geschah, bis auch das aufhörte.

„jetzt ist alles verraten! Du verstörst uns ganz“

Mochte nun an der Sache sein, was wollte, geholfen war nicht.» - «So?» sagte ich, «nein, ich traue dir nicht», worauf ich Hut und Stock wieder beiseite legte. Noch sprach ich ein kurzes Gebet, als es hohnlachend ausbrach und sagte: «Du hast recht getan, dass du nicht gegangen bist; du hättest es verspielt und alles verloren.» Ich achtete nicht sehr auf das Gesprochene und sprach und handelte auf die gewöhnliche Weise. Plötzlich brach mit ganzer Stärke der Zorn und Unmut der Dämonen los, und es wurde eine Menge Äusserungen folgender Art vernommen, meist mit heulender und wehklagender Stimme: « Jetzt ist alles verraten! Du verstörst uns ganz! Der ganze Bund geht auseinander! Alles ist aus! Alles kommt in Verwirrung! Du bist schuld daran mit deinem ewigen Beten! Du vertreibst uns doch noch! Wehe! Wehe! Alles ist verspielt! Unser sind 1067, und derer, die noch leben, sind auch viele!» - Von denen, die noch leben, hiess es: «Aber die sollte man warnen! O wehe ihnen! wehe! sie sind verloren!» Ich sagte hier dazwischen hinein:

«Die noch leben, können sich bekehren; Gott vermag sie wohl noch zu retten! Denket ihr nur an euch!» Da erhielt ich mit starker Stimme die Antwort: «Sie haben sich mit Blut verschrieben!» - «Wem denn?» «Dem Teufel, dem Teufel!» - Von solchen Blutverschreibungen wurde später oft die Rede, besonders mit dem Beisatz: «Gott verschworen, ewig verloren», als ob solche Verschworene keiner Bekehrung und Rettung mehr fähig wären. Doch schienen sie das mehr nur von sich, den Verstorbenen, zu sagen. Im gegenwärtigen Augenblicke zeigte sich bei den Dämonen nur Verzweiflung, weil der Weg in den Abgrund ihnen gewiss schien. Das Gebrüll der Dämonen, die zuckenden Blitze, die rollenden Donner, das Plätschern der Regengüsse, der Ernst der Anwesenden, die Gebete von meiner Seite, auf welche die Dämonen nach oben beschriebener Weise ausfuhren, - das alles bildete eine Szene, die sich kaum jemand auf eine der Wirklichkeit entsprechende Weise wird vorstellen können.

Nach einigen Stunden jedoch wurde alles ruhig, und ich schied freudiger als je von der Kranken.

Bereits konnte ich mich genügend davon überzeugen, dass der Kampf, in dem ich stand, ein ganz eigentümlicher war, über dessen Bedeutung mir schon jetzt einiges Licht aufging, die mir aber erst im weiteren ganz klar wurde. Wenn übrigens die Dämonen unter anderem äusserten: «Niemand in der Welt hätte uns vertrieben; nur du mit deinem ewigen Beten und Anhalten setzest es durch», so war mir das nicht so ganz unerklärlich; denn nicht so leicht würde sich einer so hergegeben haben, als ich, und sicherlich die am wenigsten, die, indem ich ehrlich genug bin, auch solche Äusserungen niederzuschreiben, mich einer hochmütigen Selbsterhebung zeihen wollen.

 

5 «Diese Art fährt nicht aus, denn durch Beten und Fasten» ...

 

Das zuletzt Erzählte fiel im August 1842 vor. Es zeigte sich schon in den nächsten Tagen, dass bei der Kranken keineswegs alles entfernt war. Die Zeit wollte mir freilich jetzt lange werden, besonders da ich durch manche andere Arbeiten, zu denen ich mich neben meinem Amte verpflichtet hatte, oft in das äusserste Gedränge kam. Ein teurer Freund in meinem Nachbarlande, dem ich in jener Zeit Gelegenheit und Mut hatte, meine schwere Lage zu schildern, wies mich endlich auf das Wort des Herrn hin: «Diese Art fährt nicht aus, denn durch Beten und Fasten», und durch weiteres Nachdenken kam ich darauf, dem Fasten mehr Bedeutung zu geben, als man ihm gewöhnlich gibt. Sofern dasselbe ein tatsächlicher Beweis vor Gott ist, dass der Gegenstand des Gebets dem Beter ein wahres und dringliches Anliegen sei, und sofern es die Intention und Kraft des Gebets in hohem Grade verstärkt, ja ein fortgesetztes Gebet auch ohne Worte repräsentiert, konnte ich glauben, dass es nicht ohne Wirkung sein werde, besonders da für den Fall, in dem ich stand, ein besonderes Wort des Herrn vorlag.

Ich versuchte es, ohne jemandem etwas davon zu sagen, und muss bekennen, dass die nachfolgenden Kämpfe mir dadurch ausserordentlich erleichtert wurden. Besonders gewann ich das damit, dass ich viel ruhiger, bestimmter und fester reden konnte, auch nicht mehr nötig hatte, so lange Zeit zu verweilen.

Ich fühlte, dass ich, ohne da zu sein, wesentlich einwirken konnte, und wenn ich kam, gewahrte ich oft in wenigen Augenblicken bedeutende Resultate. Dies war namentlich bald nach dem Vorfall im August der Fall, da die Kranke bestimmt einen Dämon der bösesten Art in sich fühlte. Sie lag oft wie tot da, indem ihr der Atem von innen aufgehalten wurde. Sie wurde auf allerlei Weise innerlich gestochen und gedrückt, bisweilen auch äusserlich so gelähmt, dass sie kaum ein Glied aus eigenem Vermögen bewegen konnte. Dabei war sie äusserst mürrisch und widerwärtig, und besonders widrig wurden ihr Besuche von mir. Das Ärgste aber war, dass abermals von innen heraus wie mit einem stechenden Instrumente Blut gegen die äussere Haut getrieben wurde und so die Blutungen von neuem begannen, wiewohl die Ursache jetzt eine andere als früher zu sein schien. Ich fastete, fand aber gerade an jenem Tage die Umstände am schlimmsten. Doch wurde durch das Gebet das Bluten alsbald gestillt. Aber der Dämon sprach aus ihr so trotzig, höhnisch und gotteslästerlich, dass ich mich ganz stille hielt und, der stillen Kraft des Gebets vertrauend, zum Fortgehen mich anschickte. Jetzt wollte es mich wieder aufhalten, aber sichtbar so, dass es mich wie zum Besten hielt. Ich ging daher weg; und was es auch nachher tobte und wütete, ja obwohl man mich wieder rufen wollte in der Besorgnis, das Leben der Kranken stehe auf dem Spiel, so liess ich mich nicht mehr zum Besuche bewegen. Wirklich brach auch in der nächsten Nacht die Gewalt des Dämons, und am dritten Tage wich er fast ohne ein Wort von meiner Seite, freilich so, dass der Hals innen ganz verbrannt wurde, was ihr längere Zeit viel Beschwerden und Schmerzen verursachte. -

 

6 dass eine grosse Veränderung mit den zum Vorschein kommenden Geistern vorgegangen war...

 

Eine zusammenhängende Geschichte bis zum Februar 1843 kann ich nicht mehr geben. Ich erinnere mich nur, dass ich unaufhörlich Mühe und Not hatte, obwohl beständig von der Hoffnung aufrecht erhalten, es werde endlich das Ende kommen. Ich füge daher hier einige allgemeine Bemerkungen ein, die ich mit unerschrockener Offenheit gebe, wiewohl allerlei Rücksichten mir raten wollen, behutsam zu sein. Es stellte sich nämlich mehr und mehr heraus, dass eine grosse Veränderung mit den zum Vorschein kommenden Geistern vorgegangen war. Ihrer viele, die bisher öfters wiedergekehrt waren, kamen nicht wieder; und die Person sah mich von diesen in der Kirche, während ich auf der Kanzel stand, auf eine grässliche Weise umschwärmt, als wollten sie alles versuchen, mir Schaden zuzufügen. Dass ich ganz ohne Empfindung geblieben sei, auch in der Zeit, da ich noch nichts darum wusste, da es mir die Gottliebin aus Schonung lange Zeit verschwieg, kann ich gerade nicht sagen; aber doch war die etwaige Einwirkung auch nicht so, dass ich ihre Aussagen dadurch bestätigt fand. Namentlich fühlte ich mich in den Predigten eher gestärkt als geschwächt. Ich lasse es also dahingestellt sein. Bei anderen Geistern, die fortan sich zu erkennen gaben, schien es in der Schwebe zu sein, was weiter aus ihnen werden sollte. Merkwürdig war es, dass die Gottliebin von Anfang an entweder im Schlafe, oder wenn sie nicht bei ihren gewöhnlichen Sinnen war , beständig in der Gesellschaft dieser Geister sich befand, von denen sie viele kannte, während sie von dem, was zwischen mir und den Geistern aus ihr vorfiel, nichts wusste. Sie sah ferner die ausgefahrenen Geister jedesmal noch eine Weile in der Stube, und namentlich der letzterwähnte, der als Haupt vieler erschien und stets mit einem ungeheuren Buche dargestellt war, in das er die ihm Untergebenen eingetragen haben soll, wurde mit einer seltsam verbrämten, kostbaren, auf uralte Zeit hinzielenden Kleidung nach ihrer Aussage von ihr wahrgenommen. Die Dämonen selbst erschienen der Gottliebin in bezug auf ihre Gesinnung sehr verschieden. Die einen fand sie immer voll Wut und Ingrimm, namentlich in Beratschlagungen begriffen, wie sie in dem durch das Wort Gottes gegen sie gemachten Angriff sich helfen wollten; die anderen schienen von diesen mit Gewalt festgehalten. Dieser Unterschied stellte sich auch bei denen heraus, die aus ihr sprachen. Die einen waren trotzig, voll Hass gegen mich, und sprachen oft Worte aus, die wert gewesen wären, aufbehalten zu werden. Sie hatten ein Grauen vor dem Abgrund, dem sie jetzt sich nahe fühlten, und sagten unter anderem: «Du bist unser ärgster Feind, wir sind aber auch deine Feinde.

Dürften wir nur tun, wie wir wollen!» Und dann wieder: „0 wenn doch nur kein Gott im Himmel wäre!“ Daneben schrieben sie doch alle Schuld ihres Verderbens sich selber zu. Schauerlich war das Benehmen eines Dämonen, der früher im Hause der Gottliebin von dieser gesehen worden war und jetzt als Meineidiger sich zu erkennen gab. Er rief zu wiederholten Malen die Worte aus, die an einem Fensterladen jenes Hauses gemalt stehen: 

,,0 Mensch, bedenk' die Ewigkeit, versäume nicht die Gnadenzeit, denn das Gericht ist nicht mehr weit!»

 

Dann verstummte er, verzog das Gesicht, hob starr drei Finger in die Höhe, schauderte plötzlich zusammen und stöhnte: "Hm!» Dergleichen Szenen, welchen ich gerne mehr Zuschauer gegönnt hätte, kamen viele vor. Die meisten Dämonen indessen, die sich vom August 1842 bis Februar 1843 und später kund gaben, gehörten zu solchen, die mit heissester Begierde nach Befreiung aus den Banden Satans schmachteten. Es kamen dabei auch die verschiedensten Sprachen mit dem sonderbarsten Ausdruck vor, meist dass ich sie mit keinen europäischen Sprachen vergleichen konnte.

Aber sicher kam auch Italienisches (dem Klange nach) und Französisches. Sonderbar und mitunter komisch anzuhören waren in einzelnen Fällen die Versuche solcher Dämonen, deutsch zu reden, besonders auch, wenn sie Begriffe umschrieben, deren deutschen Ausdruck sie nicht zu wissen schienen. Dazwischen hinein liessen sich Worte vernehmen, die ich keiner von beiden Arten Dämonen zuschreiben konnte. Denn sie klangen als aus einer höheren Region stammend. Dahin gehört die über die Massen häufige Anführung der Worte (Hab. 2,3.4): «Die Weissagung wird ja noch erfüllet werden zu seiner Zeit, und wird endlich frei an Tag kommen und nicht aussen bleiben. Ob sie aber verziehet, so harre ihrer, sie wird gewisslich kommen und nicht verziehen. Siehe, wer halsstarrig ist, der wird keine Ruhe in seinem Herzen haben; denn der Gerechte lebet seines Glaubens.» Dann war's wieder, als ob dieselbe höhere Stimme sich zu den Dämonen wenden wollte, indem sie eine Stelle, die ich lange nicht finden konnte, bis ich sie in Jer. 3, 25 erkannte, ausrief. Statt der ersten Person «wir» wurde die zweite gebraucht, also: «Darauf ihr euch verliesset, das ist euch jetzt eitel Schande, und des ihr euch tröstetet, des müsset ihr euch jetzt schämen. Denn ihr sündigtet damit wider den Herrn, euren Gott, beide, ihr und eure Väter, von eurer Jugend auf, auch bis auf diesen heutigen Tag; und gehorchtet nicht der Stimme des Herrn, eures Gottes.» Diese und andere Bibelstellen begriff ich lange nicht, doch lernte ich, allem mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung schenken. Bei solchen Äusserungen, die bisweilen am Schlusse eines Kampfes vorkamen, war es mir zumute, als ob mir Stärkung und Trost von oben damit geboten wäre, wie ich denn auch nicht ohne den gerührtesten Dank auf die vielen Bewahrungen und Rettungen zurückblicken kann, die ich erfahren durfte. Denn dazwischen hinein kamen immer wieder grauenhafte Szenen vor.

Die Kranke wurde unaufhörlich gequält. Namentlich wurde ihr Leib in jener Zeit oft ausserordentlich aufgedunsen, und sie erbrach ganze Kübel voll Wasser , was dem Arzte, der je und je dabei war, besonders rätselhaft war, da man gar nicht begreifen konnte, woher das viele Wasser käme. Sie bekam ferner öfters Schläge auf den Kopf, Stösse in die Seite, dazu heftiges Nasenbluten, Bluterbrechungen, Not mit dem Stuhlgang und anderes; und bei allem, was mit ihr vorging, schien es eine lebensgefährliche Wendung nehmen zu wollen. Aber durch Gebet und Glauben wurde es unschädlich gemacht oder zurückgedrängt.

 

7 ... es die Dämonen bei mir angelegt hätten, so wäre ich verloren gewesen, ...

 

Noch teile ich einiges von den nach Befreiung schmachtenden Dämonen aus jener Zeit mit. Ich gab lange Zeit ihren Reden kein Gehör und kam oft in grosses Gedränge, wenn ich den schmerzvollen Ausdruck im Gesicht, die flehentlich emporgehobenen Hände und den heftigen Tränenstrom, der aus den Augen floss, sah und dabei Töne und Seufzer der Angst, Verzweiflung und Bitte hörte, die einen Stein hätten erweichen sollen. So sehr ich daher mich sträubte, auf irgend eine Erlösungsmanier einzugehen, weil ich bei allem, was vorkam, immer zuerst an einen etwaigen gefährlichen und verderblichen Betrug des Teufels dachte und für die Nüchternheit meines evangelischen Glaubens fürchtete, so konnte ich doch zuletzt nicht umhin, eine Probe zu machen, besonders da gerade diese Dämonen, die einige Hoffnung für sich zu haben schienen, weder durch Drohungen noch durch Ermahnungen sich zum \\T eichen bringen liessen.

Der erste Dämon, bei welchem ich es, so viel ich mich erinnere, wagte, war jenes Weib, durch welches die ganze Sache angeregt schien. Sie zeigte sich wieder in der Gottliebin und rief fest und entschieden, sie wollte des Heilands und nicht des Teufels sein. Dann sagte sie, wie viel durch die bisherigen Kämpfe in der Geisterwelt verändert worden sei. Mein Glück aber sei das gewesen, dass ich ganz allein beim Worte Gottes und dem Gebet geblieben sei. Wenn ich etwas anderes als das versucht und etwa zu geheimnisvoll wirkenden Mitteln meine Zuflucht genommen hätte, wie sie vielseitig unter den Leuten üblich seien und auf welche es die Dämonen bei mir angelegt hätten, so wäre ich verloren gewesen, Das sagte sie mit bedeutungsvoll aufgehobenem Finger und mit den Worten schliessend: «Das war ein fürchterlicher Kampf, den Sie unternommen haben!» Dann flehte sie dringend, ich möchte für sie beten, dass sie vollends ganz aus des Teufels Gewalt befreit werde, in die sie fast unwissend durch getriebene Abgötterei, Sympathie und Zauberei gefallen sei, und dass sie irgendwo einen Ruheort erhalte. Ich hatte das Weib im Leben gut gekannt, und sie zeigte damals eine Begierde zum Worte Gottes und nach Trost, wie ich sonst nicht leicht wahrgenommen hatte, wie denn auch kaum eine Woche verging, da sie nicht zwei- bis dreimal in mein Haus kam und mich besuchte. Namentlich hatte sie von mir das Lied: «Ruhe ist das beste Gut» sehnlich begehrt. Nun wollte mir doch das Herz um sie brechen; und mit innerlichem Aufblick zu dem Herrn fragte ich sie: «Wo willst du denn hin?» «Ich möchte in Ihrem Hause bleiben», antwortete sie.

Ich erschrak und sagte: «Das kann unmöglich sein.» «Darf ich nicht in die Kirche gehen?» fuhr sie fort.

Ich besann mich und sagte: «Wenn du mir es versprichst, dass du niemanden stören und nie dich sichtbar machen willst, und unter der Voraussetzung, dass es Jesus dir erlaubt, habe ich nichts dagegen.» Es war ein Wagnis von mir, doch vertraute ich dem Herrn, er werde alles recht machen, da ich mich vor ihm keiner Vermessenheit schuldig fühlte. Sie gab sich zufrieden, nannte noch den äussersten Winkel, dahin sie sich begeben wolle, und fuhr sodann freiwillig und leicht aus, dem Anschein nach. Von alledem wurde der Kranken nichts gesagt; und doch sah sie das Weib zu ihrem grossen Schrecken an der bezeichneten Stelle in der Kirche. Ausser ihr aber gewahrte niemand etwas davon, und in der Folge hörte die Erscheinung ganz auf, wie überhaupt durch die nachfolgenden Kämpfe sich alles immer wieder veränderte. Auf gleiche Weise suchten auch andere Geister, die durch Abgötterei und Zauberei noch Gebundene des Teufels zu sein vorgaben, während sie sonst Liebe zum Heiland hätten, Befreiung und Sicherheit. Nur mit äusserster Behutsamkeit und angelegentlichen Bitten zu dem Herrn liess ich mich in das Unabweisbare ein. Mein Hauptwort war immer: «Wenn Jesus es erlaubt!» Es zeigte sich auch, dass eine göttliche Leitung darin waltete. Denn nicht alle erlangten, um was sie baten, und manche mussten, auf die freie Barmherzigkeit Gottes sich verlassend, fortgehen. Ich möchte diesen subtilen Punkt nicht weiter ausführen und bemerke nur, dass keinerlei Unruhe vorgekommen ist, während die Kranke stets wieder erleichtert wurde. Solche Geister, denen ein vorübergehender Ruheort gegeben wird, dürfen auch mit den eigentlichen Spukgeistern nicht verwechselt werden. Die letzten erscheinen immer als unter dem Gericht und unter der Gewalt des Satans, von welcher jene befreit waren. Manche Bemerkungen, die ich nach den gemachten Erfahrungen mitteilen könnte, halte ich um so lieber zurück, da sie nur Anstoss erregen könnten, während sie sonst, als nicht in der Bibel begründet, keine weitere Aufmerksamkeit verdienen. Nur einen sehr interessanten Fall kann ich nicht übergehen. Einer der Geister bat gleichfalls darum, in die Kirche gelassen zu werden.

Ich sagte mein Gewöhnliches: «Wenn es Jesus erlaubt!» - Nach einer Weile brach er in ein verzweifeltes Weinen aus und rief oder härte rufen: «Gott ist ein Richter der Witwen und Waisen!» mit dem Bemerken, es werde ihm nicht gestattet, in die Kirche zu gehen. Ich sagte: «Du siehst, dass der Herr es ist, der dir den Weg zeigt, und dass es also nicht auf mich ankommt. Geh hin, wo der Herr dich hingehen heisst!» - Dann fuhr er fort: «Dürfte ich nicht in Ihr Haus gehen?» Diese Bitte überraschte mich; und an Frau und Kinder denkend, wollte ich nicht geneigt sein, zu willfahren. Allein ich bedachte mich, ob es nicht eine Versuchung für mich sein soll, zu zeigen, dass ich mir alle Aufopferung gefallen lassen könne, und sagte daher endlich: «Nun denn, wenn du niemand beunruhigst und Jesus es dir erlaubt, so mag es geschehen.

- Plötzlich hörte ich wieder etwas, wie von höherer Stimme, aus dem Munde der Kranken, das rief: «Nicht unter Dach! Gott ist ein Richter der Witwen und Waisen!» Der Geist fing wieder nach dem Ansehen an zu weinen und bat, wenigstens in meinen Garten gehen zu dürfen, was ihm jetzt gestattet zu werden schien.

Es war, als ob einst durch seine Schuld Waisen um ihr Obdach gekommen wären. - So dauerte es längere Zeit fort; und wem ein Ruheort gegeben war, der kehrte nicht wieder. Viele gaben sich zu erkennen, indem sie förmlich ihren Namen sagten, was namentlich die taten, die seit meiner Amtsführung hier gestorben waren. Andere nannten nur den Ort, wo sie her wären, oft Hunderte von Stunden entfernt. Selbst aus Amerika wollten etliche gekommen sein. Ich liess es dahingestellt sein, wie weit ich alles für Wahrheit zu nehmen hätte, und war froh, ihrer nur los zu werden. Ich bemerke nur noch, dass durch obiges keineswegs die Lehre von einem Fegfeuer oder die Lehre von einem Gebet für die Verstorbenen bestätigt wurde.

Letzteres ist so gefährlich, dass ich jedermann allen Ernstes davor warnen möchte, weil die nachteiligsten Einwirkungen von Seiten der unsichtbaren Welt die Folge davon sein können. Noch muss ich hier etwas Zusammenfassendes mitteilen, das zwar auffallen wird, aber keineswegs von mir verschwiegen werden kann. Durch obiges, wie durch andere spätere Erscheinungen wurde mir erkennbar, dass unsere Zeit an einem übel leidet, das allmählich, ohne dass jemand mit Ernst darauf geachtet hätte, wie ein heimlich nagender Wurm fast die ganze, auch evangelische Christenheit durchfressen hat, nämlich, dass ich so sage, die Sünde der Abgötterei, die stufenweise in die Zauberei und vollkommene Schwarzkunst übergeht, von deren schauerlicher Existenz mir nur allzu gewisse Kunde geworden ist. Unter Abgötterei mag jedes Vertrauen auf eine übernatürliche unsichtbare Kraft verstanden sein, auf welche gestützt ein Mensch entweder Gesundheit oder Ehre oder Gewinn oder Genuss sich zu verschaffen bemüht ist, sofern sie nicht eine rein göttliche ist.

Aber auch jeder abergläubische Gebrauch von scheinbar frommen Worten, besonders wenn die höchsten Namen dazu gebraucht werden, ist Abgötterei, weil der lebendige Glaube an Gott sowie die Hoheit und Majestät Gottes dadurch in eine Karikatur verwandelt wird. Hierher gehört alle und jede Art von Sympathie, deren Wirksamkeit neuestens von Hohen und Niederen immer entschiedener anerkannt, und die daher fast von jedermann wenigstens in ihren scheinbar unschuldigeren Sphären unbedingt angewendet wird, ohne dass man überlegt, welchen Abfall von Gott solche gedankenlose Herabwürdigung des Namens und der Kraft Gottes voraussetzt, und welches eigentlich in solchen Fällen die unsichtbar wirkende Kraft ist und allein nur sein kann. Sowohl hierdurch, als durch manches andere, das ich übergehe, hängt sich der Mensch mindestens an eine unmittelbare Naturkraft und kehrt seinen Glauben ans Unsichtbare von Gott ab an eine Art Naturgeist, wodurch er in den Augen des eifrigen Gottes, der seine Ehre keinem andern lässt, wie das Alte Testament redet, nur ein Abgötter wird. Soll eine unmittelbare unsichtbare Kraft helfen, warum will der Mensch nicht durch Gebet an den, der die Kraft selbst ist, sich halten?

Noch weniger ist aus dem Gebiet der Abgötterei die sogenannte Transplantation auszuschliessen, bei welcher man einen Schmerz oder eine Krankheit durch allerlei Manipulationen mit und ohne Formeln auf Bäume oder Tiere zu übertragen sich bemüht.

In die fürchterlichen Folgen aller dieser Abgöttereien lernte ich allmählich einen Blick hineintun. Die nächste Wirkung ist die, dass der Mensch mehr oder weniger an eine finstere, satanische Macht gebunden wird, indem irgendein Dämon, durch den Akt der Abgötterei herbeigelockt, Einfluss auf ihn gewinnt.

Dieser Einfluss kann physisch sein und namentlich allerlei Nervenleiden, Krämpfe, Gichter und andere Gebrechen zur Folge haben, bei welchen auch die Ärzte wenig Rat wissen, aber auch psychisch, und Melancholie und Schwermut wecken oder grobe Leidenschaften nähren, wie Wollust, Trunkenheit, Geiz, Neid, Zorn, Rachsucht und dergl., Leidenschaften, die dem Menschen oft zur Last werden, ohne dass er über sie Herr zu werden vermöchte. Was Paulus im Römerbrief von den Folgen der Abgötterei schreibt, als einer Verwandlung der Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in allerlei Torheiten, geht auch bei unserer christlichen Abgötterei buchstäblich in Erfüllung, wenn Christen ihr Vertrauen auf sinnlose Sprüchlein, auf geheime Formeln und Zeichen, auf gewisse Tage und Stunden und auf Zettelchen setzen, die sie um sich hängen, wie die Neger ihre Grigris, oder gar verschlingen, neben anderen eigentlichen Greueln, welche hier auseinander zusetzen zu weit führen würde. Eine weitere Folge ist die Unempfindlichkeit gegen das Wort der Wahrheit, Gleichgültigkeit gegen die Sünde, Stumpfheit des Geistes für höhere Empfindungen und Gedanken, und Sicherheit in Beziehung auf die Ewigkeit; und umgekehrt, dass in der Trübsal kein Trost im Herzen haften will, namentlich die evangelische Freude bei Anklagen des Gewissens nicht fest wurzeln kann. Die traurigste Folge für den Menschen, wenn er obige Abgötterei nicht erkannt und bereut hat, kommt nach dem Tode; und das ist es zunächst, was ich mit Schaudern auf allerlei Weise in meinen Kämpfen bis zur Gewissheit erfahren habe. Das Band, mit dem er an die finstere Macht sich gebunden hat, ist noch nicht gelöst, und der Mensch, der eben glaubte, reif für die Freuden des Himmels zu sein, wird als ein Abgefallener vom Feind festgehalten, und je nachdem er sich verstrickt hat, auch wider seinen Willen zur Qual der Lebenden dem Teufel zu dienen gezwungen. Ich enthalte mich, noch weiter darüber zu reden, da es schwierig und gewagt ist, über solche geheimnisvolle Dinge sich mit einiger Bestimmtheit auszusprechen. 

8

Unter mancherlei Erfahrungen rückte der 8. Februar 1843 heran. Da lag die Gottliebin fast den ganzen Tag bewusstlos auf dem Bette, jedoch ohne dass es Besorgnis erregen konnte. Es schien ihr eine Ruhe gegönnt zu sein, die aber mehr als eine Entrückung ihres Geistes in ferne Gegenden anzusehen war. Ich berichte, wie sie nachher erzählte. Es war ihr, als würde sie von jemand mit ausserordentlicher Schnelligkeit über Land und Meer, über der Oberfläche schwebend, hingeführt. Sie durchflog viele Länder und Städte, kam über dem Meere an Schiffen vorbei, deren Mannschaft sie deutlich sah und vernehmlich reden hörte, bis sie eine Inselwelt erreichte und von Insel zu Insel hinschwebte, endlich zu einem hohen Berge gelangend, auf dessen Gipfel sie gestellt wurde.

Manche Einzelheiten liessen mich auf Westindien raten. Auf dem Gipfel war eine grosse und weite Öffnung, aus welcher Rauch emporquoll und Feuer aufschlug. Rings um sie her zuckten Blitze, rollten Donner, bebte die Erde, und an den Ufergegenden zu den Füssen des Berges sah sie mit einem Schlage Städte und Dörfer einstürzen und den Staub hoch empor qualmen. Auch auf dem Meer gerieten Schiffe und Fahrzeuge in Unordnung, und ihrer viele sanken ins Meer. Mitten unter dieser Schreckensszene wurden die Dämonen, die sie bisher vornehmlich gequält hatten, vorgeführt; und der Ärgste derselben, jener Dämon mit dem grossen Buche, war der erste, der mit fürchterlichem Gebrüll und Heulen in die Tiefe gestürzt wurde. Ihm folgten gegen tausend andere nach, die alle vorher auf die Gottliebin zusprangen, als wollten sie dieselbe mit sich in den Abgrund ziehen.

Als alles vorüber war, wurde die Gottliebin auf dieselbe Weise zurückgebracht, wie sie hergekommen war, und erwachte, ziemlich erschrocken, doch im ganzen wohl. - Was sie hier erzählte, kann ich freilich nicht verbürgen; aber über die Massen erstaunt und überrascht war ich, als kurze Zeit darauf in den Zeitungen das fürchterliche Erdbeben geschildert wurde, welches eben am 8. Februar in Westindien vorfiel. Die Schilderungen der Brüdergemeine, insbesondere, die ich in einer Missionsstunde vorlas, versetzten Gottliebin ganz wieder in das zurück, was sie im Geiste gesehen hatte. Von jener Zeit an sah sie mich auch in der Kirche nicht mehr von Geistern umschwärmt. Solche Entrückungen kamen in der Folge noch zweimal vor, doch so, dass sie über Asien hinzuschweben schien. Ein andermal wurde ihr die Errettung von mehr als 800 vorher gebundenen Dämonen vorgestellt. Wie auf diese Weise die Erdbeben jener Zeit Bezug auf die hiesigen Kämpfe zu haben schienen, so auch Witterungen und anderes, was ich gleichfalls nicht verschweigen kann. Sowohl die Dürr~ des Jahres 1842 als die Nässe des Jahres 1843 kam zur Sprache. Am meisten aber entsetzte es mich, dass gar die vielen Städtebrände des Jahres 1842 (die Zahl wurde von den Dämonen auf 36 angegeben) dem Einfluss, ja der unmittelbaren Einwirkung der Dämonen zugeschrieben wurden. Namentlich kam einmal ein Dämon vor, der mit wollüstiger Gier die Flamme Hamburgs geschürt zu haben vorgab. Auf die Frage, was sie dazu veranlasst hätte, kam einerseits die kurze Antwort: «Wollust!», andererseits wurde angedeutet, dass der Satan, merkend, dass viele Werkzeuge der Zauberei ihm geraubt würden, darauf ausgegangen sei, um Werkzeuge zu werben, indem er Tausende ins Unglück stürzte, die sodann leicht dazu zu bewegen wären, sich ihm womöglich mit Blut zu verschreiben; «und», hiess es einmal, «es ist ihm auch gelungen».

Schrecklich waren oft die Drohungen der Dämonen anzuhören, den ganzen Ort, und vornehmlich mein Haus in Brand zu stecken. Öfters grinsten sie mir mit grässlicher Miene entgegen: «Blut oder Feuer!» Wirklich war es auffallend, dass einmal in einer besonders schweren Kampfnacht die Schafherde durch einen unbekannten Hund, dessen der Schäfer nicht mächtig

werden konnte, in grosse Angst und Verwirrung gebracht wurde, und am Morgen lagen zwei der grossen Schafe zerrissen vor meinem Fenster. Ich berühre dies darum, weil es einmal hiess: «Blut! und wenn's nur ein Schaf ist!» 

9 .. hineingezaubert waren, die alle den Zweck zu haben schienen, sie aus der Welt zu schaffen... Sand, kleine Glasstücken, allerlei Eisenstücke, alte verbogene Bretternägel...

So viel auch schon im bisherigen Unbegreifliches und Unerhörtes erzählt worden ist, so habe ich doch das Ärgste noch vor mir. Ich bleibe bei meiner Ehrlichkeit und fahre fort, mitzuteilen, was mir noch in Erinnerung ist, überzeugt, der Herr werde auch bei dieser Darstellung seine Hand über mir haben. Ihm zur Ehre, dem Sieger über alle finsteren Kräfte, alles zu erzählen, ist auch meine einzige Rücksicht.

Mit dem 8. Februar 1843 begann eine neue Epoche in der Krankheitsgeschichte. Denn von jetzt an kamen noch entschiedenere Erscheinungen und Wirkungen der verschiedenartigsten Zauberei zu meiner Beobachtung. Schauerlich war es mir wahrzunehmen, dass alles, was bisher unter den lächerlichsten Volksaberglauben gerechnet wurde, aus der Märchenwelt in die Wirklichkeit übertrat. Ich fasse zunächst alle Erscheinungen zusammen, die im Laufe des Jahres 1843 aus dem Gebiete der Zauberei vorgekommen sind.

Es zeigte sich, dass unzählig viele Dinge in die Gottliebin, um das allein anwendbare Wort gleich zu gebrauchen, hineingezaubert waren, die alle den Zweck zu haben schienen, sie aus der Welt zu schaffen. Es fing mit Erbrechen von Sand und kleinen Glasstücken an. Allmählich kamen allerlei Eisenstücke, namentlich alte und verbogene Bretternägel, deren einmal vor meinen Augen nach langem Würgen nacheinander zwölf in das vorgehaltene Waschbecken fielen, ferner Schuhschnallen von verschiedener Grösse und Gestalt, oft so gross, dass man es kaum begriff, wie sie in den Hals heraufkommen konnten, auch ein besonders grosses und breites Eisenstück, bei welchem ihr der Atem ausging, dass sie mehrere Minuten wie tot da lag. Ausserdem kamen in unzähligen Mengen Stecknadeln, Nähnadeln und Stücke von Stricknadeln, oft einzeln, da es am schwersten ging, oft auch in Massen, mit Papier und Federn zusammengebunden. Es hatte öfters das Ansehen, als ob Stricknadeln mitten durch den Kopf gezogen wären, von einem Ohr bis zu dem andern; und es kamen das eine Mal einzelne fingerlange Stücke zum Ohr heraus; ein andermal konnte ich es unter der Handauflegung fühlen und hören, wie die Nadeln im Kopf zerbrachen oder sich drehten und zusammenbogen. Jenes waren stählerne Nadeln, die sodann langsam in kleineren Stücken sich gegen den Schlund hinspielten und zum Munde herauskamen; dieses eiserne, die sich biegen liessen und endlich, drei- bis viermal gebogen, doch ganz, ihren Ausweg gleichfalls durch den Mund fanden. Auch aus der Nase zog ich viele Stecknadeln hervor, die sich von oben herab, da ich sie über dem Nasenbein zuerst querliegend fühlte, allmählich, mit der Spitze abwärts gerichtet, herabspielten. Einmal kamen fünfzehn solcher Nadeln auf einmal mit solcher Heftigkeit zur Nase heraus, dass sie sämtlich in der vorgehaltenen Hand der Gottliebin stecken blieben. Ein andermal klagte sie sehr über Kopfschmerz, und als ich die Hand aufgelegt hatte, sah ich überall weisse Punkte vorschimmern. Es waren zwölf Stecknadeln, die bis zur Hälfte noch im Kopfe steckten und einzeln von mir herausgezogen wurden, wobei sie jedes mal durch ein Zucken die Schmerzen kundgab. Aus dem Auge zog ich einmal zwei, dann wieder vier Stecknadeln heraus, die lange unter den Augenlidern umherspielten, bis sie ein wenig vorragten, um sachte herausgezogen zu werden. Nähnadeln zog ich ferner in grosser Menge aus allen Teilen des oberen und unteren Kiefers hervor. Sie fühlte dabei zuerst unerhörte Zahnschmerzen, und man konnte lange nichts sehen, bis sich endlich die Spitzen anfühlen liessen.

Dann rückten sie immer weiter hervor, und wenn ich sie endlich anfassen konnte, brauchte es noch grosser Anstrengung, bis sie ganz herauskamen. Zwei alte fingerlange und verbogene Drahtstücke zeigten sich sogar in der Zunge; und es kostete Zeit und Mühe, bis sie völlig herausgenommen waren. Um den ganzen Leib ferner waren unter der Haut zwei lange, vielfach verbogene Drahtstücke eingewunden; und ich brauchte mit meiner Frau wohl eine Stunde dazu, bis sie ganz da waren; und mehr als einmal fiel sie dabei, wie dies überhaupt oft der Fall war, in Ohnmacht.

Sonst kamen aus allen Teilen des Oberleibes ganze und halbe Stricknadeln so häufig zu verschiedenen Zeiten, dass ich sie im ganzen wenigstens zu dreissig schätzen darf. Sie kamen teils quer, teils senkrecht heraus, nach letzterer Art namentlich öfters mitten aus der Herzgrube. Wenn die Nadeln oft schon zur Hälfte da waren, hatte ich doch noch eine halbe Stunde mit aller Kraft zu ziehen. Auch andere Dinge, Nadeln verschiedener Art, grosse Glasstücke, Steinchen, einmal ein langes Eisenstück kamen aus dem Oberleibe.

Ich kann es wahrlich niemand übel nehmen, der misstrauisch gegen obige Mitteilungen wird; denn es geht zu sehr über alles Denken und Begreifen. Aber die fast ein ganzes Jahr hindurch fortgesetzten Beobachtungen und Erfahrungen, bei welchen ich immer mehrere Augenzeugen hatte, worauf ich, schon um üblen Gerüchten vorzubeugen, strenge hielt, lassen mich kühn und frei die Sachen erzählen, indem ich völlig versichert bin, was ich schon vermöge des Charakters der Gottliebin sein müsste, dass nicht der geringste Betrug obwaltete, noch obwalten konnte. So oft ich sie in jener Zeit besuchte, gerufen oder ungerufen, regte sich wieder etwas; und nach einiger Zeit arbeitete sich ein Zauberstück aus irgend einem Teile des Leibes hervor. Der Schmerz war jedes mal fürchterlich, und fast immer so, dass sie mehr oder weniger die Besinnung verlor. Ja in der Regel sagte sie: «Das mache ich nicht durch, das ist mein Tod!» Alles aber wurde bloss durch das Gebet herausgebracht. Wenn sie zu klagen anfing, dass sie irgendwo Schmerzen fühle, so durfte ich nur die Hand, gewöhnlich dem Kopfe, auflegen; und durch lange Erfahrung im Glauben geübt, war ich versichert, jedes mal sogleich eine Wirkung des Gebets zu erfahren, das ich mit kurzen Worten aussprach. Sie fühlte auch alsbald, dass die Sache sich bewegte oder drehte und einen Ausweg suchte. Durch die äussere Haut ging es am schwersten, und man fühlte es oft lange, wie sich von innen heraus etwas vordrückte. Blut floss niemals;

auch wurde keine Wunde verursacht, und höchstens konnte man noch eine Weile den Ort erkennen, von dem sich etwas herausgearbeitet hatte, sobald alles durch blosses Gebet vor sich ging. Bisweilen aber schnitt sie sich, vom Schmerze überwältigt, mit einem Messer ohne mein Beisein die Haut auf, und diese Wunden waren fast nicht mehr zu heilen. Der Gegenstände sind zu viele, als dass ich sie alle aufzählen könnte; und ich erwähne nur noch das, dass auch lebendige Tiere, welche ich jedoch selbst zu sehen nicht Gelegenheit bekam, aus dem Munde kamen, einmal vier der grössten Heuschrecken, die sodann noch lebendig auf die Wiese gebracht wurden, wo sie alsbald forthüpften, ein andermal sechs bis acht Fledermäuse, deren eine totgeschlagen wurde, während die anderen sich schnell verkrochen, wieder einmal ein mächtig grosser Frosch, der ihr durch eine Freundin aus dem Hals gezogen wurde, und endlich eine geheimnisvolle Schlange, eine Natter, wie es scheint, der gefährlichsten Art, die nur Gottliebin, sonst niemand, flüchtig sah. (Doch glaubte ich einen rasch hinfahrenden blinkenden Schimmerstreifen vom Munde aus über das Bett hin wahrzunehmen.) Diese Natter verursachte ihr, nachdem sie aus dem Munde gekommen war, bald nachher eine Wunde an dem Hals, ein andermal stach sie sie, während sie mit der Familie zu Tische sass, so heftig in den Fuss, dass das Bluten fast nimmer aufhören wollte. Beide Wunden machten ihr wohl ein Vierteljahr lang Schmerzen, und es war deutlich zu sehen, dass es gefährliche Giftwunden waren.

 

Ich kann diese Seite des Kampfes nicht beschliessen, ohne wenigstens einen Fall der schauderhaftesten Art spezieller zu erzählen. Zu Anfang des Dezember 1843 hatte die Gottliebin ein Nasenbluten, das gar nimmer aufhören wollte. Wenn sie eben eine Schüssel voll Blut verloren hatte, so fing es wieder an; und es ist unbegreiflich, wie bei so ungeheurem Blutverluste das Leben erhalten werden konnte. Auffallend war, dass das Blut zugleich einen sehr scharfen Geruch hatte, aber immer besonders schwarz anzusehen war. Der Grund davon lag in einer zauberischen Vergiftung, deren nachher gedacht werden wird. In dieser Not traf sie mehrmals der Arzt, der zwar etwas verschrieb, aber wohl selbst schwerlich viel Hoffnung von der Wirkung der Arznei hatte. Nun machte ich in jener Zeit nachmittags 1 Uhr auf einem Gang zum Filial, der mich an ihrem Hause vorbeiführte, einen kurzen Besuch bei ihr. Sie sass frisch umgekleidet und sehr erschöpft auf einem Stuhle. Auch war die Stube eben vom Blut gereinigt worden, das den Morgen vorher reichlich geflossen war. Sie deutete mir auf dem Kopfe mehrere Stellen und sagte, da stecke etwas; wenn das nicht herauskomme, so müsse sie sterben.

Ich konnte eben nichts Besonderes fühlen, sagte aber, weil ich Eile hatte, nach meiner Rückkehr wolle ich wieder einkehren. Nach mir kam der Arzt, Dr. Spaeth, zu ihr, der zwei Stunden bei ihr verweilte und sich vieles erzählen liess, auch wirklich etwas Hartes an obigen Stellen fühlen konnte. Er merkte, dass etwas vorgehen werde und wollte es abwarten, wurde aber zuletzt schnell zu einer Niederkunft nach Simozheim gerufen. Um 4 Uhr befand ich mich wieder in der Nähe des Orts. Da sprang mir jemand entgegen und sagte, ich möchte doch schnell zur Gottliebin kommen.

Ich eilte und überall sah ich voll Schrecken die Leute zum Fenster heraussehen, die mir zuriefen: «Herr Pfarrer, es tut not!" Ich trat ein; aber ein Blutdunst erstickender Art wollte mich wieder heraustreiben.

Sie sass in der Mitte der kleinen Stube, hatte vor sich einen Kübel, der wohl zur Hälfte mit Blut und Wasser gefüllt war, und die ganze Länge der Stube vor ihr und hinter ihr floss eine breite Blutlache. Sie selbst war über und über mit Blut so überzogen, dass man die Kleider kaum mehr erkannte. Denn man denke sich - das Blut rieselte lebhaft aus beiden Ohren, aus beiden Augen, aus der Nase und sogar oben auf dem Kopfe in die Höhe. Das war das Grässlichste, das ich je gesehen habe. Es hatten es verschiedene Leute zum Fenster herein bemerkt, obgleich diese sich scheuten, dazubleiben. Im Augenblick wollte ich ratlos sein. Doch fasste ich mich; und ein kurzer und ernster Seufzer brachte vorerst das Bluten zum Stillstande. Dann liess ich ihr das Gesicht waschen, das nicht mehr zu erkennen war, und den Kopf, worauf ich die Stelle am Kopfe anfühlte, in der sich etwas befinden sollte.

Auf dem Vorderkopfe oberhalb der Stirn gewahrte ich bald etwas; und ein kleiner, aber verbogener Nagel bohrte sich empor. Am Hinterkopfe drehte und arbeitete sich innerhalb der Haut etwas weiter herab; und endlich kam ein verbogener Bretternagel zum Vorschein. Das Bluten aber hatte von nun an ein Ende. Die erste Ohnmacht, in die sie bei meinem Eintritt fiel, konnte auch überwunden werden, wie die nachfolgenden; und am Abend fühlte sie sich wieder ziemlich wohl und gestärkt. Was könnte ich nicht alles erzählen, wenn ich Zeit gehabt hätte, ein Tagebuch zu führen!

10: ...dass gewisse Personen die Kunst besitzen, im Geiste ausser dem Leibe zu sein...

Unter den vielen Kämpfen, die ich nach Obigem zu bestehen hatte, machte ich mir allerlei Gedanken über die Art und Weise, wie die Zauberkräfte etwa angewendet werden, da es mir ein Bedürfnis war, wenigstens irgend etwas zur Erklärung mir denken zu können. Natürlich fiel mir dabei ein, dass in Beziehung auf das Wesen der Materie noch Geheimnisse obwalten, auf die die Philosophie mit Gewissheit noch nicht gekommen ist. Dachte ich mir die Materie als ein Aggregat einer Art von Atomen, wie sie von manchen Philosophen schon aufgefasst worden ist, so wäre (stelle ich mir vor) die Zauberkunst nichts anderes, als eine geheimnisvolle, von der finstern Macht gelehrte Kunst, das Band der einzelnen Atome aufzulösen, um so den Gegenstand, mit dem sie ihr Wesen treibt, unkenntlich, ja unsichtbar zu machen und mittelst anderer Gegenstände, z. B. in gewöhnlichen Essen, dahin zu bringen, da es nach dem Willen dessen kommen soll, der die Kunst ausübt. Dort wird sodann das gelöste Band wieder hergestellt und der Gegenstand erscheint wieder als das, was er vorher war So konnte sich die Gottliebin aus früherer Zeit gut erinnern, dass sie bisweilen auf das Essen einer Suppe oder anderer Speisen sogleich etwas Eigentümliches im Hals oder Leib gefühlt habe, das sie an eine Verzauberung denken liess. Einmal warf sie Überbleibsel von einem solchen Essen einem Huhn vor, das augenblicklich rasend herumlief und nach einer Weile wie erstickend tot umsank. Sie öffnete Kopf und Hals des Huhnes; und da steckten zu ihrem Schrecken eine Menge Schuhnägel. Wie aber sollten andere Sachen in den Kopf und Leib wie in den Oberleib kommen?

Erklärend lauteten die Erzählungen der Gottliebin, wie sie bei Nacht öfters habe Personen aller Arten und Stände im Geist zu sich ans Bett kommen sehen. Diese hätten ihr, während sie dabei immer bewegungslos gewesen sei, entweder etwas wie Brot in den Mund gereicht oder andere Glieder ihres Leibes berührt; und alsbald habe sie Veränderungen in sich gefühlt, die sich zu den später vorkommenden Gegenständen reimten. Jener Bretternagel und der kleinere Nagel, wodurch das heftige Bluten verursacht wurde, wurden ihr abends mitten auf der Strasse von jemandem, der einen geistlichen Ornat trug und da wartete, jedoch nur scheinbar, d. h. im Geiste da war, wie sie glaubte, durch eine besondere Manipulation in den Kopf geschafft, wobei sie nicht den geringsten Widerstand leisten konnte; und also bald fing das Bluten an. Einmal traten des Nachts auf gleiche Weise, d. h. als Geister, drei Männer vor sie, die einen giftigen Spiritus in der Hand hielten. Sie konnte sich abermals nicht bewegen. Der eine öffnete ihren Mund, der andere hielt sie am Kopf, und der dritte wollte ihr den Spiritus eingiessen. Letzteres geschah ein wenig; und um sie zu ersticken, wurde ihr nun wieder der Kiefer zusammengedrückt. Der Dampf des Spiritus ging aber durch die Nase heraus; und  sie, die wenigstens imstande war, noch zu seufzen, blieb gerettet. Als die Männer merkten, dass sie nichts ausrichteten, schütteten sie das Glas über den Kopf hin und entfernten sich. Am Morgen war die Nachthaube von einem gelblichen, hässlich riechenden Stoffe ganz zerfressen und liess sich leicht zerbröckeln. Ein andermal, da sie wieder in ihrer eigenen Stube lag, hatte sie abends ihren Rock an die Kammertüre gehängt; und die Schwester, die mit ihr in einem Bette lag, wusste gewiss, was in der Rocktasche war, und dass die Gottliebin nicht aus dem Bette kam. Letztere aber sah des Nachts eine Gestalt zu ihrem Rock gehen, aus der Tasche ein blechernes Geldbüchschen, wie es die Bauersleute haben, herausnehmen, nebst anderem, dann vor sie damit hintreten, - und am anderen Morgen wurden unter heftigem Würgen Geldstücke und das Büchschen von ihr erbrochen. Dies alles führt darauf, dass gewisse Personen die Kunst besitzen, im Geiste ausser dem Leibe zu sein, wohl nicht immer mit völligem Bewusstsein. Allein die Gegenstände in den Leib praktizieren, wie soll das zugehen? Auch darüber gewährt das einigen Aufschluss, dass bei allen den Gegenständen, die eingezaubert wurden, immer noch ein verstorbener Mensch oder Dämon mitwirkte, der allein die Kunst ausübte und mit dem Gegenstand in den Menschen fuhr. So stellte sich's vielfältig dar; und so kommt es, dass die Besitzung eigentlich nur um der Zauberei willen da war und es sich nicht sowohl um die Heilung einer Besessenen, als um die Befreiung einer bezauberten Person handelte. Dass aber die Gegenstände nicht wirklich töteten, wie die Finsternis beabsichtigte, daran war eine besondere Bewahrung Gottes schuld, die sich auf eine auffallende Weise mit dem Eintritt des Zaubers schon dadurch zu erkennen gab, dass die Gottliebin fortan zunächst wenig Empfindung von den Gegenständen, die in ihr waren, hatte, bis die Zeit kam (manches muss über zwei Jahre in ihr gelegen sein), dass diese wieder entfernt werden sollten. Daher ferner, dass ein Dämon immer sozusagen der Wächter der Gegenstände war, kam es, dass der Zauber oft erst durch meine Anwesenheit und besonders wenn ich mich, auch abwesend, für sie zum Beten bewogen fühlte, in Bewegung gebracht wurde, und dass in der Regel vor oder nach Entfernung des Zaubers ein Dämon ausfuhr. Davon aber bin ich fest überzeugt, dass, wenn ich einmal einem Unglauben mich hingegeben hätte, als wäre es nicht möglich, durch das alleinige Gebet auch das unmöglich Scheinende vollbringen zu können, die Gottliebin verloren gewesen wäre. Ich fühlte mich jedoch immer so gestärkt, dass ich alles meinem Heilande zutraute; und der Gedanke, den ich mit jedem Tage zuversichtlicher fassen durfte, dass durch diesen Kampf der schwarzen Kunst der Zauberei ein empfindlicher Stoss gebracht werden müsse, liess mich auch bis aufs äusserste hinaus ausdauern.

Das eben Gesagte war das Ergebnis vieler Erfahrungen und Beobachtungen und beständigen Nachdenkens über die seltsamen Erscheinungen. Ich kann mich aber nicht enthalten, die allmählich gewonnenen Schlüsse, die mich mit ziemlicher Sicherheit in das Wesen der Zauberei hineinblicken liessen, noch weiter auseinander zu setzen. Nach dem Obigen wirkte Zur Ausübung der Zauberei ein verstorbener und ein lebender Mensch zusammen. Durch die früher geschilderten Abgöttereien nämlich kann es geschehen, und geschieht es auch leider bis zu einer schauderhaften Ausdehnung, dass ein Mensch, ohne es zu wissen und zu merken, im Geiste vom Satan gebunden wird, so dass der Geist, freilich ein psychologisches Rätsel, vom Leibe abwesend sein kann, selbst wenn die Seele, wie es scheint, im Leibe gegenwärtig bleibt. Im Geiste wird er in Verkehr und Gemeinschaft mit anderen, auf gleiche Weise gebundenen Menschen gebracht, sowie mit verstorbenen, die auch mehr oder weniger im Leben sich gebunden hatten. Die letzteren sind es eigentlich, die die Zauberei ausüben, während die ersteren zur Herbeischaffung der Materialien angehalten werden. Wider ihren Willen müssen die Lebenden (so konnte es aus mancherlei Äusserungen der Dämonen geschlossen werden), die durch Sympathie usw., wie auch durch freche Flüche, durch grobe Fleischessünden usw. an den Satan gebunden sind, im Geiste diesem zu Dienst sein, wiewohl dieser Zwang nach dem Grad der Vergehungen in Abgöttereisünden verschieden ist. Ich wurde zuletzt von selbst darauf hingeleitet, mir ein gewisses satanisches Komplott zu denken, durch welches allmählich nach dem Plane Satans alle Menschen heimlich und mit List sollten von Gott abgezogen werden, damit so Satans Reich allgemeiner und Christi Reich vernichtet würde. Hier hatte die finstere Macht um so mehr Glück, weil alles in der tiefsten Verborgenheit vor sich ging und, wo sich etwas kund tat und bemerkbar machte, niemand auch nur im geringsten darauf bedacht war, mit Mut und Glauben ihr entgegenzutreten. Die meisten sogenannten Hexen und Hexenmeister, denen man allerhand Unglück, Krankheit, Plagen an Menschen und Vieh zuschreibt, sind, was sie etwa in dieser Art sind, ohne ihr Wissen und haben höchstens je und je ein Gefühl davon, was sie im Geiste tun, ohne dies Gefühl sich erklären zu können. Es sind also jedenfalls höchst unglückliche Menschen, und es folgt dar aus, dass die Beschuldigung eines lebenden Menschen in der Regel eine Unbarmherzigkeit ist und von vornherein völlig verworfen werden muss, weil sie zu keinem Resultat führen kann, indem die Beschuldigten oft völlig unschuldig sind und, wenn nicht immer, doch in der Regel, wenn man sie auch, wie in Hexenprozessen geschehen ist, mit Marterwerkzeugen zum Geständnis bringen will, sich als unschuldig betrachten. Ich danke Gott, dass ich von Anfang an von dem Grundsatz ausgegangen bin, keine Beschuldigung, zu der ich oft Veranlassung hatte, bei mir aufkommen zu lassen, und niemand für das anzusehen, wofür ich ihn hätte vielleicht ansehen können. Ich wäre dadurch in eine schauerliche Verwirrung geraten, in welcher Satan mit mir und meiner Sache gewonnenes Spiel gehabt hätte. - Wenn übrigens der gebundene Mensch von dem, was er im Geiste tut oder zu tun gezwungen ist, kein Bewusstsein im gewöhnlichen Leben hat, so folgt daraus nicht, dass er dafür nicht zurechnungsfähig ist. Er ist es schon darum, weil die Sünde der Abgötterei seiner Gebundenheit zu Grunde liegt, sodann, weil auch im Geist ihm der freie Wille bleibt, dem Satan sich völliger hinzugeben oder nicht. Alle Zurechnung und Folge aber mag verschwinden, wenn nur die getriebene Abgötterei erkannt und bereut wird als eine der schwersten Sünden, weil sie direkt wider das erste Gebot geschieht und den eigentlichen Abfall von Gott ausmacht. Weil aber die Abgöttereisünden im Leben sollen bereut werden, was aber nicht geschieht, indem man entweder keine Gefahr daraus fürchtet oder wenigstens, wenn man auch ein unerklärliches Grauen davor hat, die Gefahr nicht erkennt und hoch genug anschlägt, so dauert meist die Gebundenheit nach dem Tode fort. Jetzt gehen dem betrogenen und durch des Teufels List gefangenen Menschen die Augen auf. Jetzt bleibt es ihm aber auch noch freigestellt, ob er sich dem Dienste Satans völlig hingeben wolle oder nicht. Im ersten Falle wird er förmlicher Zaubergeist, der nun vom Satan angehalten wird, vermittelst anderer lebender Zauberer auf verschiedene Weise die Menschen zu plagen, entweder an ihrem Leibe oder an ihrem Viehbesitz oder sonst.

Der Zweck dieser Plagen ist kein anderer, als die Menschen so in die Enge zu treiben, dass sie wiederum zu abergläubischen und abgöttischen Mitteln greifen, um selbst wieder verstrickt zu werden. So erscheinen viele Unglücksfälle, die den Menschen treffen, als eigentliche Hiobsprüfungen, von Gott zugelassen, weil sich ergeben soll, ob der Mensch darüber Gott gesegnen wolle oder nicht. Ach, wie leben und handeln doch die Menschen so sicher in den Tag hinein! - Die Zauberei der Lebenden hat übrigens viele Stufen. Auf der niedrigsten Stufe stehen diejenigen, welche nur etwa, wie man sagt, sich, d. h. an und für sich brauchen lassen und dadurch sich verstricken, ohne fortan ein Bewusstsein davon zu haben. Die höchste Stufe ist die eigentliche Schwarzkunst, bei welcher der Mensch mit vollkommenem Bewusstsein dem Satan dient, der ihm die Kräfte verleiht. In der Mitte zwischen beiden Klassen stehen diejenigen, die aus dem Gebrauch von Zaubermitteln ein Gewerbe machen und sich von den Leuten gebrauchen und holen lassen, wobei sie gewöhnlich nach gedruckten Büchlein, deren viele unter dem Volke verbreitet sind und die eigentliche Offenbarungen des Satans sind, oder nach Traditionen ihr Wesen treiben. Diese dritte Gattung von Zauberern kann lange Zeit mit dem scheinbaren Bewusstsein, Wohltäter der Menschen zu sein, ja mit dem Rufe grosser Frömmigkeit ihre Formeln sprechen und Manipulationen vornehmen, obwohl stets mit bösem Gewissen, wird aber durch dieses Heidenwerk immer tiefer verstrickt und tritt der Gefahr, eigentlicher Schwarzkünstler zu werden, immer näher. Am nächsten daran, wiewohl vielleicht immer noch betrogen, sind diejenigen, welche vom Teufel, dass ich so sage, geradezu Geister zu Ratgebern erhalten, und die den Namen und das Alter von den Hilfe suchenden Leuten verlangen, vermittelst deren sie sich bei den Geistern befragen. Diese Dämonen erscheinen ihnen durch gewisse Mittel, die sie anwenden, auch vermittelst eines Spiegels entweder sichtbar oder unsichtbar und beantworten die an sie gestellten Fragen, natürlich nicht ohne Interesse für das Reich der Finsternis. So kommen Christen dazu, sich bei Baal-Sebub Rat zu erholen (2. Könige 1). - Eigentliche Schwarzkünstler sind die, welche sozusagen einen förmlichen Bund mit dem Teufel geschlossen haben, was entweder einzeln oder durch Anschluss an gewisse Gesellschaften, denen solcher Bund insgeheim zu Grund liegt, geschehen mag. In beiden Fällen finden Unterschreibungen mit Blut statt, indem man sich in die Finger oder sonst wohin ritzt und das ausfliessende Blut zur Namensunterschrift benützt. Geschieht eine Verschreibung einzeln, so kann es entweder durch eine förmliche satanische Verschreibung, von welcher aber der Mensch nicht immer das Bewusstsein behält, oder im Geiste geschehen, da dem Menschen abermals kein Bewusstsein davon bleibt. Was die Schwarzkünstler suchen, ist hauptsächlich Glück, Wollust, Geld und Schutz wider die Gefahren des Leibes; und die Künste, die sie besitzen, sind sehr mannigfaltig. Sie können sich Geld verschaffen, sich unsichtbar machen, gerade wie nach dem Obigen materielle Gegenstände unsichtbar gemacht werden können, in wenigen Augenblicken Hunderte von Meilen sich entfernen, und zwar mit ihrer ganzen Persönlichkeit. Namentlich können sie Hunderte von Stunden weit Menschen töten; und auch Schlagflüsse, an denen oft die gesündesten Menschen unerwartet hinsterben, können Folgen eines Zauberschlags aus kleinerer oder grösserer Entfernung sein.

Auch Brandstiftungen verüben sie unsichtbar. Ich muss es natürlich jedermann freigestellt sein lassen, von diesen Dingen zu glauben, was er will; aber ach der schauerlichen Gewissheit, die mir von dem Vorhandensein derselben geworden ist! Aber ein im Glauben an den, der der Schlange den Kopf zertreten, unternommener Kampf wider diese finsteren Kräfte konnte unmöglich den Sieg verfehlen. Grösser noch ist unser Herr !

 

11 obige fast zwei Jahre fortgehende Kämpfe... ...Zu diesem Schlusse eile ich jetzt...

 

Obige Bemerkungen sind teils auf Tatsachen begründet, die in meinem Kampfe vorgekommen sind, teils auf zerstreute, unzusammenhängende Äusserungen solcher scheinbaren Dämonen, die Befreiung suchten oder gefunden hatten, teils auf sonstige psychologische Erfahrungen und Beobachtungen, die ich bei einmal für diese Dinge geöffneten Augen zu machen Gelegenheit genug hatte. Man könnte mir vielleicht den Vorwurf machen, ich hätte dergleichen Dingen zu sehr nachgespürt und eine träumerische Phantasie dabei obwalten lassen. Allein zu phantastischen Grübeleien hatte ich wahrlich keine Zeit. Man denke sich neben meinem Amte, dem ich mit ganzer Liebe stets und vornehmlich in den letzten Jahren alle Aufmerksamkeit schenkte, indem ich, wie die Pfarrberichte darlegen, viel besonders sowohl im Mutterort als auf dem Filial vornahm, um belehrend und weckend auf meine Gemeinde einzuwirken, obige fast zwei Jahre fortgehende Kämpfe, die Zeit und Gemüt in so hohem Grade in Anspruch nahmen. Dennoch war ich in dieser ganzen Zeit auch schriftstellerisch tätig, indem ich die Monatsblätter für öffentliche Missionsstunden verfasste, Aufsätze in die Barth'schen Jugendblätter lieferte, wie über die Erscheinungen und Wirkungen des Lichts, ferner ein Handbüchlein der Weltgeschichte und ein anderes der Missionsgeschichte und Missionsgeographie bearbeitete, von welchem das zweite mich, soweit ich übrige Augenblicke hatte, in Berge von deutschen, englischen und französischen Missionsschriften eingrub, und das eben jetzt die Presse verlässt. Ich konnte auch nicht untätig bleiben bei der Regsamkeit in unserem Vaterlande für das neue Gesangbuch und die neue Liturgie und lieferte Aufsätze ein, auch zweimal ausgedehnte Entwürfe zu einem neuen Choralbuche, wobei ich mit viel Mühe alte Choräle und Melodien aus vielen alten Schriften aufsuchte und zusammentrug. Um neues Interesse für den Choral zu wecken, liess ich auch eine Sammlung in den Druck kommen, nachdem ich zu diesem Zweck in die Theorie des musikalischen Satzes mich erst hatte einüben müssen. Daneben hielt ich im vorigen Sommer als Schulkonferenzdirektor einen doppelten Lehrkurs ab, teils über die Behandlung der deutschen Sprachlehre in den Volksschulen, teils über das Leben des Apostels Paulus, und liess fortlaufende Aufsätze darüber unter den Lehrern kursieren. Dieses alles wage ich hier anzuführen, - und ich bin versichert, dass man mir es nicht übel auslegen wird, um zu beweisen, dass ich gerade damals keine übrige Zeit hatte, auch nicht suchte, übertriebenen Phantasien nachzuhängen; und wer die erwähnten Arbeiten nur flüchtig übersieht, wird schwerlich einer krankhaften Einbildungskraft mich zeihen können. Es waren stets unmittelbare und lange unverstandene Eindrücke, die ich unter meiner Geschichte erhielt und bis auf weiteres unbearbeitet liegen liess, doch im Geiste sammelte, bis sie endlich sich selbst in einen schauerlichen Zusammenhang fügten. Erst mit dem Schluss der Geschichte wurde ich über das Ganze und Einzelne klar. Zu diesem Schlusse eile ich jetzt, der mich jedoch, um verstanden zu werden, abermals zu einem allgemeinen überblick leitet.

Wie es denn komme, dass gerade bei der Gottliebin, einer seit manchen Jahren entschiedenen und gediegenen, christlich denkenden Person in solcher Masse so schauderhafte satanische Anfechtungen vorkommen konnten, das ist vielen, die von der Sache hören, ein Rätsel. Mit dem Blicke, dieses scheinbare Rätsel einigermassen zu lösen, teile ich Nachstehendes aus der früheren Geschichte der Gottliebin mit, wie ich es aus ihrem Munde allmählich und zusammenhanglos, ich möchte sagen zufällig erfuhr, aber erst gegen den Schluss hin beobachtenswert und bedeutungsvoll finden konnte, obgleich es abermals in unerhörte Dinge hineinführt. Man sehe mir den direkten, als den bequemeren Erzählungsstil nach. Gottliebin weiss schon aus ihrer Kindheit Umstände zu erzählen, die auf Nachstellungen hindeuten, sie in das Netz der Zauberei zu verflechten, und ich bedaure, sogleich aufs neue etwas berühren zu müssen, das in der Regel zu dem märchenhaftesten Aberglauben gerechnet wird, und das ich doch jetzt Ursache habe, nicht mehr so ganz wegwerfen zu dürfen. Sie stand bald nach ihrer Geburt in Gefahr, unsichtbar weggetragen zu werden. Ihre Mutter, die vor zehn Jahren gestorben ist, erzählte ihr oft, sie habe das Kind neben sich im Bette gehabt; und im Schlafe sei ihr plötzlich bange um das Kind geworden; sie sei erwacht, habe das Kind nicht gefühlt und ausgerufen: «Herr Jesus, mein Kind! » Da fiel etwas an der Stubentüre zu Boden, und es war das Kind. Dasselbe kam auf ähnliche Weise noch einmal vor. Die Kinder, an deren Stelle die Sage sogenannte Wechselkinder gesetzt werden lässt, scheinen, wenn die Sache einige Realität hat, nach Schlüssen aus einer weiteren Erfahrung dazu bestimmt gewesen zu sein, Zauberern in die Hände zu fallen und durch diese in das ganze Gebiet der Zauberei von früh auf eingeweiht zu werden. Solche abergläubisch lautende Dinge hatten für mich früher nie eine Bedeutung und bekamen sie in diesem Falle erst durch die Betrachtung über die mit der Gottliebin gemachten Erfahrungen. Bald kam das Kind zu einer Base, die allgemein als böse Person gefürchtet war und die zu dem siebenjährigen Kinde sagte: «Wenn du einmal zehn Jahre alt bist (dies der auch sonst laut gewordene Termin der Möglichkeit einer Einweihung in die Zauberei), dann will ich dich etwas Rechtes lehren» ; ferner: «Wenn du nur nicht Gottliebin hiessest und andere Paten hättest, so wollte ich dir grosse Macht in der Welt verschaffen.» Dergleichen Äusserungen kamen schon dem Kinde bedenklich vor; und unter den stillen Gedanken, die es sich darüber machte, fiel ihm jedes mal der Spruch ein: «Unser Herr ist gross und von grosser Kraft, und ist unbegreiflich, wie er regieret», mit dem Sinn, dass doch Gott allein es sei, der die Welt regiere.

Die Base starb, als das Kind erst acht Jahre alt war. Indessen wurden auch bei dem letzteren, wie eben der Unverstand des Volkes es zur Gewohnheit gemacht hatte, je und je sympathetische oder zauberartige Mittel bei Krankheiten angewendet, woher es kam, dass sie, wie andere, in einige Verstrickung geriet. Die Fähigkeiten des Geistes, die sie besass, machten den Unterricht, den sie durch Pfarrer Barth erhielt, sehr fruchtbar an ihrem Herzen. Ihre lautere Gottesfurcht bewahrte sie vor noch tieferen Verstrickungen in Sünden der Abgötterei; und durch fromme Eltern gewarnt, scheute sie frühzeitig alles, was daran hinstreifte. Indessen - ich erzähle nach den Ergebnissen, die sich erst im Verlaufe ihrer dämonischen Krankheit herausstellten - war sie eben doch schon gebunden, und in einem Grade, bei dem sie nach dem Prinzip der Finsternis im Geiste zur Plage anderer missbraucht werden sollte, ohne, wie dies immer bei geringerer Gebundenheit der Fall ist, Ahnung oder Gefühl davon zu haben. Ihr Geist aber, wie dies nach der früheren Darstellung möglich ist, widerstrebte den Zumutungen der Finsternis, was ihr den Hass der letzteren zuzog. Es entstand, wie es scheint, eine Art Spannung zwischen ihr und dem finsteren Reiche; und dieses, das in sich selbst auch einig sein will, setzte ihr als einer Abtrünnigen nach. Es handelte sich nun darum, sie entweder wirklich in die Zauberei zu verlocken, und zwar in die tiefste Zauberei, weil sie nur so dem Satan gesichert zu werden schien, oder sie aus der Welt zu schaffen, damit durch ihren Widerstand dem finstern Reiche kein Nachteil erwachse. So war die Aufgabe der Gottliebin, wie später die meinige, T reue und Glauben, - Treue wider alle und jede Abgöttereisünde und Glauben an die die Treuen schützende Macht Gottes, auch wenn die ganze Hölle sich aufmachte. Beides ging still Hand in Hand bei der Gottliebin fort, und dass sie in beidem Tag für Tag, ohne eine Ahnung von der Wichtigkeit zu haben, bewahrt wurde, schätzt sie jetzt als das grösste Wunder, das an ihr geschah.

 

Die Versuchungen zur Zauberei kamen unmittelbar an sie. Da sie sehr arm ist, so sollte die Armut ihr zum Strick werden. Da geschah es im Februar 1840, da ihre beiden Eltern schon gestorben waren und sie schon in der anfangs erwähnten Stube wohnte, dass sie einmal für sich und ihre Geschwister nur etwas Brot im Hause hatte und sonst noch einen Groschen besass. Mit letzterem machte sie sich auf den Weg, um einen Topf Milch zu holen. Während sie ging, dachte sie bei sich selbst: «Wenn du nur noch einen Groschen hättest, dann könntest du auch gleich Salz zu einer Suppe mitnehmen.“ Indem sie so dachte, fühlte sie plötzlich zwei Groschen in der Hand. Es war ihr nicht wohl dabei, weil ihr gewisse Sagen von Zaubergeld einfielen, die unter dem Volk im Umlauf sind; und sie geriet in Sorge, welchen sie für die Milch ausbezahlen sollte. Glücklicherweise wurde ihr diese geschenkt; und so konnte sie im Besitze von zwei Groschen ihren Rückweg nehmen. Da kam sie über einen Wassergraben; und bis dahin war ihre Angst so hoch gestiegen, dass sie plötzlich beide Groschen ins Wasser warf und ausrief: «Nein, Teufel, so kriegst du mich noch nicht; Gott wird mich schon durchbringen.» Es wurde ihr hierbei ganz leicht; allein wie sie in ihre Stubenkammer trat, so lag es auf dem Boden herum voll von Talern. Sie erschrak und stiess mit den Füssen dran herum, ob es wirklich Taler wären. Sie hörte den Klang, sah deutlich die Gestalt und konnte nichts anderes denken, als es sei wirklich Geld. Aber woher das Geld? Bei diesem Gedanken konnte sie nur erschrecken, weil ihr eine solche seltsame Hilfe nicht göttlich vorkam. Sie trat zur Stube heraus und wieder in die Kammer, ob sie sich nicht täusche. Aber in der Kammer lag es immer voll von Talern, während in der Stube nichts zu sehen war.

Indes kam ein vierjähriger Knabe, zu dem sagte sie:

«Geh einmal in die Kammer; was du findest, ist dein!" Der kommt zurück und sagte: «Bäsle, ich finde nichts!" Sie sieht selbst wieder nach, und die Taler waren wirklich wieder verschwunden. So ging es ihr oft und viel. Aber der geringste Gedanke, einen solchen Taler auch nur anzurühren, überzog sie mit Grausen; und sie zog es vor, in der bittersten Armut zu bleiben, als, wie sie sagte, vom Teufel sich reich machen zu lassen.

Auch in der Zeit, da die Besitzungen schon angefangen hatten, kamen ihr Versuchungen der Art entgegen, und noch ehe ich von Obigem wusste, hörte ich die Dämonen aus ihr sagen: «Dass das Mädle doch nichts annehmen will; wir haben's ihr doch immer so geschickt hingelegt." Auch der oben erzählte Fund mit Geldstücken mag Bezug hierauf gehabt haben. Als der Boden der Kammer aufgedeckt war, glaubte sie immer eine Kapsel zu sehen, aus welcher es mit lauter Talern schimmere, und sie sagte, sie meine, wir hätten nicht recht gesucht. Weil die Sage ging, es seien einmal 300 fl. von der früheren Hausbesitzerin irgendwo gestohlen worden, so konnte man die Möglichkeit, Geld zu finden, nicht ganz wegwerfen; und wir sahen in ihrem Beisein noch einmal nach, auch mit der Hoffnung, jenem Spuk ein Ende zu machen. Aber statt Geld zu finden, fiel sie sogleich, als sie an den Ort hindeutete, in tiefe Ohnmacht, was deutlich zeigte, dass ein Satansbetrug dahinter steckte. Sie sollte, mussten wir später denken, dieses Geld heimlich finden und behalten, wenn der Zweck der Finsternis erreicht werden wollte. Denn Heimlichkeit und tiefste Verborgenheit war die Macht der Finsternis in diesem Gebiete. Im Verlaufe war noch öfter von solchem Betrug Satans, Seelen zu verderben, die Rede; und die Art und Weise, wie eigentliche Schwarzkünstler, nach den Äusserungen eines Dämons zu schliessen, solches Geld sich verschaffen oder verschaffen wollten, ist zu schauerlich, als dass ich es nacherzählen möchte, wiewohl ich mich auch scheue, Nebendinge, die nicht zum Verständnis meiner Geschichte wichtig sind, anzuführen. Das meiste überhörte ich in der Regel, weil ich nie ohne weiteres traute; und nur der in der Folge hervortretende Zusammenhang machte mir manches beachtenswert, das es mir vorher nicht gewesen war. 

So verhielt es sich auch mit dem Umstande, der jetzt folgte.

Nachdem offenbare Versuchungen zu abgöttischem Abfall von Gott bei der Gottliebin nichts fruchteten, zeigte sich die Schlange noch listiger. Sie kam einmal, da es ihr und den Ihrigen abermals an Lebensmitteln mangelte, beunruhigt und gedrückt in ihre Stube und sah auf dem Tische zu ihrem Erstaunen einen Ärmel von einem Mannsherode voll Mehl, nebst einem Sechsbätzner, der oben darauf in einem Papier eingewickelt lag. Durch das Frühere vorsichtig gemacht, wurde es ihr abermals unheimlich zu Mute. Wie kam das Mehl herein? Die Stube war verschlossen, und vom Fenster aus konnte es nicht auf den Tisch gelegt werden. Dazu machte das sonderbare Behältnis das Geschenk verdächtig. Als sie nach dem Geld sah, las sie auf dem Papiere die Worte: «Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid!» "Nun», dachte sie, jedoch nur, weil sie gerne so dachte, denn ihr unheimliches Gefühl brachte sie damit nicht hinweg, - "das kann nichts Unrechtes sein, das brauchst du.» Sie behielt also Geld und Mehl und tat das nicht ohne Dank gegen Gott, wiewohl sie den Geber trotz allen Nachfragen nicht entdecken konnte. Dennoch schrieb sie in der Folge diesem Mehl die meisten Verzauberungen zu, die an ihr hervortraten, wenigstens die Möglichkeit für noch weitere. Auch wurde es später wirklich von einem Dämon geäussert, dass es alles Teufelsbetrug gewesen sei und sie dieses Mehl nicht hätte verbrauchen sollen. Will man dieser in mannigfacher Hinsicht bedenklichen Sache Glauben schenken, so muss man eine Zulassung annehmen, welche höhere Zwecke im Auge hatte, und wenn auch der Gebrauch scheinbar zunächst höchst schädlich war , so konnte er nicht zu eigentlicher Sünde gerechnet werden, also an und für sich auch nicht zum Verderben führen, weil der Sinn und Wille redlich blieb. Aber die Glaubensprobe war jetzt um einen bedeutenden Grad schwieriger geworden.

Diese Vorgänge geben gewissermassen den Schlüssel zur ganzen Geschichte. Es handelte sich vorerst um eine Seele, die dem Satan widerstand, obwohl sie sein Band bereits an sich fühlte. Sie fühlte sich nach der einen Seite, dem Satanischen, mit einer gewissen Gewalt festgehalten; und ihr Inneres suchte die andere Seite, das Göttliche. Jenem entwunden zu werden, musste sie Treue und Glauben beweisen. So entspann sich ein Kampf, der immer weiter und umfassender wurde, weil auch die Finsternis nicht nachgeben wollte, und weil auch im satanischen Reiche ein Glied am andern hängt und alles im engsten Zusammenhang miteinander steht. So konnte, so unscheinbar auch die Person war, welche Veranlassung dazu gab, doch allmählich die ganze Hölle aufgeregt, ja der Kampf gar die Ursache werden, dass diese einen nicht geringen Stoss rücksichtlich ihrer geheimnisvollen Kräfte erlitt.

Nachdem Gottliebin in den ersten Anfängen Treue und Glauben bewährt hatte, ging die Forderung der Treue und des Glaubens mehr auf mich über, welche darin bestand, die Angefochtene um keinen Preis eine Beute der Finsternis werden zu lassen, was nur damit möglich war, dass ich kein anderes Mittel versuchte als das Gebet, das an die unsichtbare göttliche Kraft sich hielt. Auf das Leben der Gottliebin war es von Seiten des Satans beständig abgesehen, und zwar einmal schon darum, weil das Geheimnis des satanischen Betrugs immer weiter offenbar wurde, wie es auch schien, als ob das die Dämonen vornehmlich empört habe, sodann weil die satanische Kraft der Zauberei, die auf dem geordneten Wege überwunden wurde, nach Wahrnehmungen, die sich mir später und besonders am Schlusse unwillkürlich und fast gewaltsam aufdrängten, Gefahr lief, für immer vernichtet zu werden, also eine Entfernung der Person den finsteren Mächten gewissermassen um ihrer Selbsterhaltung willen immer notwendiger schien. Was letzteres betrifft, so war es mit Händen zu greifen, dass jede verborgene Zauberkraft an der Person eigentlich sich erschöpfte.

Um ihr wieder aufzuhelfen, wie wenigstens möglich schien, wenn sie gestorben, also der weitere Kampf unterdrückt worden wäre, wurden - man verzeihe mir den Ausdruck - immer wieder neue Batterien vorgerückt. Weil aber auch mir Mut und Kraft wuchs, mir selbst weitaus das grösste Wunder, da ich es nur als eine für diesen Kampf mir unmittelbar gegebene Gnade Gottes ansehen kann -, so wurden auch sie zu Schanden, und ein Bollwerk der Zauberei um das andere musste niedersinken, bis endlich der Hauptschlag am Schlusse erfolgte, da das Haupt aller satanischen Zauberkräfte aufzutreten schien. Ich gebe hier unerhörte Gedanken; aber der, der mir Schirm und Schild war und der mein Inneres kennt, weiss es, wie langsam und ungern ich sie fasste und wie schwer es mir eben um dieser scheinbaren Bedeutung des Kampfes willen geworden ist, diese schriftliche Darstellung zu geben. Ich konnte sie unmöglich verschweigen. wenn nicht das Ganze als ein fast sinnloses Rätsel erscheinen soll.

 

Die Nachstellungen nach dem Leben der Gottliebin wurden fast mit jedem Tage schauerlicher. Wie schon jedes in sie eingeschmuggelte Zauberstück auf ihren Tod zielte, so wurde sie auch sehr oft zum Selbstmord versucht, jedoch in der Regel, ohne ein Bewusstsein davon zu haben. Ausser dem, was oben erzählt wurde, erhängte sie sich einmal im Walde vermittelst ihres Halstuches. Ohne zu wissen, was sie tat, trug sie Steine zusammen, um hoch genug zu hängen; und das Halstuch brachte sie künstlich am Baume an. Schon hing sie, - aber das Halstuch zerriss. und der heftige Sturz brachte sie wieder zur Besinnung. Am gleichen Abend noch ehe ich etwas davon wusste, hörte ich aus ihr einen Dämon ausrufen: «Dass das Mädle nicht umzubringen ist; sie hat sich erhängt und der Strick hat müssen reissen.» Mehr als einmal kamen förmliche Blutstürze vor. bei welchen sie nicht nur dem Tode nahe, sondern bisweilen schon dem Tode verfallen schien. Auch bei den Erbrechungen verschwanden oft auf mehrere Minuten Atem und Puls, und Todeszüge waren in ihrem Gesicht. Einmal - ich erzähle es lieber vollends, obwohl man hierein am schwersten sich finden wird - wollte sie, nur halb bei Besinnung, eine Öffnung in die Haut des Vorderleibes machen, um einer Nadel den Weg zu bahnen. Sie stach sich mit dem Messer in den Leib; und es tat ihr eigentlich wohl, mit dem Messer im Leibe zu wühlen, bis der Magen durchstochen war, worauf dann alle Speise. die sie genoss, an der Magengegend wieder herauskam. Ihre Freundinnen bezeugten es, und der Arzt sah die Wunde noch zu einer Zeit, da ihr Anblick ihn von der Wahrheit des Erzählten überzeugen konnte. Die Wunde konnte zunächst nicht tödlich sein, weil es nicht ihre Tat war, also göttliche Bewahrung einschritt; sie konnte es aber werden und musste es, wenn der Glaube nicht auch hierin die Allmacht Gottes ergriffen hätte. Einmal wurden alle Wunden, auch die letztgenannte, plötzlich wieder aufgerissen, und die Gefahr war aufs äusserste gestiegen. Ich blieb beim Glauben, der mich nie zu Schanden machte. Als in grösster Bestürzung ihre Freundin herbeieilte und meldete, dass jede Minute Verzug gefährlich sei, stürzte ich, ganz übernommen, in meinem Zimmer auf die Knie nieder und redete kühne Worte. Diesmal wollte ich - so stark wurde ich im Augenblick - dem Teufel nicht einmal die Ehre antun, hinzugehen, sondern liess durch die Freundin sagen, sie solle sich aufmachen und zu mir kommen, sie könne es im Glauben. 

Es stand nicht lange an, so kam sie die Treppe herauf ;  wie es aber mir dabei wurde, kann mir niemand nachfühlen. übrigens bedurfte es auch hier, wie sonst, etlicher Tage zur völligen Heilung. Ausser dem vielen, das noch anzuführen wäre, erwähne ich nur noch die Äusserung eines Dämons, der sich für einen vor 40 Jahren in Hamburg verstorbenen Arzt ausgab, auch seinen Namen nannte, er habe nicht weniger als sechs Mass Gift allmählich in sie hineingezaubert. Dies konnte erklären, dass alles Blut und alle Flüssigkeit, die sie erbrach, einen scharfen und höchst widrigen Geruch hatte, den ich mit nichts Ähnlichem zu vergleichen weiss (und der mir nur später bei einem besessenen Knaben, der sich für vergiftet hielt, wieder vorkam). In allen diesen und ähnlichen Dingen siegte der Name Jesus, oft nur die Anführung der in Markus 16 enthaltenen Verheissung oder der Spruch in Philipper 2.

 

12 ersehnte Schluss der Geschichte erfolgte in den letzt verflossenen Weihnachtsfeiertagen

 

Der ersehnte Schluss der Geschichte erfolgte in den letzt verflossenen Weihnachtsfeiertagen (24.-28. Dezember 1843), da sich alles, was nur je früher vorgekommen war, noch einmal zusammenzudrängen schien. Das Misslichste war, dass sich in diesen Tagen die finsteren Einwirkungen auch auf den halbblinden Bruder und eine andere Schwester, Katharina, ausdehnten, ich also mit dreien zumal den verzweifeltsten Kampf durchzumachen hatte, wobei deutlich der innere Zusammenhang zu erkennen war. Den Verlauf des Einzelnen kann ich nicht mehr erzählen. Es war zu mannigfaltig, als dass ich es hätte im Gedächtnis behalten können. Aber Tage waren es, wie ich keine mehr zu erleben hoffe; denn es war soweit gekommen, dass ich sozusagen alles aufs Spiel zu setzen wagen musste, wie wenn es hiesse: Siegen oder sterben! So gross übrigens auch meine Anstrengung war, so fühlbar war mir ein göttlicher Schutz, indem ich nicht die geringste Ermüdung und Angegriffenheit fühlte, selbst nicht nach vierzigstündigem Wachen, Fasten und Ringen. Der Bruder war am schnellsten wieder frei, und zwar so, dass er sogleich tätige Hilfe im Nachfolgenden leisten konnte. Die Hauptsache kam aber diesmal nicht an Gottliebin, welche im letzten Akt nach vorausgegangenen Kämpfen gleichfalls völlig frei zu sein schien, sondern an ihre Schwester Katharina, welche früher nicht das mindeste der Art erfahren hatte, nun aber so rasend wurde, dass sie nur mit Mühe festgehalten werden konnte. Sie drohte, mich in tausend Stücke zu zerreissen, und ich durfte es nicht wagen, ihr nahe zu treten. Sie machte unaufhörliche Versuche, mit eigener Hand, wie sie sagte, sich den Leib aufzureissen, oder lauerte listig umher, als wollte sIe irgend etwas Grässliches an denen, die sie hielten, verüben. Dabei raffelte und plärrte sie so fürchterlich, dass man Tausende von Lästermäulern in ihr vereinigt sich denken konnte. Am auffallendsten war, dass sie ganz bei Besinnung blieb, indem man mit ihr reden konnte, sie auch bei scharfen Ermahnungen sagte, sie könne nicht anders reden und handeln, man möchte sie doch nur recht festhalten, dass nichts durch sie geschehe. Auch nachher hatte sie noch an alles, selbst an die grässlichen Mordversuche, bestimmte Erinnerungen; und diese wirkten so niederschlagend auf sie, dass ich mich mehrere Tage ihrer besonders annehmen musste, bis nach fleissigem und ernstlichem Beten ihr die Erinnerungen allmählich schwanden.

Daneben liess sich dennoch der Dämon aus ihr ebenso bestimmt vernehmen, der sich diesmal nicht als abgeschiedenen Menschengeist, sondern als vornehmen Satansengel ausgab, als das oberste Haupt aller Zauberei, dem vom Satan die Macht dazu erteilt worden sei und durch den dieses Höllenwerk nach den verschiedensten Seiten hin zur Förderung des satanischen Reiches sich verzweigt hätte, mit dem aber nun, da er nun in den Abgrund fahren müsse, der Zauberei der Todesstoss gegeben werde, an dem sie allmählich verbluten müsse. Plötzlich, gegen 12 Uhr um Mitternacht, war es, als erblickte er den geöffneten Feuerschlund.

Da dröhnte aus der Kehle des Mädchens zu mehreren Malen, ja wohl eine Viertelstunde andauernd, nur ein Schrei der Verzweiflung, mit einer erschütternden Stärke, als müsste das Haus zusammenstürzen. Grausenerregenderes lässt sich nicht denken, und es konnte nicht fehlen, dass die Hälfte der Bewohner des Orts, nicht ohne besonderen Schrecken, Kenntnis von dem Kampfe bekam. Dabei befiel die Katharina ein so starkes Zittern, dass es war, als wollten sich alle ihre Glieder voneinander abschütteln. Schien so der Dämon lauter Angst und Verzweiflung zu sein, so war nicht minder riesenhaft sein Trotz, indem er Gott herausforderte, ein Zeichen zu tun, und nicht eher auszufahren vorgab, als bis ein den ganzen Ort erschütterndes Zeichen vom Himmel erfolgt wäre, damit er nicht so gemein wie andere Sünder seine Rolle niederlegen, sondern gewissermassen unter Ehren in die Hölle fahren müsse. Solches schauerliche Gemisch von Verzweiflung, Bosheit, Trotz und Hochmut ist wohl schwerlich je irgendwo erblickt worden. Unterdessen schien in der unsichtbaren Welt immer rascher sein erwarteter Untergang vorbereitet zu werden.

 

«Jesus ist Sieger! Jesus ist Sieger!»

Endlich kam der ergreifendste Augenblick, welchen unmöglich jemand genügend sich vorstellen kann, der nicht Augen- und Ohrenzeuge war. Um 2 Uhr morgens brüllte der angebliche Satansengel, wobei das Mädchen den Kopf und Oberleib über die Lehne des Stuhls zurückbog, mit einer Stimme, die man kaum bei einer menschlichen Kehle für möglich halten sollte, die Worte heraus: «Jesus ist Sieger! Jesus ist Sieger!» Worte, die, so weit sie ertönten, auch verstanden wurden und auf viele Personen einen unauslöschlichen Eindruck machten. Nun schien die Macht und die Kraft des Dämons mit jedem Augenblicke mehr gebrochen zu werden. Er wurde immer stiller und ruhiger, konnte immer weniger Bewegungen machen und verschwand zuletzt ganz unmerklich, wie das Lebenslicht eines Sterbenden erlischt, jedoch erst gegen 8 Uhr morgens.

Das war der Zeitpunkt, da der zweijährige Kampf zu Ende ging. Dass dem so sei, fühlte ich so sicher und bestimmt, dass ich nicht umhin konnte, am Sonntag, tags darauf, da ich über den Lobgesang der Maria zu predigen hatte, meine triumphierende Freude merken zu lassen. Es gab freilich hintennach noch mancherlei aufzuräumen, aber es war nur der Schutt eines zusammengestürzten Gebäudes. Mit dem halbblinden Bruder, einem bescheidenen und demütigen, auch christlich sehr verständigen Menschen, der viel Glauben und Gebetskraft hat, hatte ich fast nichts mehr zu schaffen; und die an ihn gekommenen satanischen Angriffe sind andern Leuten kaum bemerklich geworden. Die Katharina hatte noch eine Zeitlang je und je krampfartige Bewegungen infolge der ausserordentlichen Angegriffenheit des Gemüts, war aber auch bald wieder völlig hergestellt; und was mit ihr vorgefallen war, hat, möchte ich sagen, niemand erfahren. Etwas mehreres stellte sich noch in der nächsten Zeit bei der Gottliebin ein; aber es waren mehr nur erneuerte, jedoch von selbst misslingende Versuche der Finsternis mit früherem, die mich weiter nicht viel in Anspruch nahmen. Ja, unter diesen Nachzüglern geschah es allmählich, dass sie zu einer vollkommenen Gesundheit gelangte. Alle ihre früheren Gebrechen, die den Ärzten wohlbekannt waren, wurden ganz aufgehoben, die hohe Seite, der kurze Fuss, die Magenübel usw. Dabei wurde ihre Gesundheit immer fester und dauerhafter; und jetzt steht es seit geraumer Zeit mit ihr so, dass sie in jeder Hinsicht als vollkommen hergestellt, als ein wahres Wunder Gottes angesehen werden kann. Ihr christlicher Sinn hat auch auf eine erfreuliche Weise zugenommen; und ihre stille Demut, ihre gediegene und verständige Rede, mit Entschiedenheit und Bescheidenheit gepaart, macht sie zu einem gesegneten Werkzeug an vielen Herzen. Was den Wert ihres Charakters am deutlichsten zu erkennen gibt, ist das, dass mir keine weibliche Person bekannt ist, die mit so viel Einsicht, Liebe, Geduld und Schonung Kinder zu behandeln wüsste, weswegen ich bei nötig werdender Aushilfe am liebsten ihr meine Kinder anvertraue; und wie sie schon im vorigen Jahre zu aller Zufriedenheit Industrielehrerin gewesen war, wobei ich nur mit dankbarem Erstaunen auf die bewahrende göttliche Vorsehung zurückblicken kann, infolge deren sie in der sonst so schweren Zeit auch nicht ein einziges Mal genötigt war, den Unterricht einzustellen, so konnte ich jetzt, da eine Kleinkinderschule errichtet werden sollte, keine Person finden, die so geeignet wie sie gewesen wäre, dieselbe zu übernehmen. 

Möttlingen, den 11. August 1844.

Pfarrer Joh. Chr. Blumhardt

 


Nachschrift

Da nach der Abfassung obigen Aufsatzes nun schon volle sechs Jahre verstrichen sind, so wird der Leser begierig sein, zu hören, wie es jetzt mit der Gottliebin stehe. Ich bemerke einfach, dass dieselbe seit vier Jahren ganz in mein Haus eingekehrt ist, als die treueste und verständigste Stütze meiner Frau in der Haushaltung und Kindererziehung, der meine Frau alles ins Haushaltungswesen Einschlagende, Kleines und Grosses, unbedingt anvertrauen und nach Umständen überlassen darf. Was sie unserem Hause und allen Personen, die bei uns ein- und ausgehen, ist, lasse ich andere bezeugen, da ich weiss, dass, wer sie kennen lernt, nicht versäumt, seine Achtung und Wertschätzung ihrer Person überall auszusprechen. Mir ist sie namentlich a)Ich für Behandlung von geisteskranken Personen nahezu unentbehrlich geworden, da dieselben alsbald das ungernessenste Zutrauen zu ihr bekommen, so dass mein Umgang mit ihnen nur wenig Zeit erfordert. übrigens ist sie nicht als eine Dienstperson bei uns, da ihre Dankbarkeit sich für das, was sie für uns tut, nicht will bezahlen lassen, sondern sie betrachtet und fühlt sich als von uns an Kindes Statt angenommen, was nun auch mit ihrer Schwester Katharina und dem erwähnten halbblinden Bruder der Fall geworden ist.

Möttlingen, den 31. Juli 1850.

Pfarrer loh. Chr. Blumhardt

 

Wer Interesse an der gedruckten Version dieses Aufsatzes von Pfr. Joh. Chr. Blumhardt hat, kann ihn bei uns anfordern

 (5 Euro, plus Porto). – Wir werden unser bestes versuchen, die gewünschten, gedruckten Exemplare (solange vorrätig) zu beschaffen und zuzusenden.

 

 

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