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Pfr Joh. Christoph
Blumhardt 1805 – 1880
Kindheit, Schulzeit, Studium
In bescheidenen
Verhältnissen kommt Johann Christoph Blumhardt am 16. Juli 1805 in Stuttgart
zur Welt, als zweiter Sohn des Bäckers Joh. Georg Friedrich Blumhardt. Es
war eine beschwerliche Zeit, denn als Joh Chr. Blumhardt etwa 10 Wochen alt
war, marschiert ein französisches Heer in Stuttgart ein. Mutter und Sohn
waren in äusserster Gefahr. „Die Gewaltthat und Rohheit der auch bei ihr
einkehrenden Soldaten war grenzenlos, und meine Mutter hat sich müssen
verstecken und beten, das Kindlein möchte doch stille sein, dass die
Soldaten nichts merken, bis der Vater vom Rathhaus kam, wo er Hilfe suchte
gegen die Gewalttat derselben; das Kindlein blieb dann auch stille, und die
Hilfe kam“.
Auch die folgenden Jahre waren nicht ohne Not. Man musste sich finanziell
einschränken.... Hinzu kommen die Hungerjahre 1815 und 1816 mit
katastrophalen Missernten und Teuerung. Früh greift der Tod in die Familie
ein. Die Schwester Wilhelmine stirbt, ehe sie das zweite Lebensjahr
vollendet hat; der älteste Bruder Gottlieb Friedrich wird nicht ganz
dreizehn Jahre alt. 1922 stirbt auch der Vater.
Es sind die Stuttgarter Gemeinschaftskreise, in denen Blumhardt
aufwächst.Seit dem 12. Lebensjahr besucht er die Versammlung des erwähnten
„Oheims“ (Onkels), das Damenschuhmachermeisters Carl Friedrich Blumhardt.
Dieser ist Pregizerianer, Angehöriger einer pietistischen Gemeinschaft,
welche die Rechtfertigung allein aus Gnade besonders betont, im Gegensatz zu
den sich auf Michael Hahn berufenden „Michelianern“ mit ihrem strengen
Heiligungsstreben. Anders hätten ihn später, während der Studienzeit in
Tübingen, die die Heiligung betonenden Geistlichen Erquickstunden Heinrich
Müllers nicht derart beeinflussen können. So schreibt Dieter Ising im
Begleit-Buch zur Blumhardt-Gedenk-Ausstellung im Gottliebin-Dittus-Haus in
Möttlingen.
Joh. Chr. Blumhardt hat das Werden der Basler Mission, gegründet 1815
aufmerksam verfolgt – die Stuttgarter Gemeinschaftskreise fördern das Werk
von 1816 an. Der erste Missionsinspektor war ein Cousin von Blumhardts
Vater: Christian Gottlieb Blumhardt.
Früh begann Blumhardt, die Bibel zu lesen. Er erinnert sich später, er habe,
als er 14jährig ins Schöntaler Seminar eingetreten sei, die Bibel besser
gekannt als sein Professor. Zu denken gibt folgender Satz: Bereits als Kind
macht es Blumhardt nachdenklich, dass in der Schrift „sich so vieles ganz
anders ansieht als bei unsern Gläubigen. Wie viel namentlich sagt der Herr
und sagen die Apostel von dem Heiligen Geiste; und alles, was sie sagen,
kann ich bei uns so nicht finden“. Blumhardt war sich der geistlichen Armut
der heutigen Zeit bewusst, ehe die Möttlinger Erweckungsbewegung dieses
Thema für ihn wieder in den Vordergrund rückt...
Von 1824 bis 1829 studiert Blumhardt Theologie an der Universität Tübingen.
1825 hörte er Vorlesung über „Psychologie“ und das gleichnamige Lehrbuch des
Tübinger Professors A.K. A. Eschenmayer und diese weisen Blumhardt auf die
Wirkungen des „magnetischen“ (hypnotischen) Schlafs hin; ferner werden
Phänomene wie Somnambulismus („Schlafwandeln“; auch gebraucht für das Reden
im hypnotischen Schlaf) und „ekstatischer Traum“ (Wahrnehmung entfernter
oder zukünftiger Ereignisse) besprochen.
(S. 19)
Fast zwei Jahrzehnte später erlebt Blumhardt Ähnliches bei der kranken
Gottliebin Dittus in Möttlingen. Er ist somit nicht unvorbereitet in den
Möttlinger „Kampf“, wie er die Krankheits- und Heilungsgeschichte der
Gottliebin nennt, gegangen. Im Laufe der Ereignisse distanziert sich
Blumhardt aber von seinem früheren Lehrer und dessen „magnetischen“
Experimenten. Blumhardt lehnt es ab, sich der sogenannten „Geisterwelt“ in
der Haltung des Forschers zu nähern. Blumhardt experimentiert nicht; er ist
Seelsorger, der um Befreiung der Kranken von den „Dämonen“ bittet und auf
den Sieg Jesu Christi vertraut. (S. 20)
Blumhardt
als Vikar und Missionslehrer
(Dürrmenz, Basel, Iptingen)
Von Oktober 1829 bis Oktober 1830 versieht Blumhardt sein erstes Vikariat
bei dem Dürrmenzer Pfarrer Gottlob Christian Kern (1792 – 1835), seinem
früheren Lehrer in Schöntal. Dieser hatte wegen einem Brust- und Augenleiden
die Schöntaler Professur aufgeben müssen.
Im Pfarrhaus und in der Dürrmenzer Gemeinde hört Blumhardt häufig von
unerklärlichen Begebenheiten wie Polterspuk und Geistererscheinungen; auch
diese Berichte sind von Bedeutung für seine spätere Tätigkeit in Möttlingen
und Bad Boll.
(S. 22)
Einem Vorschlag des Missionsinspektors Christian Gottlieb Blumhardt folgend,
beruft das Basler Missionskomitee 1830 Blumhardt auf eine Lehrerstelle in
Basel. Bis zum März 1837 unterrichtet er dort in zahlreichen Fächern,
angefangen von den alten Sprachen über biblische Exegese, Predigtlehre,
Katechetik (Lehre vom Religionsunterricht) bis hin zu Geometrie, Geographie
usw.
Im Sommer 1834 hatte Blumhardt zeitweise 26 Wochenstunden zu halten und
vorzubereiten, die höchste Stundenzahl aller Missionslehrer. Seine Schüler
sind angehende Missionare wie sein jüngerer Bruder Carl Heinrich Blunmhardt
(seit 1837 in Abessionien, danach in Indien), wie z.B. die später bekannten
Indienmissionare Hermann Mögling und Samuel Hebich. Reisen durch
Südwestdeutschland, Schweiz und Elsass vermittelten Blumhardt einen Eindruck
von den Aktivitäten der Christentumsgesellschaft, zu deren Zentrum sich
Basel entwickelt hatte. Neben der Basler Mission sind u.a. auch die Basler
Traktatgesellschaft, die Basler Bibelgesellschaft, der Verein der Freunde
Israels, die Pilgermission und weitere Tochtergründungen der
Christentumsgesellschaft. Diese Werke wurden von Hilfsvereinen in ganz
Europa unterstützt. Blumhardt lernte auf seinen Reisen die Ausstrahlung des
Basler Zentrums kennen. Auf diese Weise erlebt Blumhardt von 1830 bis 1837
ein wichtiges Stück Basler Missionsgeschichte. 1835 erlebt Blumhardt den
Versuch einer Geisteraustreibung durch Nikolaus von Brunn, den Präsidenten
der Basler Missionsgesellschaft. In seinem Basler Tagebuch berichtet er von
besessenen Kindern, denen von Brunn die Hände auflegt, und aus denen heraus
ein Geist sprach. Diese Begebenheiten und weitere machen eine Vorbereitung,
eine Vorprägung für die spätere Möttlinger Ereignisse sichtbar. (S. 24, 25).
1837 kehr Blumhardt als Pfarrgehilfe von Basel nach Iptingen (Würrtemberg)
zurück. Schon bald kann Blumhardt von einem regen Besuch seiner Predigten
berichten. Im Wunsch bald eine eigene Pfarrei zu erhalten, schrieb Blumhardt
manche Bewerbungen, die abschlägig beantwortet wurden. Schliesslich hat
Blumhardts Gesuch um Möttlingen Erfolg. Eine Möttlinger Delegation hatte
beim König um Blumhardt gebeten. (S.27)
Möttlinger „Kampf“ und
Erweckungsbewegung
Im Jahr 1840 wird Gottliebin Dittus (eine Tochter des Möttlinger Bäckers)
erstmals von unerklärlichen Krämpfen, Blutungen und Geistererscheinungen
heimgesucht.
Erst im April 1942 zieht man Blumhardt ins Vertrauen. Sein anfängliches
Zögern, in dieser Sache etwas zu unternehmen, stösst auf Kritik des
Herrenhuter Diasporapredigers Weiz. Auch der behandelnde Arzt, Dr. Späth aus
Merklingen, äussert angesichts der Kranken , die von furchtbaren Krämpfen
geplagt wird: „Man sollte meinen, es sei gar kein Seelsorger am Ort, dass
man die kranke so liegen lasse; das ist nichts Natürliches“. Am 26. Juni
1842 nimmt Blumhardt den Kampf mit den dämonischen Mächten auf. In „Die
Krankheitsgeschichte der G.D. in Möttlingen“ schildert Blumhardt das
entscheidende Erlebnis.
(S. 29/30)
Blumhardt erweist sich als treuer Seelsorger, der die Kranke niemals
aufgibt. Er besucht Gottliebin immer in Gegenwart von mehreren Augen- und
Ohren-Zeugen. Er nahm ja diesen Kampf anfänglich zögernd (d.h. mit grosser
Vorsicht) und nicht aus eigener Wahl, eigener Vermessenheit auf, der am Ende
der Weihnachtsfeiertage 1843 zum letzten Akt dieser dramatischen Ereignisse,
dem lang ersehnten Ende des Kampfes (des Sieges unter dem Stichwort: „Jesus
ist Sieger“) führte (Siehe entsprechendes Lied im Kirchengesangbuch)...
Natürlich fehlte es auch bei diesen tatsächlichen Ereignissen nicht an
Stimmen (Professoren, wie Medien, die es sehr wohl besser wissen konnten!),
die Blumhardts Wirken in Möttlingen und die Heilungen lächerlich zu machen
versuchten. Ganz im Sinne, was nicht sein darf, kann nicht sein. Schnell
sind da herabsetzende Wortformulierungen im Munde, wie „vermeintliche
Wundertätigkeit“ oder „ gutherzig, aber geistesbeschränkt“. Wie viele solche
Rufschädigungs-Versuchen entsprangen reinem Neid, echter Missgunst? Gäste
aus dem In- und Ausland reisten in Scharen nach Möttlingen. Das findet nicht
die Zustimmung aller Amtsbrüder. Ein Teil dieser „Amtsbrüder“ beklagte
Blumhardts Wirken als Übergriff auf ihre Gemeinden. Das Konsistorium erliess
ein Verbot, das aber ins Leere ging. Zustimmungen erfuhr Blumhardt aber von
Freunden wie Christian Friedrich Spittler (Sekretär der Basler
Christentumsgesellschaft) oder dem Basler Ratsherrn Adolf Christ-Sarasin
(Mitglied des Missionskomitees).
(S. 40)
Blumhardts pfarramtliche Tätigkeit in Möttlingen und der Filiale
Unterhaugstett war vielgestaltig: Gottesdienste, Betstunden, Schul- und
Konfirmandenunterricht, Kasualpredigten, usw. Ungezählte seelsorgerliche
Gespräche, neu errichtete Strick- und Nähschule, Kleinkinderschule (=
Kindergarten, eingerichtet 1844), Möttlinger Verleihkasse (1847),
Lehrerfortbildung (1841, zweiter provisorischer Konferenzdirektor). 1850
bewirbt sich Blumhardt in anderen Pfarreien. Ende Oktober 1850 erhält er
eine persönliche Audienz beim württembergischen König Wilhelm I. Blumhardt
schrieb darüber: „Kurz, der König wusste auf alles sogleich eine Antwort in
sehr freundlichem Tone. Drunter hinein sagte er wiederholt, er bitte mich,
wolle mir’s aber nicht aufdringen, dass ich bleiben möchte, und er schloss
mit den Worten: „Schreiben Sie, dass ich Sie gebeten habe, sich dem
Vaterlande zu erhalten’, und mit Wünschen für mein ferneres Wirken....“
Blumhardt verfasste auch in seiner Möttlinger Zeit eine Reihe von Aufsätzen
und grösseren Werken. Jenen, die an seinen Angaben in der
Krankheitsgeschichte der Gottliebin Dittus zweifeln, gibt er zu bedenken,
dass seine damalige schriftstellerische Tätigkeit neben den übrigen Aufgaben
ihm keine Zeit gelassen habe, „übertriebenen Phantasien nachzuhängen“... Er
schrieb in den „Jugend Blättern“, er konzipierte das 1843 erstmals
aufgelegte Handbüchlein der Weltgeschichte für Schulen und Familien, die
Monatsblätter (1839 – 1853). Sein bekanntestes Werk ist die
Krankheitsgeschichte der Gottliebin Dittus. Darüber hinaus versuchte sich
Blumhardt als Komponist. So entstanden schlussendlich die Psalmlieder, oder
die Psalmen, in singbare Lieder umgesetzt (Reutlingen, 1848, 2. Auflage
1864), dann die Prophetenlieder nach Jesaja, nebst ausgewählten Psalmliedern
nach dem biblischen Texte bearbeitet. Die selbst auferlegte enge Bindung an
den Bibeltext lässt Blumhardt wenig Raum zum selbständigen Formulieren.
Heute noch gesungene Lieder sind u.a. „Jesus ist der Siegesheld“ oder „Dass
Jesus siegt, bleibt ewig ausgemacht“.
Nach Blumhardts Tod fühlt sich sein Biograph Friedrich Zündel verpflichtet,
dem öffentlichen Interesse an Blumhardts Verkündigung zu entsprechen und in
seinem Lebensbild die Lithographie zu publizieren.
Blumhardt als Prediger und Seelsorger in Bad Boll
1852 erwirbt Blumhardt vom württembergischen König das Bad Boll, ein
Schwefelbad mit geräumigem Kurhaus. Im Januar 1880 erkrankt Blumhardt an
einer Lungenentzündung. Er stirbt am 25.2.1880. Am 28. Februar 1880, drei
Tage nach seinem Tod, findet das Begräbnis statt.
Nachwirkungen
Leben und Werk Blumhardts haben ihre Nachwirkungen bis in die Gegenwart
hinein.
In anderer Weise führt die in Möttlingen ansässige „Rettungsarche“ Friedrich
Stangers das Werk des älteren Blumhardt weiter. Stanger, ein gebürtiger
Möttlinger, verbringt seine ersten Lebensjahre in grosser Armut. Krankheit
hindert ihn daran, den Beruf eines Goldschmieds zu erlernen. Als
Stallbursche wird er zum Trinken verführt. Wegen Alkoholismus entlässt man
ihn aus verschiedenen Arbeitsverhältnissen. Im Jahr 1906 kommt es zu einer
entscheidenden Veränderung. Ein schmerzhaftes Gichtleiden führt ihn ins
Gebet. Als er sich zum festen Glauben an eine Gesundung durchringt, tritt
überraschend die Heilung ein. 1909 erbaut er in Möttlingen mit Hilfe von
Freunden die „Rettungsarche.“ Hier nimmt er Heilungssuchende auf. „Vater
Stanger“, wie er jetzt genannt wird, hält tägliche Andachten. In seinen
Sprechstunden versammeln sich die Gäste in kleinen Gruppen. Dort nimmt er
ihnen die Beichte ab, legt die Hände auf kranke Organe und betet mit den
Hilfesuchenden. Heilerfolge stellen sich ein. Weiteres könnte hier
aufgeführt werden – aber wir beschränken uns hier auf Blumhardt’s des
Älteren Wirken.
Blumhardt erweist sich während der Krankheit der Gottliebin nicht bloss als
treuer und verständnisvoller Seelsorger und „Therapeut“. Entscheidend ist,
dass er dabei mit einer ihn zunächst erschreckenden dämonischen Wirklichkeit
konfrontiert wird, dass er in einen Abgrund der Gottesfeindschaft
hineinschauen muss, diesem im Vertrauen auf die Macht des Heilands standhält
und schliesslich erlebt, wie sich die im neuen Testament geschilderten Siege
Jesu über die Dämonen wiederholen. Für Blumhardt handelt es sich nicht bloss
um Heilung von einer schweren Krankheit, sondern um ein Kampfgeschehen
zwischen Jesus Christus und dämonischen Mächten.
Im 84-seitigen Begleitbuch zur Blumhardt-Gedenkausstellung im
Gottliebin-Dittus-Haus in Möttlingen finden sich noch sehr viel mehr
lesenswerte, respektive detaillierte Informationen. Das Buch ist
herausgegeben von der Blumhardt-Gesellschaft in Möttlingen e.V., und ist
erschienen im Ernst Franz-Verlag, Metzingen.
Lesen Sie unter dem
separatem Link:
Die Krankheitsgeschichte und Heilungsgeschichte der Gottliebin Dittus
Basierend auf dem ausführlichen Original-Bericht
Von Pfr. Joh. Chr. Blumhardt
Anmerkung zu obiger
Heilungsgeschichte:
Der Aufsatz wurde im August 1844 der Königlich Württembergischen
Oberkirchenbehörde auf deren Verlangen «in der Eigenschaft einer
vertraulichen Mitteilung» übergeben, kam aber ohne Wissen des
Unterzeichneten durch Abschriften in Umlauf.
Sein Vorwort
(An das Königliche Konsistorium.)
Indem ich mitfolgenden Aufsatz einer hochpreislichen Oberkirchenbehörde
übergebe, fühle ich mich zu der Erklärung gedrungen, dass ich noch gegen
niemand so kühn und unumwunden über meine Erfahrungen mich ausgesprochen
habe........ - Und am Schlusse seines Kampfes steht:
“Jesus
ist Sieger“.
Pfarrer
Joh. Christoph Blumhardt beginnt den Erlebnis-Bericht wie folgt:
„...Die Sache wurde Ortsgespräch..., ...verbreitete sich in der ganzen
Umgebung...“
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